Plädoyer für ein Kinderverbot im „Heeresgeschichtlichen Museum“

23.01.2015 | 11:17 | Kerstin Kellermann

Die verschiedenen Strategien das Thema Krieg zu vermeiden, führen u. a. auch dazu, dass in Österreich geborene Jugendliche in den Krieg ziehen. Plädoyer für ein Kinderverbot im „Heeresgeschichtlichen Museum“ (HGM) und die Errichtung eines Anti-Kriegs Museums.

Rekrutierungshüte mit Assentierungssträußchen, darunter steht „Heil ins Feld zum ersten Male“. Repetierpistolen, Luftminenwerfer, Festungshaubitzen. Die unkommentierte Ausstellung von Waffen und eine Romantisierungs von Tötungs-Instrumenten ist in Österreich eine Form, Kriege zu behandeln – in diesem Fall den Ersten Weltkrieg im Heeresgeschichtlichen Museum. Während gleichzeitig in der Realität in Österreich geborene Jugendliche in den Krieg nach Syrien ziehen wollen!

 

Ich werde das Bild nie vergessen, wie ein 12-jähriger Flüchtlingsjunge aus Afghanistan im Wiener HGM plötzlich sein T-Shirt auszog, zwischen Säbeln und Hellbarden sein Bruce Lee Kampf-Shirt überzog, sich ein schwarzes Tuch um die Stirn band. Diese Kleidung schien ihm dem Kriegsmuseum angemessen. Diese beiden Welten passen einfach nicht zusammen: auf der einen Seite ein Land, in dem der Krieg als etwas Vergangenes abgetan wird und das völlig ignoriert, dass die Generationenfolge ja weiter lief, die Kinder und Kindeskinder der im Nationalsozialismus Ermordeten leben.

Auf der anderen Seite die Jugendlichen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, oder die Kinder von aus Bosnien oder Tschetschenien Geflüchteten, vor denen so getan wird, als sei Krieg und Flucht etwas total Fremdes für uns. Der Krieg – der alte Fremde. Als ob „der Krieg“ über alle Blockaden hinweg, mit viel Leichen unterwegs, bei uns herein stürmen würde. Als ob er jemals zur Türe hinaus gegangen wäre. Wir stellen uns taub. Kinder aus anderen Kriegsgebieten und Töchter und Söhne von Flüchtlingen tragen unsere Rechnung aus.

 

Jean d’Arc und Ritterrüstung

 

Hätten wir ein „gescheites“ Anti-Kriegs-Museum (bzw. noch ein Museum zum Thema Kolonisierung), könnten Schulklassen, in denen auch Flüchtlinge sitzen, dort diskutieren und nicht nur Grabendolche oder Propaganda-Postkarten anstarren, auf denen z. B. die französische Jean d’Arc abgebildet ist, der eine Bombe in den Mund gewürgt wird. Eine einzige kleine Figur in weiß-hellblau gestreift erinnert an die Konzentrationslager-Häftlinge. Und spiegelt Vizekanzler Mitterlehners Aussage, dass bei der Mahnwache „aller Opfer“ der Anschläge in Paris gedacht wurde. Man muss doch diese Juden nicht extra erwähnen…, auf deren Verfolgung und Unglück über Generationen Attentäter ihre diversen Schäden austragen.

 

Der kleine Afghane, der schon längst aus Österreich nach Kabul zurück expeditiert wurde, zeigte mir in der goldenen Napoleon-Dekoration des HGM seine Selbstverletzungen auf seinem Smartphone. Fleischfarbene Bilder mit dunkelroten Strichen dazwischen, tiefe Messer-Wunden, die er sich selber zufügte. Als Selbstbestrafung, weil er seiner Schwester nicht helfen konnte, die von denselben Männern aus dem Nachbardorf bedroht wurde, die schon seinen Vater ermordeten. Selbstdestruktion gegen Destruktion – zwei verwandte Modelle irgendwie. Nur wenn Österreich seine eigenen Wunden offen legt und offen hält, werden wir glaubhaft und vertrauenswürdig genug sein, um diesen Kindern in ihrer Überforderung Unterstützung zu geben. Dazu gehört eine komplette Umgestaltung des Heeresgeschichtlichen Museums und ein Kleinkinderverbot, denn angesichts der russischen Expansion sollten dort nicht russische Soldaten ihrem Waffenfetischismus frönen dürfen, während ihre Kinder, erstarrt vor Angst, vor der Ritterrüstung im Kinderbereich stehen.
Fotos: Florian Fusco

ein Kommentar

  • Manuel

    Genau....Zensur und Geschichtstabuisierung waren dem Frieden und freiheitlichen Gesellschaften schon immer besonders zuträglich! Der Name "Heerestechnisches Museum" sollte doch eigentlich glasklar und auch für den letzten ideologisch verwirrten Spinner ersichtlich implizieren, dass es dort nicht um Sonnenblumen und Hanfsandalen geht, sondern um Militärtechnik- und Geschichte. Wer das nicht sehen will, der soll es sich halt nicht anschauen! Die reine Betrachtung eines antiken Webstuhls im Handwerksmuseum hat aber auch bisher in keinem Kind den Wunsch geweckt, in der Textilindustrie zu arbeiten. Am Thema Krieg und in Verbindung damit auch Militär, wird man im Zuge einer sinnvollen Schulbildung nicht vorbeikommen, es sei denn man möchte geschichtsblinde Vollidioten produzieren, woran den Autoren dieses Ergußes hier wohl sehr gelegen ist! Geschrieben um 3. März 2015 um 17:58 Uhr Antworten

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