Blackface in Österreich: Wer hat Angst vor selbstbewussten Schwarzen?

20.03.2014 | 11:52 | simon INOU

In den letzten Wochen wird über das Phänomen des Blackface im deutschsprachigen Theater diskutiert. Vor zwei Wochen protestierten zwanzig EU Organisationen gegen die Inszenierung des Stückes von Johan Simons  „Die N*“ bei den Wiener Festwochen 2014. Vor einer Woche erschien in der Wiener Zeitung eine Warnung der österreichischen IG Autoren gegen die von ihnen bezeichnete „politische Korrektheit“. Ohne sich mit den Forderungen der Betroffenen zu befassen, kanzeln sie die  Aktion als hysterische Aufregung ab. So etwas respektloses von einer Organisation, in der respektvolle SchriftstellerInnen sitzen, habe ich in Österreich noch nie erlebt und man wundert sich, ob diese SchriftstellerInnen tatsächlich einer Meinung mit dem Geschäftsführer Gerhard Ruiss sind.

Sei’s drum, ehrlich betrachtet bin ich trotzdem nicht sehr überrascht. Aus einem Grund: Generationen von ÖsterreicherInnen – darunter auch mehrere SchriftstellerInnen – sind mit Schulbüchern sozialisiert worden, die das N* Wort transportiert und die Realitäten der Schwarzen nur aus einer Opfer Perspektive verbreitet haben. Lange Zeit war dies auch unwidersprochen, doch seit dem Tod von Omofuma ist die österreichische Gesellschaft mit Schwarzen konfrontiert, die sich selbstbewusst artikulieren und sich nicht mehr als Opfer wahrnehmen.

Um es noch einmal klar zu stellen: Es geht nicht um die Absetzung des Stückes (wie im Text von den IG Autoren behauptet wird). Es geht um die Ablehnung einer respektlosen Inszenierung eines Stückes, dessen Inhalt durch die Besetzung ausgehöhlt und umgedreht wird. Warum bin ich für eine respektvolle Inszenierung und Besetzung dieses Stücks? Hier meine fünf Argumente.

1. Das Argument des respektvollen Umgangs mit dem Willen des Verstorbenen: In einer Gesellschaft, in der das Wort nicht mehr gilt, sollte man sich nicht mehr wundern, wenn Schriften auf Papier ihren Wert verlieren. Kommen wir auf den Entstehungskontext zurück: der französische Autor Jean Genet schrieb das Stück im Jahre 1958. Jean Genet beharrte bis zu seinem Tod im Jahre 1986 darauf, dass dieses Stück von einem Weißen für ein weißes Publikum geschrieben worden ist. Wichtig für ihn war, dass NUR Schwarze Schwarze spielen dürfen. Warum? Er erhoffte sich einen radikalen Umsturz, eine Umkehr des bis dato hegemonial-weiß-geführten Diskurses und Schauspiels. Genet schrieb:  „Dieses Stück, ich wiederhole es, ist von einem Weißen für ein weißes Publikum geschrieben. Aber wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass es vor einem Schwarzen Publikum gespielt wird, müsste man für jede Vorstellung einen Weißen einladen – ganz gleich ob männlich oder weiblich. Der Veranstalter des Theaters wird ihn feierlich begrüßen, ihn in ein zeremonielles Gewand kleiden und ihn zu seinem Platz geleiten, am besten in der ersten Orchester-Reihe Mitte. Es wird für ihn gespielt. Dieser symbolische Weiße sollte während des gesamten Abends von einem Scheinwerfer angestrahlt sein. Und wenn kein Weißer zu dieser Vorstellung bereit ist? Dann soll man an das Schwarze Publikum beim Betreten des Saales Masken von Weißen verteilen, und wenn die Schwarzen sich diesen Masken verweigern, benutze man eine Puppe.“ – Übrigen Jean Genet war nicht der erste Künstler, der sich so etwas erlaubte. Die Oper Porgy & Bess von George Gershwin wurde auch für schwarze Hauptdarsteller geschrieben.

