Jörg Matthes: „Angst als Mittel rechtspopulistischer Wahlwerbung“

VORTRAG
  • "Daham statt Islam"? Zu den Wirkungen rechtspopulistischer Werbung
  • Mo. 1. Juli 2013
  • 17:00 - 19:00 Uhr
  • Wo: Pernerstorfergasse 22/3
  • 1110 Wien

26.06.2013 | 9:00 | Amin Elfeshawi

Politische Parteien bedienen sich nicht selten von rassistisch und diskrimierenden Wahlwerbungen. Professor Jörg Matthes hat sich am Institut der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit den Auswirkungen der politischen Instrumentalisierung von Angst beschäftigt. Am 1. Juli hält er einen Vortrag zum Thema „Daham statt Islam“? Zu den Wir­kun­gen rechts­po­pu­lis­ti­scher Wer­bung“ im Verein der Ägyptisch-Österreichischen Jugend. Amin Elfeshawi hat mit ihm ein Gespräch geführt.

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Werbeforschung und der politischen Kommunikationsforschung. Inwiefern hebt sich die Wahlwerbung von rechtspopulistischen Parteien im Vergleich zu anderen ab?

Wir sehen sehr deutliche Muster wie rechtspopulistische Parteien versuchen Wählerinnen und Wähler zu gewinnen Eine wichtige Strategie ist natürlich eine Kampagnenführung gegen Ausländerinnen und Ausländer. Das beobachten wir in vielen europäischen Ländern. Hier wird mit Themen gearbeitet wie Kriminalität, Überfremdung, Kulturverlust und Werteverfall durch Ausländerinnen und Ausländer und es wird auf Angst, Unsicherheit oder Bedrohung gebaut. Die zweite große Strategie ist die nationale Identität. Das bedeutet, man appelliert an heimische Werte, an das Landestypische, an die Familie, an die Tradition, aber natürlich auch teilweise an die eigene christliche Kultur, wobei das von Land zu Land unterschiedlich ist. Hier werden die Wählerinnen und Wähler daran erinnert, wofür die Partei steht und welche Werte sie vertritt sowie auch daran dass das Grundwerte sind, die in unserer Gesellschaft fest verankert sein sollen. Populistische Parteien wollen die Wählerschaft gewinnen, das heißt, sie versuchen das Volk anzusprechen auf eine Art und Weise, wie es das Volk auch versteht. Da eignen sich abstrakte Debatten zu komplexen politischen Themen klarerweise weniger, weil das keine Ansprachen wären, die das Volk direkt verstehen würde. Als wichtiges Charakteristikum ist noch hinzuzufügen, dass, wenn wir uns populistische Parteien im europäischen Raum anschauen, oftmals mit charismatischen beziehungsweise wichtigen Führungspersonen gearbeitet wirdIn Österreich ist es H.C. Strache, Jörg Haider ist natürlich ein großer Begriff in diesem Kontext.

Laut dem Ergebnis Ihrer Studie führt die Instrumentalisierung von Angst zu Wahlerfolgen.  Welche Prozesse stecken hier dahinter?

Wir wissen aus der psychologischen Forschung, dass es im Grunde zwei Entscheidungswege gibt. Der eine Entscheidungsweg ist ein rational-nüchterner, bei dem wir wohlüberlegt nachdenken, was das Beste für uns ist. Der andere Entscheidungsweg basiert auf unseren Emotionen. Das sind emotionale Handlungen beziehungsweise Impulse, denen wir folgen. Angst in der politischen Werbung zielt ganz klar auf den emotionalen Entscheidungsweg. Das besondere bei Angst in politischen Kampagnen ist, dass wir dadurch diesen rationalen Entscheidungsweg ausschalten können. Das kann jeder von uns nachvollziehen, wenn man sich an Situationen erinnert, wo wir mal emotional reagiert haben. Da sagen wir im Nachhinein oft „naja, so habe ich es gar nicht gemeint“.. Und ganz genau sind Kennzeichen von Emotionen. Diese können also unsere rationalen sachlichen Überlegung ausschalten. Wir finden in unserer Forschung, dass Angst in der Wahlwerbung dazu führt, dass sogar die klassischen Prädispositionen der Wählerinnen und Wähler dadurch weniger an Gewicht bekommen. Normalerweise ist es nämlich so, dass Menschen so wählen, abstimmen und sich äußern, wie es ihren Prädispositionen, das heißt ihren Voreinstellungen entspricht. Angst führt dazu, dass diese Prädispositionen weniger stark berücksichtiget werden. Wir finden in unseren Studien, dass selbst Personen, die eigentlich nicht die rechtspopulistischen Parteien wählen würden, trotzdem durch die Werbung angesprochen werden. So etwas kann nur Angst. Wenn ich es schaffe, bei den Bürgerinnen und Bürgern Angst vor Ausländern zu generieren, ist es egal, ob die Person ein SPÖ-Wähler ist oder eine andere Partei präferiert. Das wird in diesem Moment ausgeschaltet. Deswegen ist Angst ein wichtiger Mechanismus, obwohl man einschränkend sagen muss, dass die Wahlwerbung, die mit Angst arbeitet, stärker und besser funktioniert bei Menschen mit einem niedrigeren Bildungsgrad im Vergleich zu Menschen mit einem höheren Bildungsgrad. Aber selbst bei Menschen mit niedrigerer Bildung ist es so, dass Angst es schafft, die Parteivoreinstellung auszuhebeln. Kurz gesagt: Es können auch Menschen erreicht werden, die die Partei normalerweise gar nicht wählen würden. Das ist das Besondere daran und deswegen ist die Werbung auch so wirkungsvoll.

