Migrationsindustrie in Österreich: Wie viele Expertenräte braucht das Land?

04.04.2014 | 12:43 | Tamara Tanasijevic

Am Donnerstag, den 3. April, wurde unter der Führung der Bundesministerin für Inneres, Johanna Mikl-Leitner, der neu gegründete Migrationsrat vorgestellt. Die Rolle dieses Expertengremiums soll in den nächsten Jahren die nüchterne und emotionsfreie Bewertung von „Fakten und Zukunftsfragen“ der Migration sein. Im Rahmen von zehn Ressorts soll eine „Migrationsstrategie“ in den nächsten zwei Jahren entwickelt werden. Es soll geklärt werden welchen „Beitrag Migration leisten kann, damit unsere Systeme sicher und stabil bleiben“. Daran beteiligt sind auch „ExpertInnen“ aus dem medialen Umfeld. Arabella Kiesbauer, TV-Moderatorin mit neuentdeckten afrikanischen Wurzeln, wird die Zuständige für den Bereich Diversität und Paul Lendvai, Leiter des Migrationsrates, will dezidiert mit seinem Akzent punkten. (Zitat ÖSTERREICH, 4. April 2014, Seite 4).

Österreich hat derzeit drei staatliche Beiräte und 16 Handlungsfelder zum Thema Integration/Migration, die sich in den meisten Punkten überschneiden. Mit der Errichtung des Migrationsrats folgt die Regierung einem Trend, der sich bereits seit 2010 abzeichnet: Migration/Integration als „lukratives Geschäftsmodell“. Nach dem „unabhängigen Expertenrat für Integration“ und seiner Gründung 2010, wurde parallel dazu im Innenministerium unter der Obmannschaft von Maria Fekter der Integrationsbeirat gegründet. Mittlerweile wurden all diese Ausschüsse ins Außenministerium verfrachtet. Integration ist nun ein außenpolitisches Thema mit innenpolitischer Wirkung, während Migration sich jetzt durch die Schaffung des Migrationsrates innenpolitisch mit außenpolitischer Bedeutung positioniert. Integration und Migration werden nun also als zwei unabhängige Herausforderungen für und von der Republik behandelt.

Der „unabhängige Expertenrat für Integration“ hat die Aufgabe zum Ziel eine wissenschaftliche Expertise bei der Umsetzung des „Nationalen Aktionsplans für Integration“ (NAP) einzubringen. Der Integrationsbeirat soll die tatsächliche Vernetzung und Koordination übernehmen. Kritik an der Vorgehensweise dieser Gremien gab es vor allem von Seiten der Zivilgesellschaft, an der Spitze derer sich SOS MITMENSCH befindet. Die NGO bezweifelte die tatsächliche Unabhängigkeit eines innenpolitisch organisierten Beirats und reagierte mit der Gründung eines „alternativen ExpertInnenrats“, welcher vor allem Bereiche thematisieren soll, die bisher von den staatlichen Integrationskörperschaften bewusst ignoriert wurden: Diskriminierungen.

Aktuelle Publikationen wie der US-Menschenrechtsbericht und ZARA Rassismus Report 2013 zeigen nach wie vor, dass Diskriminierungen in der österreichischen Gesellschaft alltäglich sind, doch weiterhin unbehandelt bleiben. Man könnte meinen, dass in den zahlreichen Integrations-/Migrationsräten in dieser Hinsicht auch eine Auseinandersetzung erfolgen könnte. Tatsächlich wird weiterhin nur bewertet und nicht bearbeitet.

Während die Beiräte rund um Außenminister Sebastian Kurz weiterhin „Integration durch Leistung“ predigen, setzt der Migrationsrat durch die Einbindung medialer Gesichter mit Migrationshintergrund  plumpe Merkmale für ein Interesse an „Diversität“. Besonders befremdlich ist dabei, dass mediale Persönlichkeiten wie Paul Lendvai, der seit mehr als 60 Jahren in Österreich zuhause ist, als „Jungösterreicher“ (Zitat ÖSTERREICH, 4. April 2014, S. 4) mit sympathischem Akzent verkauft werden. Wie lange muss man tatsächlich in diesem Land leben um den Migrantenstempel offiziell loszuwerden? Zudem ist mit Arabella Kiesbauer eine waschechte Österreicherin aus der Society-Prominenz im ExpertInnenteam vertreten, die im Bereich Diversität aushelfen soll. Man erkennt, dass hier weniger Expertise und mehr medialer Bekanntheitsgrad gefragt ist.

„Schauen Sie her, mit unserem Lächeln engagieren wir uns für Migration. Alles wird gut.“

Wohin bringt uns nun die staatliche Integrations-/Migrationsmaschinerie? Es bleibt der Eindruck, dass durch die mittlerweile unüberschaubaren Aktivitäten in diesem Bereich durch die Politik das sensible Themenfeld der  Integration und Migration als „Geschäftsmodell“ ausgenutzt wird. Öffentliche Gelder werden in zahlreiche Beiräte investiert, die bei NGOs und ähnlich engagierten Institutionen besser angelegt wären. Dort sitzen nämlich die erfahrensten ExpertInnen und Betroffenen, die abseits des medialen Interesses energisch arbeiten, die Bedeutung von Diversität kennen und nicht als bedrohlich einstufen.


ein Kommentar

  • Vladislav Marjanovic

    Die Integrations/-MIgrantenmaschienerie dient nur zu einem einzigen Zweck: das Bild der regierenden politischen Elite zu verschönen um daraus ihr politisches Kapital zu holen. Weil sie das Vertrauen ihrer Wähler verloren haben, jetzt hofen sie diesen Verlust mit den Stimmen von Neoösterreicherrinnen und Neoösterreicher zu ersetzen. Einige Migrantenorganisationen und Vereine sowie ihre Medien dienen ihnen bereits als Vermittler. Hüttet euch von den Danaer, wenn sie euch Geschenke geben und von neoliberalen Politiker wenn sie sich als Humanisten ausgeben, um nicht ihre nützliche Idioten zu sein. Geschrieben um 4. April 2014 um 21:50 Uhr Antworten

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