„Heimat, fremde Heimat“: Migrantensendung wird 20

01.04.2009 | 17:44 | Ania Haar

0,297 Prozent des Sendeangebots des öffentlich-rechtlichen ORF wird speziell für Migranten gemacht: „Heimat, fremde Heimat“.

WIEN. Am Donnerstag ist es exakt 20 Jahre her, dass im ORF die erste Gastarbeiter- und Minderheitensendung on air ging: „Heimat, fremde Heimat“. Hinter diesen 20 Sendeminuten steht eine Idee: eine Art Heimatsendung, um die in Österreich lebenden Ausländer in ihrer Muttersprache zu erreichen. Damals war die Sendung geteilt: zehn Minuten für die Jugoslawen und zehn Minuten für die Türken.

20 Jahre danach sagt Tülay Tuncel (Wiener Integrationskonferenz): „Die Sendung an sich darf man gar nicht angreifen. Aber: Sie ist nur ein Tropfen auf heißen Stein.“ „Besser als gar nichts“, meint Dardis McNamee, Direktorin des „Vienna Journalism Institute“ und Herausgeberin von „The Vienna Review“. Aber bei einer halben Stunde in der Woche, sonntags um 13.30h, macht das von der Sendezeit gerade einmal 0,297 Prozent aus, was „eigentlich beschämend für den ORF“ ist, fügt Tuncel hinzu.

„Versäumnis des ORF“

Fritz Hausjell, Professor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften der Uni Wien, meint dagegen: „Das Magazin hat viel geleistet. Von einer „Gastarbeitersendung hat man sich zum Spezialmagazin für Diversity und Menschenrechte entwickelt.“ Die Erfahrung des Moderatorenteams, Silvana Meixner und Lakis Iordanopoulos, verleiht der Sendung mehr Seriosität. Für Meixner wurde die Tätigkeit lebensbedrohlich – sie ist eines der Briefbombenopfer.

Das Konzept der Sendung hat sich im Lauf der vergangenen beiden Jahrzehnte gewandelt: Ursprünglich wurde über zwei Gruppen und deren Heimat berichtet. Mittlerweile hat sich der Schwerpunkt der Themen auf das Leben in Österreich verlagert. Außerdem deckt „Heimat, fremde Heimat“ die Belange der österreichischen Volksgruppen ab. Ziel ist, Integration zu fördern, vor allem aber das Miteinander. Mittlerweile erfolgt die Moderation auf Deutsch.

Ende 2008 wollten die Gerüche nicht verstummen („Die Presse“ berichtete), dass die Sendezeit von „Heimat, fremde Heimat“ reduziert werden sollte. Die Begründung: Die Quote stimme nicht. Allerdings: Migranten werden gar nicht separat ausgewiesen. Eine jetzt laufende Studie soll zeigen, mit welchen Angeboten man Migranten in Zukunft besser erreichen kann. Das heutige Angebot an Programmen „ist nicht die Vielfalt, die die Realität widerspiegelt“, betont Tülay Tuncel. In Österreich haben 14 bis 16 Prozent Migrationshintergrund. Und damit sind 14 bis 16 Prozent Gebührenzahler des ORF. Dies müsste auch im Programmangebot Niederschlag finden.

„Das ist ein Versäumnis des ORF“, so Hausjell. Und außerdem seien nicht die Chancen genutzt worden, wie dies etwa BBC oder WDR getan hätten. Hausjell meint, dass nicht nur die ethnische Heterogenität in den Programmen sichtbar sein solle, sondern auch der Anteil von Journalisten mit Migrationshintergrund in Redaktionen zu erhöhen sei. Seitens der Wissenschaft wurde darauf schon vor „15 bis 20 Jahren hingewiesen“. Hausjell kritisiert, dass diesbezüglich tatsächlich nur wenig geschehen sei. „Warum sollen Migranten denn nicht als Moderatoren“ präsent sein, auch wenn sie „mit Akzent sprechen“? Er glaubt nicht, dass daran jemand Anstoß nehmen könnte, denn die Sprachfärbung eines Moderators, der aus Vorarlberg stammt, sei auch kein Aufreger.

Bunte Redaktionen

Die Forderungen nach mehr Diversität stellen nicht nur die Organisationen der Migranten auf, vielmehr sind sie im Auftrag des öffentlich-rechtlichen selbst fest verankert. Jedenfalls garantiere die Demokratie Chancengleichheit – für alle. „Mehr bunte Redaktionsbesetzungen“, wünscht sich Hausjell. Was er vermisst, ist eine frühzeitige und gezielte Nachwuchsförderung von Journalisten mit Migrationshintergrund. Denn oft haben diese einen speziellen Zugang zu „Bereichen, die anderen verschlossen“ sind.

Es sei schließlich die Rolle der Medien und der Journalisten, den „Respekt vor den Menschenrechten und für die Verfassungsgrundsätze“ zu fördern, wie die Autoren von „Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland“ schreiben.

Unter vielen Migranten herrscht die Meinung vor: Auf dem Weg zur interkulturell-medialen Integration ist die Sendung „Heimat, fremde Heimat“ ein guter Anfang gewesen. Nun müsste die Sendung nach 20 Jahren sinnvoll erweitert werden. (ANIA HAAR)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 01.04.2009


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