2. Das Argument der Selbstdarstellung vs. Fremddarstellung: Offensichtlich dürfen Schwarze im deutschsprachigen Raum nicht einmal in einem Stück, als dessen HauptakteurInnen sie vorgesehen sind, spielen. Ein Zeichen der hegemonialen Macht und der Wahrnehmung der Stellung dieser Menschen innerhalb dieser Gesellschaft. Wissen Sie welche Rolle Schwarze im deutschsprachigen Film & Theater spielen? Immer die Rollen des Unterworfenen. Die Rollen die Schwarze Menschen im deutschsprachigen Film und Theater spielen, haben selten etwas mit empowernder Schwarzer Selbstrepräsentation zu tun. Meist geht es darum, Unterworfene, DienerInnen oder Opfer darzustellen.

3. Das Argument der Inklusion und der Repräsentation der Betroffenen und Beteiligten: Blackface zeigt eine beschränkte Wahrnehmung der Fähigkeiten von Schwarzen im Theaterbereich etwas zu gestalten. Immer wieder kämpfen Schwarze SchauspielerInnen gegen klischeehafte Rollen, die Ihnen angeboten werden. Die Frage ist, ob ZuschauerInnen nicht auch ein Weißer Othello zugemutet werden kannKönnen weiße ZuseherInnen nur dann dem Stück sonst folgen, wenn ein weißer Schauspieler sich anmalt? Wenn man schon keine schwarzen Schauspieler findet, bleibt die frage, ob weiße Zuseherinnen das Stück mit einem weißen, nicht bemalten Schauspieler nicht verstehen?  Stattdessen sind wir im Jahre 2014 noch dabei, darüber nachzudenken, ob Schwarze SchauspielerInnen, die hier zur Welt gekommen sind, deren Muttersprache Deutsch ist und die hier zur Schauspielschule gegangen sind, überhaupt Deutsch reden können …

4. Das Argument des respektvollen Umgangs mit Schwarzen Deutschen und mit Schwarzen ÖsterreicherInnen: In den letzten Jahren gibt es, wenn es dazu kommt, dass Schwarze sich selbst repräsentieren, immer einen Kampf. Kampf um Selbstbenennungen, Kampf gegen Alltagsdiskriminierungen, ja Kampf um das Überleben. Dass dies im Alltag Stresssituationen erzeugt, die das Leben von Menschen ernsthaft erschweren und sogar bedrohen, wird von der IG Autoren als Hysterie und Aufregung abgetan. Hier gibt sich jemand nicht einmal ansatzweise die Mühe, etwas zu verstehen. Respekt beginnt mit der Sprache. Ich würde ÖsterreicherInnen nie als Punschkrapfen bezeichnen – außen Rosa, Innen braun, wie der braune Sumpf im Land ….

5. Das Argument der gesellschaftlichen Verantwortung der Wiener Festwochen: Die Wiener Festwochen sind eine respektable Kulturinstitution mit der ich auch im Rahmen von Projekten gearbeitet habe. Allerdings machen manche Produktionen, und die Art und Weise wie diese PR-mässig positioniert werden, Kopfschütteln. Bis dato hat sich die Wiener Kulturinstitution nicht zu Blackface geäußert. Sie hat sich bis heute hinter dem Regisseur versteckt. Was ich nicht für besonders mutig halte. Hat so eine namhafte Institution keine gesellschaftliche Positionierung gegen Rassismus? Oder ist ihr und ihrem Leitungsteam die Unterdrückung von Schwarzen eigentlich egal? Wo ist die gesellschaftliche Verantwortung dieser Kulturinstitution? So ein Verhalten ist nicht nur respektlos, sondern auch hochmütig und einer gründlichen Auseinandersetzung abträglich.

In der letzten Zeit wurde die Diskriminierung von Schwarzen Menschen in verschiedenen Zusammenhängen erneut oftmals thematisiert. Insgesamt zeigt sich eines: Die Art und Weise wie Generationen von Menschen in Österreich in Bezug auf Afrika, AfrikanerInnen und Schwarze Menschen der Diaspora sozialisiert worden sind – Schulbücher und Schulmaterialen tun dazu ihr übriges – ist noch immer voller rassistischer Klischees. Diese müssen weiterhin bekämpf werden. Ich leiste meinen Beitrag genauso wie viele ÖsterreicherInnen, die diesen Kampf unterstützen. Alles was gefordert wird, ist das Recht auf eine respektvolle Darstellung und Selbstdarstellung. Diesen Kampf werden wir führen müssen, wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der Respekt obersten Stellenwert hat. Und wenn wir morgen nicht mehr hier sind, wird die nachfolgende Generation weitermachen. Wir haben vielleicht nicht dieselbe Vergangenheit, aber bestimmt dieselbe Zukunft.


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