Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und sonstige Spinnereien

11.09.2011 | 20:42 | Amin Elfeshawi

Seit 9/11 sind Muslime zum neuen Feindbild mutiert. In Österreich wurde Rassismus mit der schwarz-blauen Regierung salonfähig. Bei allen Religionsgemeinden, insbesondere der jüdischen, hätten die Alarmglocken läuten müssen.

Anders Behring Breivik – ein Norweger, der sich selbst als „national, „christlich“ und „konservativ“ beschreibt. Sein Feindbild lässt sich leicht erklären. Es sind „Kulturbolschewisten“, der Islam an sich und die dazugehörigen Muslime. So tief der Schock auch gesessen hat und so verabscheuenswürdig die Tat auch ist, muss gesagt werden, dass dieser Terrorakt kein überraschender war.

Quer durch Europa ist eine Islamfeindlichkeit zu verzeichnen, die ein Ausmaß erreicht hat, welches an jenen Antisemitismus erinnert, der in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland gewütet hat. In Bulgarien wird eine Moschee von einem Neo-Nazi-Mob angegriffen, in Holland gegen den Willen von Juden und Muslime ein Schächtverbot erlassen, in Ungarn marschieren faschistische Militante auf, die sich unter anderem gegen Roma und Sinti-Minderheiten formieren und im politischen Alltag gehören Parolen gegen Minoritäten und Religionsangehörige zur Normalität.

Neuer Feind – altes Muster

Die Wenigsten wollen einsehen, dass all diese Gegebenheiten und Vorfälle Spiegelungen aus der Geschichte Nazi-Deutschlands sind. Ganz im Gegenteil – sie werden damit legitimiert, dass sich Europa vor einem „Islamismus“ fürchte und dies eben in die „Islamophobie“ führen würde.

Auch wenn die europäische gesellschaftliche Struktur insofern an Komplexität dazu gewonnen hat, dass Parallelgesellschaften ersichtlicher geworden sind als zuvor (und an dieser Stelle der Hinweis, dass eine Parallelgesellschaft bereits seit Jahrzehnten in Europa vorhanden ist, auch wenn diese nur nicht so sehr thematisiert wurde wie heute), sind die Parallelen zu den geschichtlichen Ereignissen des Beginns des vorhergegangenen Jahrhunderts nahezu äquivalent, wenn auch mit ein paar „Schönheitsfehlern“.

Wir befinden uns inmitten einer Wirtschaftskrise, die wahrscheinlich um einiges länger anhalten wird, als der New Yorker Börsenkrach von 1929 und seine Auswirkungen. Die soziale Unzufriedenheit und Unsicherheit ist eine logische Konsequenz daraus. Dienten damals die Juden als Sandsack auf die man eingedroschen, indem man sie für alles Schlimme und Böse verantwortlich gemacht hat, so sind es heutzutage die Muslime. Die „Integrationsdebatte“ wird zu einer Assimilierungsdebatte umgemünzt und im Namen der „Demokratie“ und „Freiheit“ erlaubt man sich „klare Verhältnisse“ zu schaffen, indem man eine Leitkultur vorgibt, der man sich als Migrant zu unterwerfen hat.

Rassimus wurde salonfähig

All diese schauderhaften Realitäten kommen nicht von ungefähr. Vergleicht man den Grad des Rassismus beispielsweise in Österreich zwischen den 90ern und dem von heute, lässt sich ganz klar feststellen, dass die Hemmschwelle zweifellos gefallen ist, nicht zuletzt seit der Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Haider-Partei. Rassismus ist salonfähiger geworden und hierbei spielt eine Kette von Tatsachen eine erhebliche Rolle.

War es im vorherigen Jahrzehnt noch so, dass man sich mit breiter Zustimmung der gesellschaftlichen Mehrheit zu Recht aus der Öffentlichkeit zurückziehen musste, oder zumindest mundtot gemacht wurde, wenn man sich auch nur in die Nähe des Antisemitismus gewagte, scheint dieses Tabu mittlerweile gebrochen zu sein.

Keine Alarmglocken nach 9/11

Der Grund, weshalb das passieren konnte, mag für einige Menschen unverständlich sein, liegt aber auf der Hand. Nach dem 11. September trieb man sowohl politisch als auch medial einen Hype an, der einen neuen Feind definierte, wie es ihn nur zur Sowjet-Zeiten gab, nämlich den Islam. „Der Islamismus“ war sowohl der innere als auch äußere Feind. Eine Folgeerscheinung davon war, dass man im Zuge dieser „Diskussion“ – von der man Muslime über einen sehr langen Zeitraum weitgehend ausgeschlossen hat – weniger zimperlich über die europäischen Muslime debattierte. Als hierbei die angewendete Sprache gegen Muslime vulgär und furios wurde, hätte eigentlich bei allen Religionsgemeinden in Europa, insbesondere der jüdischen,  die Alarmglocken läuten müssen. Man reagierte aber kaum bis halbherzig. Henryk Broder,  der selbst einen jüdischen Hintergrund hat, tat sogar das Gegenteil und setzte dem Ganzen noch eines drauf, indem er selbst sich einer Rhetorik bediente, die großteils sehr an einer Hetze kratzt. An dieser Stelle sei vermerkt, dass Breivik Broder öfters in seinem „Manifest“ zitierte.

Applaus für Islamhetze in Synagogen

So manch einem Anti-Deutschen müsste nach dem terroristischen Anschlag in Norwegen ein Licht aufgegangen sein. Nämlich, dass wenn man eine Form von Rassismus wie der der Islamophobie oder Islamfeindlichkeit zulässt, die Hemmung verfliegt sich genauso anderer Rassismen zu bedienen, siehe Holland. Wurde Geert Wilders in den Vereinigten Staaten mit lautem Applaus in Synagogen willkommen geheißen, um dort seine Hasspredigten gegen den Islam zu halten und um von seinem Israel-Enthusiasmus zu schwärmen, so zeigt er den Juden und den Anti-Deutschen nunmehr sein wahres Gesicht durch das rassistische Schächtverbot, das durch ihn erlassen wurde. Es sollte eben allen klar sein, dass es keinen „guten“ oder „schlechten“, beziehungsweise „nützlichen“ oder „unnützen“ Rassismus gibt. Rassismus ist ein Übel, dass keine Kompromisse und daher auch keine Freunde kennt. Wer sich mit ihm einlässt, hat die Konsequenzen mitzuverantworten.

 


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