Gesucht: Mann, Migrant und Kindergärtner

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  • Boys' Day 2011: Am 10.November findet der Boys' Day österreichweit zum vierten Mal statt. Mit der DVD „Social Culture“ soll ein Beitrag zur Überwindung von Rollenklischees geleistet werden, indem junge Männer mit Migrationshintergrund in erzieherischen und pflegerischen Berufen vorgestellt werden.

09.11.2011 | 16:46 | Ania Haar

Boy’s Day 2011: Junge Männer mit Migrationshintergrund sollen vermehrt in soziale Berufe einsteigen. Eine eigene DVD mit jungen Migranten, die am 10.November vorgestellt wird, soll bei der Suche helfen.

Wien. „Windeln zu wechseln und zu waschen habe ich schon früh gelernt“, sagt Jules Mekontchou, „denn Wegwerfwindeln gab es bei uns nicht“. Der gebürtige Kameruner hat viele Talente – er ist Tänzer, Kindergärtner – und nun auch noch einer der Protagonisten in einem Film. „Social Culture“ heißt die DVD, die morgen, Donnerstag, offiziell im Sozialministerium präsentiert wird. Anlass ist der „Boys‘ Day 2011“, der junge Männer dazu ermutigen soll, in Berufe im Sozial-, Gesundheits- oder Erziehungswesen einzusteigen.

Dabei geht es aber nicht nur um Männer im Allgemeinen. „Uns ist es wichtig, junge Männer mit Migrationshintergrund anzusprechen“, sagt Johannes Berchtold, Leiter der Männerpolitischen Grundsatzabteilung im Ministerium, „und auch zu zeigen, dass sie Vorbilder in den sozialen Berufen sein können.“

Bereicherung für Kinder

Barbara Waschmann, Koordinatorin von „stay tuned new media“, die die DVD produziert hat, hat bei den Dreharbeiten beobachtet, dass sich Männer in sozialen Berufen sehr gut machen – Männer haben einen anderen Umgang mit Kindern. „Für die Kinder ist das eine Bereicherung“, meint sie. Mittlerweile sei es ja schon ein gesellschaftliches Problem geworden, „dass es zunehmend mehr alleinerziehende Mütter und überwiegend nur Lehrerinnen in den Schulen gibt“. Waschmann meint, dass den Kindern deshalb beim Aufwachsen der männliche Aspekt fehle.

Jules Mekontchou ist in Kamerun geradezu als Kindergärtner aufgewachsen. „Meine Tante war Kindergärtnerin, und ich habe ihr schon früh geholfen, auch bei meinen Geschwistern war es so“, erzählt er. „Und in Österreich wollte ich auch weiter mit Kindern arbeiten.“ Allein, zunächst war es für ihn nicht einfach, einen Job zu finden. „Ich habe 100 Bewerbungen abgeschickt“, sagt Mekontchou, „und immer eine negative Antwort bekommen.“ Er vermutet, dass es mit seiner Hautfarbe zusammenhängt. Erst nach einer persönlichen Vermittlung bekam er im Kindergarten der Diakonie doch noch einen Job.

Keine Angst vorm schwarzen Mann

Aber wie reagieren Kinder auf einen Mann mit schwarzer Hautfarbe? Sehr positiv. „Kinder haben keine Angst vor dem ,schwarzen Mann‘“, sagt Waschmann. Bei den Kindern komme er sogar sehr gut an, sein Können werde sehr geschätzt. Probleme erlebt der gebürtige Kameruner eher außerhalb des Kindergartens – er werde in der U-Bahn geschubst, erzählt er, manche Menschen würden ihren Sitzplatz wechseln, wenn er sich dazusetzt. „Es hat aber keinen Sinn, sich darüber aufzuregen, denn es bringt nichts.“

Laut Kindertagesheimstatistik lag der Anteil an qualifiziertem männlichen Fachpersonal in Kindergärten im Jahr 2010/11 bei nur 0,7 Prozent. Über die Herkunft der Mitarbeiter stehen keine Daten zur Verfügung. Bedarf nach qualifizierten Mitarbeitern ist aber vorhanden – mit Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres und des Gratiskindergartens in Wien ist die Nachfrage nach Kindergartenpädagogen deutlich gestiegen. Der „Boys‘ Day“, der heuer zum vierten Mal stattfindet, soll genau hier ansetzen.

„Wir haben niemanden“

Wie schwierig es ist, an junge Männer mit Migrationshintergrund zu kommen, die in sozialen Berufen arbeiten, haben die Macher des Films „Social Culture“ hautnah miterlebt. „Wir haben rund 400 E-Mails an Ausbildungseinrichtungen und -vereine geschickt“, sagt Waschmann, „und fast immer die Antwort bekommen: ,Tut uns leid, wir haben niemanden.‘“

Die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache. Der Anteil von Männern in Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik betrug im Schuljahr 2009/10 nur 3,7 Prozent – und der Migrationshintergrund ist dabei noch gar nicht eingerechnet. Die Wahrscheinlichkeit, in Kindergärten einem männlichen Erzieher mit Migrationshintergrund zu begegnen, ist dementsprechend gering.

Jules Mekontchou ist sich seiner Ausnahmestellung bewusst. Ebenso der Tatsache, dass er sogar noch mehr kann als andere Kindergärtner – immerhin ist er auch noch Tänzer. „Im Kindergarten biete ich den Kindern das Tanzen an – und sie nehmen das Angebot gern an.“ Und sie haben auch einen neugierigen Zugang, der Mekontchou immer wieder erheitert. Etwa dann, wenn sie ihn auf seine Hautfarbe ansprechen. „Hast du zu viel Schokolade gegessen?“, fragen sie dann. Oder: „Ist es in Kamerun so heiß, dass deine Hautfarbe so dunkel geworden ist?“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.11.2011)


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