Heer: „In dieser Kanzlei stinkt´s wie in einem arabischen Puff!“

AUF EINEN BLICK
  • Als Beispiele für Beschwerdefälle tauchten auf: unangebrachte Ausdrucksweisen, Schikanen, unzureichende militärärztliche Betreuung, nicht einsichtige Gestaltung dienstlicher Maßnahmen, mangelnde Fürsorge, organisatorische Mängel, Nichtbeachtung von Vorschriften und Missstände während des Auslandseinsatzes. Die Parlamentarische Bundesheerkommission ist ein Kontrollorgan des Nationalrates. (aha)

08.04.2011 | 9:00 | Ania Haar

Wien, 8. April 2011 – Die parlamentarische Bundesheerkommission hat heute, Freitag, ihren Jahresbericht präsentiert. Ein Rückgang der Beschwerden von 556 im Jahr 2009 auf 337 im Jahr 2010 ist zu verzeichnet. Dennoch ist der Anstieg von Beschwerden junger Grundwehrdienern von 12 Prozent (2009) auf 26 Prozent (2010) besonders sichtbar.

Im Jahr 2010 gab es bei der parlamentarischen Bundesheerkommission 3568 Anfragen. Zum größten Teil konnten diese rasch beantwortet oder geklärt werden. In diesen Fällen war die Einbringung einer formellen Beschwerde nicht notwendig. Eingeleitet wurden 337 Beschwerden, davon waren 28 Verfahren amtswegig. 50 Prozent der Beschwerden wurden als berechtigt anerkannt.

Austro-Ägypter als „Kameltreiber“ genannt

„Schikanen in der Ausbildung“, sagt Paul Kiss, amtsführender Vorsitzender der Bundesheerkommission, „können nicht geduldet werden“. Trotz intensiver Schulung bleibt so mancher Vorgesetzter „unbelehrbar“ und „vergreife sich im Ton“. Nun überlagern diese Fälle die „hervorragende Arbeit“ von den anderen.

In der Zusammenarbeit zwischen Menschen, noch dazu noch in hierarchischen Strukturen, komme es einfach zu Schwierigkeiten. Dennoch können manche „Ausdrucksweisen nicht geduldet werden“, so Kiss. Äußerungen wie „Rekrut Dämlich“ oder „I reiß euch alle miteinander den Oarsch auf!“ sind ebenso wenig akzeptabel wie: „ Es seid´s solche Hurenkinda! Wisst´s des?“

Die Bundesheerkommission hat in ihrem Bericht auch das Beispiel einer beleidigenden Äußerung gegenüber den Soldaten mit Migrationshintergrund berücksichtigt. So gebe es auch „rassistische Äußerungen“ gegenüber diesen Soldaten.  Beispiel: ein Rekrut mit ägyptischem Background war als Schreiber in der Kompaniekanzlei tätig und wurde vom Zugskommandant häufig als „Kameltreiber“ genannt. Beim Eintritt in die Kanzlei begrüßte ihn dieser mit diesen Worten:„ In dieser Kanzlei stinkt´s wie in einem arabischen Puff!“.

Besuchstourismus

Auch bei Auslandseinsätzen prüfen die Mitglieder der Bundesheerkommission die Situation und sie suchen nach Kontakt zum Soldaten. Während eines Prüfbesuchs in Bosnien und Herzegowina beschwerten sich die Soldaten über die beinahe täglichen Besuche von Beamten des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport. So sei bei Ihnen der Eindruck von „Besuchstourismus“ entstanden. Während eines Prüfbesuchs in Syrien waren die Mitglieder der Bundesheerkommission von einem Neubau überrascht. Noch ein Jahr zuvor war die Raumsituation als mangelhaft beurteilt worden.

Von den 11 Beschwerden über Missstände während eines Auslandseinsatzes sind zwei als berechtigt anerkannt worden, zwei waren am Ende des Berichtsjahrs noch nicht abgeschlossen und sieben galten als unberechtigt.

Neuer Trend: Beschwerden von Offizieren

Früher hieß es: „Ein Offizier braucht sich nicht zu beschweren“. Dagegen ist ein neuer Trend zu beobachten: immer mehr Offiziere (12 Prozent)beschweren sich. Dafür gingen die Beschwerden der Frauen zurück. Und was wir in den Gesprächen mit den Frauen beobachteten: sie wollen Gleichberechtigung, wollen nicht anders als Männer behandelt werden und sind nicht mehr und nicht weniger „Soldat“ als ein Mann.

Wie sieht es in der Zukunft aus?

„Unsere Arbeit geht nicht aus und wir sind stark gefordert“, sagt Kiss, und „jeder Fall wird sehr akribisch und penibel überprüft“. Um die Beschwerden zu ahnden, wurden erforderliche Maßnahmen eingeleitet: von der Belehrung und Ermahnung bis hin zur Strafanzeige.

ANIA HAAR


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Ania Haar