Jugendliche Migranten nicht nur Opfer oder Täter

  • Tipp: „Verkehrte Bilder“ von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, Di., 29.4, 9.30 - 16 Uhr. wienXtra-Institut für Freizeitpädagogik, Albertgasse 35/II, 1080 Wien

23.04.2008 | 19:30 | Ewa Dziedzic

Bei einer Tagung wird die Rolle junger Menschen mit Migrationshintergrund debattiert und nach Lösungen gesucht, wie die „verkehrten Bilder“ der zweiten und dritten Generation verändert werden können.

WIEN. „Jugendliche aus Migrantenfamilien werden entweder als hilfsbedürftige Opfer oder gewaltbereite Täter definiert. Dazwischen wird ihnen keine Normalität zugesprochen“, sagt Bülent Öztoplu, langjähriger Leiter des Integrationsvereins Echo. Meist seien Jugendliche mit Migrationshintergrund bereits ein Problem, wenn sie erwähnt werden, zum anderen ein Problem, weil sie erwähnt werden.

Bereits bei den Kindern fängt es an: Besuchen sie Ballettstunden, sind sie gut integriert. Haben sie eine Leseschwäche, sind sie an den schlechten Ergebnissen der Pisa-Studie schuld. „Migranten-Kinder stehen oft im Mittelpunkt, wenn es um Zuschreibungen geht“, meint Öztoplu. Tatsächlich reißen die Diskussionen um Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht ab: Die Debatten reichen von „Al-Qaida-infizierten“ über „anpassungs-unwilligen“ bis hin zu „kleinkriminellen“ Jugendbanden. Alles nur populistische Schwarz-Weiß-Malerei?

Problem: Soziale Hürden

Ob und wie sehr diese Bilder einen Realitätsgehalt beanspruchen, soll die Tagung „Verkehrte Bilder“ am 29. April klären. Bülent Öztoplu ist einer der Referenten, die über „Aktuelles aus der Forschung und Kontroversielles aus der Praxis“ debattieren werden. Am Podium sitzen werden neben ihm unter anderem die Migrationsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger und der Religionssoziologe Mouhanad Khorchide.

Diskutiert werden Zukunftsaussichten und Werte der Jugendlichen: Universelle Werte wie Menschen- und Minderheitenrechte sollen Jugendlichen nicht nur vermittelt werden, sondern auch ihr Demokratieverständnis stärken. Öztoplu: „Wir brauchen keine Kollektive und konstruierte Negativ-Bilder. Was Jugendliche brauchen, sind individuelle Vorbilder.“

Wie kommt es zu diesen Bildern? Aus Studien geht hervor: Die Trennlinien der Gesellschaft verlaufen nicht entlang kultureller, sondern entlang sozialer Grenzen. So entscheidet über sozialen Ab- oder Aufstieg oft nicht der Migrationshintergrund, sondern die soziale Herkunft.

Was wäre ein Ausweg? Ausbrechen aus den sozialen Schichten, meint Öztoplu. Das heißt etwa, auch andere Berufe ergreifen als die Eltern. Und was brauchen Jugendliche: Ein „Eingebettet-Sein“ in eine Kultur, soziale Netzwerke und das Gefühl der Anerkennung. Und nicht zuletzt: Auch die Gesamtgesellschaft muss Bereitschaft zeigen, um Integration erst einmal zu ermöglichen.

(Ewa Agatha Dziedzic, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 23.04.2008)


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