Integration: Ein Land gibt sich Regeln

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AUF EINEN BLICK
  • Laut Volkszählung aus dem Jahr 2001 leben in Oberösterreich 99.617 Menschen aus 153 Nationen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft. Dies sind rund 7,2 Prozent der oberösterreichischen Bevölkerung.
  • Herkunft: Die meisten Zugewanderten stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus der Türkei sowie aus Deutschland. Laut 2007 erstmals von der Statistik Austria erhobenen Zahlen liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung bei 13,1 Prozent. Ein Drittel der ausländischen Bevölkerung Oberösterreichs lebt in den Städten Wels, Linz und Steyr.

03.09.2008 | 0:35 | Josipa Crnoja

Mit einem Integrations-Leitbild soll das Zusammenleben mit Migranten grundsätzlich geregelt werden. Nun geht es um die Umsetzung, erster Schritt ist eine Integrationskonferenz in Linz.

LINZ. Linz putzt sich heraus für das Jahr 2009 – als Kulturhauptstadt. Auch Oberösterreich putzt sich heraus – rund um das Thema Zusammenleben. Schon 2005 beschloss die oberösterreichische Landesregierung, ein Integrationsleitbild zu erstellen. Das Ziel dahinter sollte eine zukunftsorientierte Integrationspolitik sein. Nach mehr als zwei Jahren Arbeit liegt dieses Leitbild nun unter dem Titel „Einbeziehen statt einordnen“ vor.

„Der Titel hat eine Aussage. Wir wollen zur Diskussion oder zu kritischen Äußerungen anregen“, sagt Renate Müller, Leiterin der Koordinationsstelle für Integration im Amt der oberösterreichischen Landesregierung. Das Leitbild wurde vom Sozialwissenschaftler Kenan Güngör und mehr als 200Akteuren aus Politik, Verwaltung, NGOs sowie Migrantenvereinen erstellt. Erarbeitet wurden etwa Maßnahmen und Empfehlungen für die Verbesserung der Integrationspolitik in Bereichen wie Bildung, Arbeit und Freizeit.

Abgrenzung von Parteipolitik

Für den 39-jährigen Güngör war es dabei weniger wichtig, gleich konkrete Maßnahmen zu erarbeiten, als vielmehr einmal bei den Beteiligten Bewusstsein zu wecken. Das Erstellen des Leitbilds war also vergleichbar mit dem Spruch: Der Weg ist das Ziel. Durch intensive Beschäftigung mit bestimmten Fragestellungen wurden manche Probleme erst sichtbar, an die man vorher gar nicht gedacht hätte. Die Arbeit lief aber nicht immer ganz reibungslos ab: „Ich musste mich deutlich von der politischen Kultur, die sich schnell an den Parteien orientiert, abgrenzen“, erzählt Güngör von seinen Problemen bei der Erstellung.

Um ein realistisches Bild der aktuellen Situation der Migration in Oberösterreich zu bekommen, wurde eine schriftliche Befragung der Bürgermeister aller oberösterreichischen Gemeinden durchgeführt. Die Ergebnisse haben gezeigt: Ohne Einbeziehung von und Zusammenarbeit mit den Gemeinden kann der Integrationsprozess nicht funktionieren. Denn hier müssen alle gesetzten Maßnahmen konkret umgesetzt werden – im direkten Kontakt mit den betroffenen Menschen.

Der erste Schritt der Umsetzung folgt demnächst – im Oktober findet die erste Landesintegrationskonferenz in Linz statt. Doch schon jetzt gibt es konkrete Vorschläge: „Das Sichtbarwerden von Migranten im öffentlichen Raum sehe ich als eine der wichtigsten Maßnahmen“, meint Tülay Tuncel, die am Integrationsleitbild mitgearbeitet hat. Das fange schon bei der Verwaltung an, die bei der Bestellung von Posten vermehrt auf Migranten setzen könnte.

Eine Organisation, die auch maßgeblich am Integrationsleitbild mitgewirkt hat, ist Migrare, Zentrum für Migranten in Oberösterreich. „Eine Gesellschaft, in der Vielfalt als Bereicherung angesehen wird – das ist unsere Vision“, sagt Organisationsassistentin Magdalena Danner. Seit mehr als 20 Jahren setzt sich Migrare in erster Linie für die Beratung und Betreuung von Migranten ein.

Zugang zum Arbeitsmarkt

Eines der von Migrare bereits ins Leben gerufenen Projekte hört auf den Namen BOJE. Das Projekt richtet sich an Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren. „Diese jungen Migrantinnen, die nach der Pflichtschule keinen Zugang zum Arbeitsmarkt geschafft haben, werden Unterstützung bekommen, um sich schrittweise in die Arbeits- und Bildungswelt zu integrieren“, berichtet Gabriella Kovacs, die bei Migrare für die Projektarbeit zuständig ist. „Etwa 1300 Menschen aus vielen verschiedenen Ländern haben an den Projekten von Migrare im letzten Jahr teilgenommen“, zieht die 32-jährige aus Ungarn stammende Kovacs die Bilanz.

Abseits der Projekte hoffen die Mitarbeiter von Migrare nun, dass das neue Leitbild einen Schub für die Integration in Oberösterreich bewirkt. Dass es etwa mehr Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Respekt gibt – laut Integrationsleitbild die wichtigsten Punkte, die sich Migranten von der Gesellschaft, in der sie leben, wünschen. In den Gemeinden mit erhöhtem Anteil ausländischer Bevölkerung erwarten die Einheimischen von Migranten vor allem das Erlernen der deutschen Sprache und die Anpassung an kulturelle Gepflogenheiten des Landes.

(JOSIPA CRNOJA, Die Presse“, Print-Ausgabe, 03.09.2008)

www.migrare.at
www.ooe.gv.at


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