Medien: Casting positiv, Moderatorenjob negativ

09.09.2009 | 17:56 | Nasila Berangy

In österreichischen Mainstreammedien sind Menschen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert. Vor allem bei Jobs vor der Kamera werden ausländisch klingende Namen nach wie vor als Hindernis betrachtet.

Die Kolleginnen haben Angst vor dir, so der Vorwurf, den sich Patrick Bongola, ehemaliger „Wie bitte?“-Moderator beim ORF, anhören musste. Er konnte das nicht glauben und hakte nach. Ergebnislos. Doch mit ein Grund, warum es der Schauspieler und Musiker mit afrikanischen Wurzeln, wie er sagt, „nur fünf Monate beim ORF aushielt“.

Auch sein Zugang zu Geschichten kam nicht an. Als er ein Interview mit der Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima führen sollte, bei dem es um Umweltverschmutzung ging, interessierte ihn nicht nur der Müll am Boden, sondern auch der an den Wänden: rassistische Beschmierungen. Der Beitrag liegt noch heute.

„Mainstreammedien verstehen sich nur als Medien für die Mehrheitsgesellschaft“, sagt Fritz Hausjell, Professor am Institut für Publizistik. Medienmacher hätten beim Bild der Leser oder Zuschauer immer nur den alteingesessenen Österreicher vor Augen. Und wird doch über Migranten berichtet, dann immer in Verbindung mit Kriminalität oder Problemen von Migranten, die auch auf die Gesellschaft zurückfallen. Sie selbst würden verhältnismäßig selten zu Wort kommen, selbst wenn über sie berichtet wird.

Nur negative Assoziationen

In Bildmedien, so Hausjell, seien sie gar nicht präsent. Beispiel Schulbeginn: In Medien werden nur Bilder von Kindern der Mehrheitsgesellschaft abgebildet. Für den Kommunikationswissenschaftler ein eklatanter Widerspruch zur Debatte um den hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Schulklassen.

Eine Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit im Raum Wels ergab, dass Journalisten über Aktivitäten von Vereinen der Mehrheitsgesellschaft regelmäßig berichten, während jene der Migranten vernachlässigt werden. Mit den Ergebnissen konfrontiert, kam von Journalisten der Einwand: „Das ist nichts für unsere Leser.“

In der Mediennutzungsforschung setzt sich das Problem fort, so Hausjell. Migranten werden in der Medienanalyse nicht ausgewiesen. Doch ihn wundert es nicht, wenn Migranten tendenziell weniger zu Mehrheitsmedien greifen, denn häufig können sie sich in der Berichterstattung nur in einer sehr starken Einseitigkeit wiederfinden.

Um adäquatere Bilder zu schaffen, fordert Hausjell faire Berufschancen für Migranten. Ein Gegenargument von Medienmachern, das er schon nicht mehr hören kann, weil unberechtigt: „Migranten können nicht gut Deutsch oder sie haben einen Akzent.“

Ein ORF-Mitarbeiter, der anonym bleiben will, bringt es auf den Punkt: Im ORF ist ein deutscher Akzent nicht möglich, warum soll da ein türkischer möglich sein?

Doch Ani Gülgün-Mayr, Redakteurin in der Minderheitenredaktion, hat keinen türkischen Akzent, nur einen türkischen Namen. Ein Grund, warum sie als Club2-Moderatorin abgelehnt wurde? Diese Ablehnung soll zumindest mit ein Grund für den ehemaligen Club2-Chef Lorenz Gallmetzer gewesen sein, zurückzutreten. Infodirektor Elmar Oberhauser soll Moderatoren mit Migrationshintergrund abgelehnt haben, obwohl diese wie Gülgün-Mayr für die Sendung gecastet wurden. Und: Die Redaktionsleitung habe Gülgün-Mayr zudem für gut befunden.

Auch TV-Chefredakteur Karl Amon unterstützt Gallmetzers Wunsch. Er hatte ihn schließlich auch gebeten, nach geeigneten Kandidaten zu suchen. Für Amon sei daher die Sache auch noch nicht entschieden. Derzeit befinde man sich in einer Umorganisation. Die Debatte wird mit dem nächsten Chef fortgesetzt. Amon selbst habe einige Kandidaten im Auge.

Wetteransagerin bei Wien heute

Dass schon bald eine Moderatorin mit Migrationshintergrund für die Sendung „Wien heute“ das Wetter ankündigen wird, ist dagegen bereits entschiedene Sache – sie wird in den nächsten Monaten erstmalig eingesetzt. Dabei werden aber auch kritische Stimmen laut, es handle sich hier um eine „Schaufensterpuppe, denn bei inhaltlichen Diskussionen werden Migranten abgelehnt“.

Für Hausjell ist sowohl offenkundig, dass einzelne Sendungsverantwortliche Initiativen setzen, als auch, dass andere bremsen, „auch wenn der Herr Oberhauser dementiert, dass er eingegriffen hätte“. In diesem Zusammenhang brauche der ORF ein Leitbild, so der Wissenschaftler.

Deutschland hat sich unter der rot-grünen Regierung 1998 erstmals als Einwanderungsgesellschaft definiert. Deutsche Wissenschaftler führen den Wandel in der Medienintegrationspolitik auch darauf zurück. Öffentlich-rechtliche Sender haben einen offiziellen Auftrag, vermehrt Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen. Ein schwieriges Unterfangen für den ORF. Hier, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, komme es immer noch vor allem auf Seilschaften an.

Kein Einwanderungsland

Dass Österreich sich nach wie vor nicht als Einwanderungsgesellschaft begreift, ist für Hausjell der stärkste Grund, warum Migranten in den Medien nach wie vor stark unterrepräsentiert sind.

Für den 37-jährigen Patrick Bongola ist es unklar, warum immer wieder vergessen wird, dass Personen mit Migrationshintergrund „auch ein Teil von Österreich und echte Österreicher sind“. Und warum Migranten Österreich nicht mit ihren Worten erklären dürfen, bleibt für ihn ebenfalls ein Fragezeichen. Er verließ den ORF freiwillig. Seine Kollegen organisierten einen Abschiedsumtrunk, bei dem jeder dabei war und sich für die Zusammenarbeit bedankte.

Für Bongola ein Beweis, dass die Vorwürfe seiner ehemaligen Chefin nur ein Vorwand waren, um ihn loszuwerden. Für ihn keine schlechte Entscheidung, denn er traf daraufhin zufällig Roland Düringer auf der Straße, der ihn prompt für seine Serie „Die wilden Gärtner“ engagierte, die ab kommenden März ausgestrahlt wird. Und so landet er am Ende doch wieder beim ORF.

(NASILA BERANGY“Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.09.2009)


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