Integration in Graz: Warten auf den großen Wurf

27.01.2011 | 8:01 | Mona Parun

Graz erfreute sich in den vergangenen Jahren eines verstärkten Zuspruchs von Zuwanderern. Herausstechend ist die größte Gruppe, die aus Deutschland kommt. Sie ist regelrecht in die Höhe geschnellt.

 

GRAZ. Ein Jahr nach den Grazer Gemeinderatswahlen kann die schwarz-grüne Stadtregierung einzelne positive Ergebnisse im Integrationsbereich aufweisen. Der große Wurf lässt aber noch auf sich warten.

Die steirische Landeshauptstadt Graz ist ein Schmelzpunkt unterschiedlicher Kulturen. Immer mehr Nichtösterreicher zieht es in die Murmetropole. 15Prozent der etwa 250.000 Einwohner haben nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, das Gros der Ausländer stammt aus Deutschland – deren Zahl hat sich seit 2002 fast verdoppelt. Viele Zuwanderer stammen auch aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und aus der Türkei.

Ausländer leben vor allem am rechten Murufer in den Stadtteilen Lend und Gries, während die übrigen Bezirke, vor allem jene am linken Murufer, einen sehr niedrigen Migrantenanteil aufweisen. Die Folge: Wer es sich leisten kann, zieht auf die linke Murseite in bürgerliche Bezirke wie Mariatrost, Geidorf und Waltendorf.

Verdoppelung in sechs Jahren

Besonders die Volksschulen spiegeln das soziale Gefüge eines Bezirkes wider. Im laufenden Schuljahr beträgt der Anteil von Pflichtschülern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch in einigen Schulen am rechten Murufer teilweise mehr als 50Prozent.

„Nichtdeutsche Muttersprache lässt aber keinen relevanten Rückschluss auf mangelnde Sprachkompetenzen zu“, betont Herbert Just, Leiter des Grazer Stadtschulamtes. Spätestens seit 2005 erinnert er an die Herausforderungen, aber auch an die Chancen, die durch den hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in den Schulen entstehen. Damals ergab eine Studie, dass sich die Zahl dieser Schüler innerhalb von sechs Jahren verdoppelt habe.

Pilotprojekt an vier Schulen

„Ein wichtiger Punkt ist die Schulsozialarbeit für Schüler aus sozial schwachen Familien, darunter sind auch viele Migrantenkinder. Im laufenden Schuljahr wurde ein Pilotprojekt an vier Schulen am rechten Murufer mit besonders hohem Migrantenanteil gestartet“, so Bürgermeister und Integrationsreferent Siegfried Nagl. Stadtschulamtsleiter Herbert Just weist darauf hin, dass der Status „mit Migrationshintergrund“ überbetont werde. Viel wesentlicher seien kulturelle und soziale Aspekte der Herkunft von Migranten sowie der Bildungsstand im Elternhaus.

Mit Sprachförderungen im Schulbereich und mit Sonderprojekten, wie einem im Jahr 2000 von der Stadt Graz gestarteten Projekt, werden Kindern noch vor dem Schuleintritt und schulbegleitend Basiskenntnisse der deutschen Sprache vermittelt. Experten plädieren für eine umfassende Reform der Ausbildung der Pädagogen – nur so ließen sich die besten Voraussetzungen für Schüler und Lehrer schaffen.

Gefälle zwischen Arm und Reich

Wolfgang Gulis, Geschäftsführer des Vereins „Zebra“, ein „interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum“, meint: „Es gibt im Grunde kein In- oder Ausländerproblem, sondern ein immer stärkeres Gefälle zwischen Arm und Reich. Hinzu kommen die steigende Entsolidarisierung der Gesellschaft und unzureichende politische Infrastrukturen.“ Integration sei ein langfristiger Prozess, nicht nur eine Frage der Schulpolitik. Sie betreffe auch Wohnen, Gesundheit und Arbeitsmarkt und verlange eine Entschärfung des Aufenthaltsrechts.

Willkommenshaus muss warten

Forderungen von Integrationsexperten nach einem langfristigen Gesamtkonzept, das auf Bedürfnisse von Migranten ausgerichtet ist, bleibt nach wie vor auf der To-do-Liste. Die Landeshauptstadt hat in den vergangenen Jahren versucht, den Status als Stadt der Menschenrechte zu betonen – etwa durch die Schaffung des interreligiösen Beirats, des Migrantenbeirats, des Menschenrechtsbeirats, des Integrationsreferats oder des Friedensbüros.

Wolfgang Gulis: „Um das Bewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich Integration zu sensibilisieren, bedarf es eines starken Umdenkens in den Köpfen der Bewohner und vor allem in der Politik. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass Österreich seit mehr als 40 Jahren ein Einwanderungsland ist.“

Weitere Integrationsmaßnahmen wie ein Willkommenshaus oder ein Willkommenspaket für Zuwanderer warten noch immer darauf, umgesetzt zu werden. (JIN YAN)


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