Rassismus überwinden: Das N-Wort muss raus aus Kinderbüchern

Zur Person:
  • Thomas Usleber, geboren 1960 in der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Idar-Oberstein als Sohn einer ungarndeutscher Mutter und eines afroamerikanischen Soldaten. Realschule, Gymnasium und Ausbildung zum Verwaltungsangestellten in Idar-Oberstein. Lebt mit seiner Familie seit 1987 in Dietzenbach. 1990-1993 Ausbildung zum Beamten in Frankfurt am Main. Seit 1994 Beamter der Stadt Frankfurt am Main. Der Autor hat 2007 ein prägnantes autobiographisches Buch publiziert.

28.01.2013 | 15:21 | Thomas Usleber

Rassistische Wörter  sollen überhaupt nirgendwo jemals mehr wieder genannt werden. Sie müssen aus dem Wortschatz von Büchern, Filmen und allen anderen Medien verschwinden. 

GASTKOMMENTAR. In den letzten Tagen tauchte das N-Wort weitaus häufiger in der Presse auf als zu jeder anderen Zeit an die ich mich erinnere. Warum? Weil es politisch nicht korrekt ist. Weil es „deplatziert, hässlich und tot“ ist (Spiegel Online, 18.01.2013). Dass das N-Wort nun endlich aus einigen Kinderbüchern gestrichen wird, haben die Journalisten zum Anlass genommen, es noch einmal so häufig wie möglich zu gebrauchen: „Der N. ist tot – Es lebe der N.“ Sie haben es anscheinend noch immer nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen: Dieser Ausdruck ist rassistisch!

Beim N-Wort geht nicht nur darum, ob es „politisch korrekt“ ist oder nicht, es geht um einiges mehr. Aus politischer Korrektheit werden mitunter Wörter, die als diskriminierend – besonders Ethnien betreffend – erkannt wurden, aus einem verwendbaren Wortschatz gestrichen. Das ist auch gut so. Rassismus aber ist viel weitgehender als Diskriminierung und auch viel tiefgehender. Ich schreibe das, obwohl mir natürlich bewusst ist, dass diese beiden Ausdrücke bei vielen Menschen fast synonym verwendet werden.

Rassismus ist eine innewohnende Gesinnung, Denkart, ja Lebensweise vieler Menschen, die sehr oft sogar von diesen selbst nicht einmal wahrgenommen oder eingestanden wird. Eine Person, die sich rassistisch verhält, muss sich deshalb nicht unbedingt auch diskriminierend verhalten. Sie kann sich sogar theoretisch gegen Diskriminierungen engagieren. Sie kann im Extremfall sogar Menschen einer anderen Ethnie mögen oder lieben.

Rassismus zeigt sich heutzutage immer weniger offen, ist seltener nachzuweisen, versteckt sich hinter blendenden, manchmal sogar gutmeinenden Formulierungen, hinter einem falschen Lächeln und fadenscheinigen Ausreden. Rassismus muss deshalb subtiler bekämpft werden als Diskriminierungen. Gesetze oder Verordnungen – die im Kampf gegen Diskriminierung wichtig sind! – helfen weniger. Um Rassismus zu bekämpfen, muss man das Denken der Menschen selbst ändern, noch schlimmer: die unbewussten Vorstellungen.

Darstellung schwarzer Menschen 

Woher kommen diese unbewussten Vorstellungen? Sie erwachsen aus dem, wie Menschen ihre Umwelt nach und nach kennenlernen: In welchen Positionen sehen sie dunkelhäutige und hellhäutige Menschen? Wie werden diese behandelt? Welche Sprache benutzt man, um sie zu beschreiben? Wie werden sie in den Büchern, in den Filmen und in Bildern dargestellt?

Seit meiner Kindheit sehe ich z.B. überall schwarze Kinder auf Plakaten, in Zeitschriften, im Fernsehen, wenn es um Spendenaufrufe geht. Hunger wird – fast schon sprichwörtlich in Deutschland – mit Afrika gleichgesetzt. Schwarze Menschen werden als hilfsbedürftig, als arm, als unterentwickelt gezeigt. Immer und immer wieder. Es wundert mich nicht mehr, dass ich überall entsprechend behandelt werde. Seit meiner Kindheit werden dunkelhäutige Menschen als Diener, als minderwertig gezeigt, in Filmen, in Büchern, ja selbst im öffentlichen Dienst haben sie selten höhere Positionen. Werden Dokumentationen über Afrika gezeigt, sind es hellhäutige Menschen, die die Tier- und Pflanzenwelt erkunden und in weißen Kitteln die Ergebnisse präsentieren. Die Dunkelhäutigen sieht man im Hintergrund als Träger. Es wundert mich nicht mehr, dass ich als Beamter in einem anderen Amt als „Bote“ begrüßt werde.

Meine Tochter lernt heutzutage noch in der Schule, dass „Indianer“ in Zelten und „Afrikaner“ in Hütten leben. Als wir mit ihr das erste Mal in den USA waren, fragte sie mich nach einigen Tagen, warum wir keine Indianer sähen, obwohl wir sogar schon mit etlichen Natives gesprochen hatten.

Ethnisch falsche, menschlich kategorisierende und moralisch verwerfliche Bezeichnungen werden in Deutschland seit Jahrzehnten verwendet, ohne dass sich lange Zeit überhaupt jemand darüber Gedanken gemacht hat. Wir dunkelhäutigen Menschen wurden in unserer Kindheit damit bis in die Seele bloßgestellt, gedemütigt und beleidigt. Das ist keine Diskriminierung. Das ist keine politische Unkorrektheit. Es ist fast schon Hohn, dies überhaupt so zu nennen. Das ist Rassismus.

All diese Wörter – ich will sie hier aus gutem Grund nicht mehr nennen, sie sollen überhaupt nirgendwo jemals mehr wieder genannt werden – müssen aus dem Wortschatz von Büchern, Filmen und allen anderen Medien verschwinden. Erst dann können unsere Kinder ohne sie aufwachsen und können den Rassismus überwinden.

 


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