Das Geschichtsbild der Maria Fekter

KURZ:
  • Die gestrige Aussage von Finanzministerin Fekter (ÖVP) im Rahmen des Ecofin-Treffens in Wroclaw sorgte für eine Welle der Empörung.  Sie verglich die aktuelle Bankenkritik mit der Judenverfolgung.
  • ZIB 2 Video Mitschnitt 

17.09.2011 | 16:48 | Susanne Scholl

GASTKOMMENTAR. Wie die ÖVP allen beweist, dass man aus der Geschichte auch nichts lernen kann.

Am Anfang stand ein landesweit ausgestrahltes Interview der Finanzministerin: „Außerdem bauen wir gerade enorme Feindbilder in Europa gegen die Banken und die Reichen, die Vermögenden auf. So was hatten wir schon einmal, damals verbrämt gegen die Juden, aber damals waren ähnliche Gruppierungen gemeint.“

Dem folgte ein Aufschrei. Nein, nicht aus Regierungskreisen oder gar von ihren Parteikollegen. Von Caritas-Präsident Landau, von SOS-Mitmensch, dann von den Grünen. Nachdem auch viele Private protestiert hatten reagierte sogar der Bundeskanzler und mahnte zu mehr Sorgfalt in der Wortwahl.

Und dann reagierte die ÖVP: Finanzministerin Maria Fekter lässt keinen Zweifel aufkommen: Der Nationalsozialismus mit all seinen Gräueltaten und natürlich besonders mit dem Holocaust ist mit nichts anderem vergleichbar. Fekter hat nie einen Vergleich mit dieser Zeit angestellt – oder dies auch nur beabsichtigt. Sie hat sich aber bei ihrer Kritik der heutigen gesellschaftlichen Hetze gegen gewisse Gruppen in der Bevölkerung auf die Zeit der Entstehung des Antisemitismus im 19. Jahrhundert bezogen. Fekter: „Ich lehne Feindbilder bezüglich einzelner Bevölkerungsgruppen vehement ab.“

Ein Schelm, der hier  Böses denkt. Frau Fekter hat – egal, was sie jetzt behauptet – eines der bösartigsten und am weitesten verbreitetes antisemitisches Stereotyp verwendet. Den Spruch von den reichen Juden nämlich, die nicht etwas wegen ihrer Religionszugehörigkeit, sondern wegen ihres Reichtums eben verfolgt worden seien.

Meine Großeltern mütterlicherseits sind von den Nazis zuerst nach Minsk deportiert und dort ermordet worden. Mein Großvater war Eisenbahner, meine Großmutter Hausfrau. Sie hatten vier Töchter. Das Geld reichte nie, sie lebten zusammengedrängt in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung. Reichtümer besaßen sie keine, trotzdem hat man sie ermordet. Wenn man Regierungsmitglied ist und von sich behauptet christlich-sozial eingestellt zu sein kann man derlei Vergleiche unmöglich ziehen. Frau Fekter rechtfertigt sich auf der ÖVP-Hompage weiters damit, sie habe besonders viel Geld für Gedenkstätten zur Verfügung gestellt und dies beweise also, dass sie gar nicht antisemitisch denken könne. Es gibt – unter Menschen, die sich als zum Judentum zugehörig betrachten – einen zu dieser Aussage Frau Fekters passenden Spruch: Wenn man jemanden als besonders perfide antisemitisch erlebt legt man ihm oft die Worte „einige meiner besten Freunde sind doch Juden“ in den Mund. Soll heißen – man kann doch kein Antisemit sein, wenn man sogar Juden zu seinen besten Freunden zählt. Frau Fekter kann also keine Antisemitin sein, weil sie Geld für Gedenkstätten zur Verfügung gestellt hat.

Frau Fekter ist allerdings eine Wiederholungstäterin. Ich erinnere nur an die herabwürdigende Äußerung zu Arigona Zogajs „Rehleinaugen“, an den Spruch vom „Asylshopping“, an die ständig wiederholten Behauptungen vom Asylmissbrauch und Sozialschmarotzertum als sie noch Innenministerin war. In jener Zeit hat sie das Geld für die Gedenkstätten zur Verfügung gestellt. „Einige meiner besten Freunde….“

Frau Fekter hat es noch nicht einmal für nötig befunden sich zu entschuldigen. In Deutschland mussten Politiker schon wegen wesentlich harmloserer Äußerungen zurücktreten. Frau Fekter aber besteht darauf, ganz zu Unrecht angegriffen zu werden. Als Wolfgang Schüssel – der Kanzler der schwarz-blauen Korruptionsregierung – sein Nationalratsmandat zurücklegte erklärte sein langjähriger Freund und Gefährte Andreas Khol, dies sei ihm so besonders hoch anzurechnen, weil es in Österreich doch keine Rücktrittskultur gebe. Herr Khol sollte dies wohl lieber jetzt gegenüber seiner Parteifreundin Fekter erklären. Ein Mensch mit einem derartigen Geschichtsbild kann in einer österreichischen Regierung kein Amt einnehmen. Frau Fekter muss zurücktreten. Und sich aus der Politik verabschieden. Je früher um so besser. Für die Regierung und für Österreich.

ZUR PERSON: 

Dr. Susanne Scholl, 1949 in Wien geboren – in einer jüdischen Familie. Studium der Slawistik in Rom und Leningrad. Langjährige ORF-Korrespondentin in Moskau. Mehrere Sachbücher, Romane und Lyrik-Bände. Seit 2009 freie Journalistin und Autorin in Wien.


ein Kommentar

  • Christian Horner

    Genau darum geht es! Weiterer Subtext Fekters: Jeder der Ungleichheit und Steuerprivilegien kritisiert, ist ein Hetzer... Ich schäme mich, dass so jemand einer österreichischen Bundesregierung angehört! Geschrieben um 17. September 2011 um 18:42 Uhr Antworten

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