Die drei größten Herausforderungen von Integration in Österreich

Erschienen in:  
Österreichische Gemeinde-Zeitung
  • Der Österreichische Städtebund gibt für seine Mitglieder 10 Mal im Jahr die Österreichische Gemeindezeitung (ÖGZ) heraus, die zu monatlich unterschiedlichen Themenschwerpunkten erscheint. Die thematische Bandbreite reicht von gemeinderechtlichen bis zu finanzpolitischen Fragen aus Theorie und Praxis und berichtet über die Beratung aktueller Fragen in den Ausschüssen des Österreichischen Städtebundes sowie über europapolitische Themen.

10.09.2013 | 8:13 | simon INOU

Ende September dieses Jahres wählt Österreich ein neues Parlament. Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes werden beide Großparteien bewusst KandidatInnen mit Migrationshintergrund gezielt an wählbaren Positionen haben. In der Kanzlerpartei wird Nürten Yilmaz die Fahne tragen und in der ÖVP, Asdin El Habassi von der Jungen ÖVP Salzburg. Ein Zeichen, dass das Thema ethnische Vielfalt heutzutage gesamtgesellschaftlich eine wichtige Bedeutung gewonnen hat.

Im Parlament schaut die Realität seit dem Jahr 2008, 44 Jahre nach der ersten Welle der türkischen ArbeitsmigrantInnen nach Österreich, anders aus: Die Grünen haben mit Alev Korun die allererste Nationalratsabgeordnete mit türkischem Migrationshintergrund. Ende September geht´s auch darum, zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs über das Thema Integration, das seit zwei Jahren ein eigenes Ressort hat, zu entscheiden. Ein Verdienst mehrerer NGOs und Gemeinden, die seit Anfang des 21. Jahrhunderts in verschiedensten Sitzungen, auf Kongressen und Kundgebungen ein Staatssekretariat für Integration gefordert haben, damit auf eine effektive Art und Weise mit der ethnischen und kulturellen Vielfalt in Österreich umgegangen wird. Aus dem einfachen Grund, dass diese Gemeinden, NGOs usw die direkte und tagtägliche Erfahrung mit dem Thema zu tun hatten. Der originelle Vorschlag betonte die Trennung von Integration und Sicherheit. Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich betrachten sich nicht primär als ein Sicherheitsproblem für unser Land. Sie sehen, dass sie eine Herausforderung für Österreich darstellen und wollen als MitgestalterInnen wahrgenommen werden. Deswegen ist das Integrationsstaatssekretariat in einem anderen Ressort besser aufgehoben als in einem Ressort wo sie primär als Sicherheitsproblem wahrgenommen werden.

In zwei Jahren hat das Integrationsstaatssekretariat viel geleistet. Die größte positive Änderung bleibt eine Versachlichung der Diskussion über die sogenannten „Fremden“, die in Österreich leben. Der Bonus von Sebastian Kurz, dem Integrationsstaatssekretär ist, dass seine Arbeit nicht mit der eines Vorgängers verglichen und bewertet werden kann. Alles was er tut wird von vielen Menschen als gut und positiv aufgenommen. Sein Motto „Integration durch Leistung“ ist und bleibt lobenswert. Leider gilt dieses Motto nicht für alle sondern nur für MigrantInnen. Die Verbreitung der Botschaft „Je mehr du leistest, desto mehr wirst du in unserer Gesellschaft akzeptiert“ ist meiner Meinung nach bist dato eine große Illusion. Denn so lange wir in einer Gesellschaft leben, wo leider Diskriminierung höchstens ein Randthema für den Integrationsstaatssekretär ist, wird ein entscheidender Teil der Wahrheit ausgeblendet. Denn die Realität ist, dass oftmals leider nicht die Leistung zählt sondern die Herkunft, wie in vielen Studien[1] u.a. gezeigt worden ist. In Österreich haben wir noch eine überwiegende Herkunfts- und kaum Leistungselite, die z.B. die Arbeit über Netzwerke verteilt. Angesprochen auf eine Studie der Arbeiterkammer über die Schwierigkeiten von jungen MigrantInnen in Österreich Jobs zu finden, reagiert Margit Kreuzhuber, Integrationsbeauftragte der Wirtschaftskammer Österreich in einem Interview mit Ö1 wie folgt: „Jobsuche in Österreich geht großteils über Netzwerke; wenn diese fehlen, sei es schwieriger einen adäquaten Arbeitsplatz zu bekommen.“[2]

