Juden kämpfen gegen das Vergessen

18.01.2012 | 10:17 | Ida Labudovic

Jüdische Initiativen unterstützen die Aktionswoche „Jetzt Zeichen setzen“, unter anderem mit Friedhofsführungen und einer Lesung zur Wannsee-Konferenz.

Wien. „Meine Familie wurde erstmals im Jahr 1670 aus Wien vertrieben“, sagt Victor Wagner, Präsident der B’nai B’rith Zwi Perez Chajes Loge. Die Hilfs- und Wohltätigkeitsorganisation, die in Wien seit mehr als 50 Jahren aktiv ist, unterstützt heuer neben anderen jüdischen Organisationen und Jugendverbänden die Gedenk und Aktionswoche „Jetzt Zeichen setzen“ .

„Unsere Message dazu ist, dass man nie vergessen darf, was hier passiert ist. Und Leute, die mit Antisemitismus und Rassenhass sympathisieren, dürfen in einer zivilisierten Gesellschaft keine Position haben.“ Regelmäßig veranstaltet die Loge B’nai B’rith einen interkonfessionellen Dialog in ihren Räumlichkeiten in der Taubstummengasse im vierten Wiener Gemeindebezirk. Damit sollen Vorurteile abgebaut und Missverständnisse aufgeklärt werden. „Oft sind Meinungen und Vorurteile wegen Fehlinterpretationen entstanden“, meint Wagner. Er glaubt, dass der Antisemitismus in Österreich zwar prozentuell zurückgegangen sei, dennoch sei er immer noch stark ausgeprägt. „Im Allgemeinen sind die Berührungsängste der Österreichischen Bevölkerung gegenüber den Juden größer als in vielen anderen Ländern. Der Hauptgrund dafür erklärt sich aus der Vergangenheit.“

Friedhofsführung und Lesung

Aufklärend sollen auch zwei Führungen durch den Jüdischen Friedhof Währing wirken, die im Rahmen der Aktionswoche durchgeführt werden. „Es ist interessant zu sehen, dass der Jüdische Friedhof eine ganz andere Struktur hat, aber auch welche Personen auf den Friedhöfen begraben sind: wie zum Beispiel die Familie Epstein, die das Palais Epstein in Wien hinterlassen hat“, meint Organisator Nikolaus Kunrath.

Eine weitere spannende Veranstaltung dürfte die Lesung „Geheime Reichssache“ werden – genau 70 Jahre nach der Wannsee- Konferenz wird über die „Endlösung der Judenfrage“ aus Originaldokumenten und dem Protokoll dieser Konferenz gelesen. Am 20.Jänner 1942 hatten sich auf Einladung des SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich 15 hochrangige Vertreter des NS-Regimes in einer Villa am Wannsee zum Arbeitsfrühstück getroffen, um die Vernichtung der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas zu organisieren. In weniger als zwei Stunden war der Völkermord an den Juden beschlossen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.01.2012)


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