Privatsender: Pioniere mit Aufholbedarf

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14.04.2010 | 19:31 | Milena Borovska

Puls4 hat mehrere Moderatoren mit Migrationshintergrund und ATV keine.

Im Leitmedium Fernsehen sind Migranten unterrepräsentiert. Vor allem, wenn es um den Job des Fernsehmoderators als kollektiver Vertrauensperson geht, die uns täglich „das Leben“ erklärt, können Migranten schwer punkten. Das ist nicht nur beim öffentlich-rechtlichen ORF so, auch bei den Privatsendern gibt es hier noch Aufholbedarf.

Eine gewisse integrative Leistung der Privaten sieht Publizistik-Professor Fritz Hausjell schon, „aber sie ist, so wie ich das für die österreichischen Privatsender sehe, nicht deutlich erkennbar, als Programm, als Zielsetzung, als selbst formulierter Auftrag“.

Bei ATV verweist man auf den Gleichheitsgrundsatz – und natürlich würde man Migranten beschäftigen. Doch bringt Erich Gimpl, Leiter der Administration bei ATV, zwei Punkte ins Spiel, die den Einstieg für Migranten erschweren: der Begriff des „Look & Feel“ und die Sprache. Die muss den lokalen Fernsehgewohnheiten entsprechen – „auch ein deutscher Akzent wäre ein Problem“. An vorderster Front, nämlich als Moderator, beschäftigt ATV derzeit keine Personen mit Migrationshintergrund.

Bei Puls4 arbeiten dagegen gleich mehrere Moderatoren mit Migrationshintergrund. Doris Golpashin, die für „Pink!“ vor der Kamera steht, hat persische Wurzeln. Amira Awad, die die „AustriaNews“ moderiert, hat ägyptische, Bianca Schwarzjirg („Café Puls“) kroatische Wurzeln, und Carsten-Pieter Zimmermann („AustriaNews“) führt Niederländisch als seine zweite Muttersprache an.

Alltagsleben von Migranten

Besetzen Moderatoren wie die oben genannten eine integrationspolitische Pionierrolle? „Eine Vorbildleistung sehe ich eigentlich nicht auf diverseste Kulturen oder auf verschiedenste Länder bezogen“, sagt Golpashin, „sondern einfach grundsätzlich auf einen jungen Menschen.“ Sie will sich jedenfalls nicht auf ihre Wurzeln reduzieren lassen.

Abgesehen von einzelnen Personen, die vor der Kamera stehen und auf dem kleinen österreichischen Markt sofort Aufmerksamkeit erregen, gibt es aber noch weit mehr zu tun. Wichtig wäre unter anderem, Themen des Alltagslebens so darzustellen, dass auch ein angemessener Migrantenanteil dabei vorkommt. „Es ist kein Widerspruch, Formate für die Mehrheiten zu gestalten, in denen Minderheiten vorkommen, die nicht auf negative Stereotypen reduziert werden“, sagt Hausjell.

Ein Argument, das – meist unter der Hand – immer wieder genannt wird, um zu erklären, warum Migranten in den Medien noch kaum an sichtbarer Stelle zu finden sind, ist die Furcht vor Verlusten von Teilen des Mehrheitspublikums. Doch zu Unrecht, wie Experten meinen. „Gerade unter den jungen Menschen“, sagt Publizistik-Professor Hausjell, „gibt es mehr Offenheit und Interesse – auch am ,Fremden‘.“

(MILENA BOROVSKA, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.04.2010)


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