Es wird immer betont „Integration ist keine Einbahnstraße“ bzw. es ist ein „Geben und Nehmen“. Menschen mit Migrationshintergrund haben aber das ständige Gefühl es wird von ihnen sehr viel verlangt und sehr wenig von der Mehrheitsgesellschaft, die doch zu mindestens 50 Prozent oder sogar mehr auch dazu beiträgt, dass Integration gelingt oder misslingt. Auf der anderen Seite vergisst man oft, dass es in der Integrationsfrage nicht nur darum geht die Sprache zu lernen und zu beherrschen, sondern mit dieser Sprache auf Menschen und Gesellschaften zu zugehen, die bereit sind die Menschen, die in Österreich neu sind, zu akzeptieren wie sie sind und nicht wie man sie haben möchte. Zwei Fragen müssen wir uns stellen: Ist unsere Gesellschaft aufnahmefähig genug um andere Menschen zu akzeptieren und zu integrieren oder wollen wir nur mit bestimmten Bevölkerungsgruppen zu tun haben, die uns in irgendeiner Hinsicht näher oder angenehmer sind? Zum zweiten was sind die aktuellsten Herausforderungen, die wir meistern sollen um die Gesellschaft fit für die Zukunft vorzubereiten?

Diskriminierungsbekämpfung

Integration, also die Akzeptanz Anderer in Österreich, ist sinnlos wenn wir alle Formen von Diskriminierungen insbesondere den Rassismus und das Schüren von Vorurteilen nicht bekämpfen. Rassismus, Vorurteile gegenüber Anderen existieren bei allen Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund. Dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe bzw. aufgrund ihres Namen einen Job nicht bekommen ist eine Realität, die in Österreich nicht zu leugnen ist. In der Europäischen Wertestudie 2011 lag Österreich im Vergleich – was die Antipathie gegenüber MigrantInnen betrifft – an der Spitze. Der Anteil von ÖsterreicherInnen, die „Ausländer“ ablehnen – 23 Prozent – ist größer als in allen anderen EU Ländern. Wichtig zu erwähnen ist, dass 77 Prozent keine Antipathie zeigen. Die Europäische Wertestudie (European Value Study), die von einem internationalen AutorInnenteam durchgeführt wurde, bietet einen Überblick über Langzeitentwicklungen der Wertelandschaft in Österreich und anderen europäischen Länder[3]. Über Jahresberichte  nationaler sowie internationale Institutionen zum Thema Ablehnung bzw. Diskriminierung, Rassismus in Österreich will ich hier nicht eingehen.

Dringende Reform von österreichischen Schulbüchern

Die Ursachen für Diskriminierung werden in unserer Gesellschaft zu wenig ernsthaft diskutiert. Im Jahre 2008 veranstaltete ich zum ersten Mal in Österreich die Medien.Messe.Migration mit dem Thema „MigrantInnen in der österreichischen Mediengesellschaft: Von der Fremddarstellung zur Selbstdarstellung.“ In Österreich leben wir noch in einer sehr medial-segregierten Gesellschaft. Auf der einen Seite die Mainstream-Medien mit ihren JournalistInnen, die kaum interkulturelle Kompetenzen haben und auf der anderen Seite interkulturelle Medien, die sich mehrheitlich mit der jeweiligen Muttersprache an die eigene „Community“ wendet und sie mit Informationen versorgt. Die Konsequenz ist die unbewusste Verbreitung von Vorurteilen, die wir in unserer Sozialisation gelernt und wenig hinterfragt haben. Es geht darum in den Medien ein umfassendes Bild unserer Gesellschaft zu schaffen. Dafür setzt sich der Verein M-MEDIA ein. Er macht eine Arbeit in Österreich, die viele als Pionierarbeit einstufen, nämlich Mainstream-Medien und Interkulturelle Medien zusammenzubringen.[4]