Gibt es Strategien um rassistischen und diskriminierenden Wahlkampagnen entgegenwirken zu können?

Ja, ganz wichtig ist hier der Qualitätsjournalismus. Das inkludiert natürlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einer ausgewogenen Berichterstattung. Werbung ist nur ein Element in der Kampagnenführung, mit der die Bürgerinnen und Bürger konfrontiert werden. Die anderen Elemente sind natürlich genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Damit ist wie gesagt insbesondere der Qualitätsjournalismus gemeint, der dafür sorgen soll, dass die Bürgerinnen und Bürger mit qualitativ hochwertigen journalistischen Angeboten in Berührung kommen. Auf diese Weise können die durch Angst geschürten Effekte wieder ausgehebelt werden. Zusätzlich spielt die interpersonelle Kommunikation, also Gespräche mit Freunden, Bekannten und Kollegen, eine wichtige Rolle. Wir wissen, dass die Gespräche mit anderen Personen in meinem Umfeld ganz wichtig sind, um auch solche Effekte, die auf Angstwerbung zurückzuführen sind, einzudämmen. Wenn wir nur die Werbung hätten und keine anderen Informationsquellen, dann wären diskriminierende Wahlkampagnen  logischerweise problematischer. Dem ist aber nicht so.

Ist eine Tendenz zu erkennen, dass nicht nur populistische Parteien sich diesem emotionalen Wahlkampagnenstil bedienen?

Hier muss man unterscheiden zwischen dem europäischen Raum und den USA. In den USA wird bei den großen Parteien sehr viel mit Emotionen gearbeitet. Das sind Emotionen wie Angst, aber insbesondere fällt auch Enthusiasmus mit hinein. In den amerikanischen Wahlkämpfen wird sich sehr stark diesen beiden Emotionen bedient. In Europa sehen wir das eher sehr zögerlich bei den großen klassischen Parteien. Man muss aber hinzufügen, dass das Setzen auf emotionale Strategien bei den klassischen großen europäischen Parteien zurzeit nicht so stark ausgeprägt ist, wie bei den Parteien, die man gemeinhin als populistisch bezeichnen würde. ‚Populistisch‘ meint ja auch, dass man das Volk für sich gewinnen will, in dem man die Ängste anspricht und einfache Lösungen anbietet. Daher kann man auch nur auf einfache Strategien setzen, was ja letztlich Emotionen sind.

Hat rassistische beziehungsweise diskriminierende Wahlwerbung weitere Effekte auf die Einstellung von Menschen?

Was wir zur Zeit an der Universität Wien untersuchen sind sogenannte ‚implizite‘ Einstellungen. Man unterscheidet in der psychologischen Forschung zwischen impliziten und expliziten Einstellungen. Explizite Entscheidungen, sind welche, die ich bewusst äußere. Darunter fällt beispielsweise die Aussage „ich finde, es gibt zu viele Ausländer in Österreich“.  Man sieht jedoch in Umfragen, dass der Anteil an Zustimmung zu solchen Aussagen immer mehr zurück geht.. Das bedeutet: Menschen beginnen immer mehr ihre explizite Ablehnung gegenüber Ausländern zu korrigieren bzw. nicht offen zu äußern. Das heißt:Man hat zwar eine negative Einstellung gegenüber Ausländern, man würde es aber nicht mehr offen sagen. In der Folge nimmt der Anteil an expliziter Ausländerfeindlichkeit sogar ab. Das heißt aber nicht, dass die negative Haltung gegenüber Ausländer insgesamt abnimmt, sondern nur das Bewusstsein herrscht, dass man so etwas nicht offen sagen kann, weil es sozial nicht erwünscht ist. Nun gibt es aber auch die impliziten Einstellungen. Das sind spontane Bauchreaktionen, die Menschen haben, und die in der Regel nicht kontrolliert und korrigiert werden können. Wenn Sie beispielsweise in die Straßenbahneinsteigen, neben wen setzen Sie sich: Neben einen Ausländer bzw. Ausländerin oder neben die ältere  Dame aus Wien? Dies sind spontane Impulse, denen Menschen folgen, ohne lange nachzudenken. Und solche Impulse kann man durch Testverfahren sehr gut messen.  Wir finden nämlich in unseren Studien, dass die politische Werbung diese spontanen Bauchreaktionen beeinflussen kann. Das heißt, ich sehe stereotyp oder negativ dargestellte Ausländer in der politischen Werbung und das führt zu einem negativen Bauchgefühl gegenüber Ausländern.


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