Die Globalisten und die Flüchtlinge

30.01.2013 | 10:20 | Kerstin Kellermann

Sehr kurz war der Weg der FPÖ-Politiker, vom Vorwurf des „Wasser lassens in der Kirche“ gegen die Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche bis zum Angriff auf Kardinal Schönborn.

GASTKOMMENTAR. Auch wenn sich nun Erleichterung verbreitete, da die Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche den Hungerstreik aussetzten, sollte man sich doch noch mit der wahrscheinlichen Herkunft der Polizei-Anzeige der Wiener FPÖ wegen „Besudelungen einer Kirche“ genauer auseinandersetzen. Orginal und Hintergrund der FPÖ-Anzeige scheint die Reportage mit dem Titel „Lokalaugenschein: Urinieren Besetzer in die Votivkirche?“ zu sein, der sich auf einer Homepage ohne Impressum findet. Der Standard Etat berichtete auch darüber. Kardinal Schönborn hätte kein Kirchenasyl geben, sondern „die muslimischen Kirchenbesetzer zu einem gemeinsamen Gebet aufrufen sollen, was dem verpflichtenden Missionsauftrag der Christen entsprochen hätte“, ist ebenfalls auf dieser Homepage zu lesen.

Es finden sich Zitate und ideologische Gedankengebäude, die man dem Betreiber so nicht durchgehen lassen darf. Ein Beispiel im Zusammenhang mit der Forderung nach Kasernierung von Asylwerbern: „Ebenso ist ein Asylantrag aufgrund kulturspezifischer sozialer Deformationserscheinungen, wie Stammesfehden, ethnischen Auseinandersetzungen, religiösen Auseinandersetzung u.ä. auszuschließen“. Klingt das nicht nach rassisch „reinem Volk“, nach „Rassentrennung“? Und siehe, an anderer Stelle: „Die Globalisten betreiben hochaktiv die intensive Bevölkerungsmischung bzw. Entvolkung“. Bei der Aufzählung der „Globalisten“ steht der World Jewish Congress dabei und als Kritikpunkt u.a. eine „Tabuisierung/Sakralisierung des Holocaust“. Die Vorschläge der Homepage-Ichperson ohne Namen dienten „der Verteidigung der legitimen Interessen der autochthonen österreichischen Bevölkerung auf Erhaltung der erfolgreichen bestehenden Kultur- und Gesellschaftsordnung und Erhalt des Traditionskapitals“. Politiker Strache meinte übrigens, nicht etwa die angeklagten Telekom-Zahlungen zur Förderung von Gesetzes-Änderungen, sondern die Unterstützung der Flüchtlinge seien ein „Angriff auf die Grundsäulen unseres westlichen demokratischen Staates“.

Heiliger Zorn

Strache verlangte auch, dass Kardinal Schönborn eher „uns, die Gemeinde“, schützen solle,  als die „Asylbetrüger“ und den „Asylmissbrauch“. Im Falle der Votivkirche beschützen Caritas und Johanniter 45 hungerstreikende Flüchtlinge, die genau vor sie persönlich verfolgenden Tätern geflüchtet sind, und zwar vor solchen, die zur Machtausübung nicht nur auf Missbrauch zurückgreifen, sondern noch schrecklicher, auf die Lust zu töten und die Kinder zu Killern ausbilden bzw. selber Waisenkinder waren. Dass die Flüchtlinge, die Asyl vor gefährlichen Verfolgern wie pakistanischen Taliban-Gruppierungen wollen, nun als „Prügel“ gegen die Kirche verwendet werden, ist doppelt gemein. Es war nur ein sehr kurzer Weg vom Vorwurf der „urinbedingten Besudelungen“ und der „Schändung“ der Kirche bis zum Angriff auf Kardinal Schönborn voll heiligem Zorn. Würde die FPÖ die Gewalt gegen kleine oder inzwischen erwachsene Kinder ernsthaft angreifen und verhindern wollen, wie sie es gegenüber österreichischen Missbrauchs-Opfern behauptet (und manchmal auch tut), müsste sie sich mit diesen geschwächten Verfolgten in der Kirche solidarisieren, statt laut „abschieben, einsperren, zwangsernähren“ zu brüllen.

Wenn FPÖ-Politiker aber weiterhin so einen starken Druck ausüben (und z.B. am Holocaust Memorial Day groß im Fernsehen auftreten dürfen), wird man nie genauer schauen und beim Flüchtlings-Thema endlich mehr in die Tiefe gehen können (es flüchten ja z.B. auch Gefängniswärter, wenn ein neues Regime die Macht ergreift). Und die Verkürzung der Asylverfahren, auf die sich seltsamerweise alle einigen können, führte bereits dazu, dass ein Instanzenzug, der immerhin ein Drittel der Urteile aufhob, abgeschafft wurde und der Asylgerichtshof die Flüchtlinge nicht mehr persönlich anhört. Bei jedem Auto-Strafzettel darf man persönlich vorsprechen – bei so wichtigen, differenzierten Entscheidungen wie über die Gewährung von Asyl allerdings nicht mehr.


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