Auch Schulbücher sind Medien, die unsere Bilder über MigrantInnen prägen. „Wie werden MigrantInnen in österreichischen Schulbüchern dargestellt und wahrgenommen? Wie werden wir in unseren Schulen im Bezug auf Menschen, die einen andere religiösen oder ethnischen Hintergrund als die Mehrheit haben, eingeschult? Wie werden unsere Gehirne im Bezug auf andere „formatiert“?. In den meisten österreichischen Schulbüchern wird Migration und Integration als Problem dargestellt. Im Vordergrund steht der ökonomische Nutzen von MigrantInnen für die österreichische Gesellschaft oder die Bedrohung durch bzw. die Angst vor dem Fremden[5]. Aufgrund der Arbeiten von Heidemarie Weinhäupl und Christa Markom, AutorInnen des Buches „Die anderen im Schulbuch“ im Jahre 2007, wird im Bildungsministerium für Kunst und Kultur (Stand Ende Mai 2013) eifrig an einem Leitfaden gearbeitet, um das oft veraltete und vorurteilsschürende Bild von Migration sowie Migrantinnen und Migranten in Österreichs Schulbüchern zu ändern. Die Bundespolitik hat begonnen das Thema ernster zu nehmen.

Der Islam ist seit 101 Jahren in Österreich daheim – MuslismInnen in Österreich sind eine Realität

Gesetzliche Anerkennung bedeutet nicht unbedingt gesellschaftliche Akzeptanz. Obwohl der Islam seit 101 Jahren in Österreich rechtlich anerkannt ist, sind diese Religion und ihre Angehörigen in Österreich, die am meisten missverstandenen. Laut einer IMAS Umfrage im Jahre 2010 sehen 54 Prozent der ÖsterreicherInnen den Islam als Bedrohung, weitere 70 Prozent sehen einen Widerspruch zwischen dem Islam und den „westlichen“ Werten[6].

In den österreichischen Medien wird kein rosiges Bild vom Islam und MuslimInnen gezeichnet. Die negativen Assoziationen unserer Gesellschaft spiegeln sich in den Medien wieder. In der Studie „Islam in den Medien“ stellt Peter Hajek fest: „Mehr als 40 Prozent der Berichterstattung im Erhebungszeitraum waren in einem negativen Kontext. Um die 30 Prozent der Berichterstattung waren in einem neutralen Kontext, etwas mehr als ein Viertel stand schließlich in einem positiven Zusammenhang“[7]. Kopftücher, Minarette, die Rolle der Frauen in unserer Gesellschaft, Scharia, Terrorismus sind nur einige Themen, die unsere Gesellschaft mit dem Islam stark assoziiert. Wie in vielen anderen Ländern Westeuropas ist im letzten Jahrzehnt spätestens nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center auch in Österreich der antimuslimische Rassismus gesellschaftsfähig geworden. Während die Freiheitliche Partei Österreichs FPÖ und deren Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich BZÖ um die Vorherrschaft über die Themenbereiche Moscheebau und Islam kämpfen, schweigen die großen Parteien. Sogar die Grünen, bekannt für ihren Mut für brennende, auch unpopuläre Themen, unternehmen nicht viel auf dieser Ebene.

Probleme? Nein. Nur Herausforderungen, die unsere Gesellschaft, die nach dem zweiten Weltkrieg dieses Land wiederaufgebaut hat meistern kann. Weil österreichische Traditionen vielfältig und nicht starr sind. Wir können eine neue WIR Gesellschaft schaffen, wo Inklusion und Respekt die entscheidenden Säulen sind. Übrigens Gustav Mahler sagt: „Tradition ist die Bewahrung des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.“

 


[1] Studie der Arbeiterkammer

[2] http://oe1.orf.at/artikel/305677

[3] http://ktf.univie.ac.at/wertestudie

[4] MigrantInnen in Mainstream-Medien : Eine Minderheit im Aufbruch, Clara Akinyosoye, in Andreas Kriwak, Günther Pallaver (Hg) Medien und Minderheiten, Conference Series, innsbruck university press, S. 133-150

[5] http://www.migrationen-im-schulbuch.at/

[6] Der Islam in den Augen der Bevölkerung 

[7] Der Islam den Medien


ein Kommentar

  • Alexis Neuberg

    Gute Analyse! Geschrieben um 11. September 2013 um 18:45 Uhr Antworten

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