Leben ohne Pass: Die Staatsbürger von nirgendwo

07.12.2010 | 8:09 | Mona Parun

Allein in Österreich leben fast 3000 Menschen ohne Staatszugehörigkeit. Für die Staatenlosen gibt es eine Menge Probleme. Laut UNHCR gibt es weltweit 12 Millionen Menschen, die dieses Schicksal teilen.

Das kann nicht sein, wir sind doch in Österreich, du kannst eingebürgert werden.“ Das hat Dragan Komljenovic schon oft gehört. Der 42-Jährige ist weder kriminell, noch hat er ein Problem mit der deutschen Sprache. Dass er bis heute nicht eingebürgert wurde, liegt nicht an ihm. Seit 33 Jahren lebt er in Österreich – zwölf davon als Staatenloser.

Staatenlosigkeit kann unter anderem durch willkürliche Entziehung, widersprüchliche Gesetze, Scheidung oder Verzicht zustande kommen. Bei Komljenovic war es eine Staatsauflösung: Jugoslawien existiert nicht mehr, weder Kroatien noch Serbien wollte ihn als Staatsbürger anerkennen. Und auch Österreich zeigte wenig Interesse, ihn zum Staatsbürger zu machen.

„Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit“, heißt es in der Erklärung der Menschenrechte. Theoretisch, praktisch gibt es nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR weltweit zwölf Millionen staatenlose Menschen. In Österreich sind es 2008 nach Angaben der Statistik Austria 2851 Personen gewesen.

„Das ist eine geringe Zahl, wenn man sie mit der Zahl der Flüchtlinge vergleicht“, sagt Roland Schönbauer, geschäftsführender Leiter des UNHCR-Büros in Österreich. Wie viele Staatenlose es tatsächlich gibt, ist nicht bekannt, denn „ein Verfahren zur Feststellung von Staatenlosigkeit fehlt“.

Ein Staatenloser ist aber nicht unbedingt ein Illegaler, trotzdem „werden zirka 99 Prozent in die Illegalität gedrängt“, sagt Peter Marhold, Obmann von „helping hands“, einem Koordinationsbüro für integrative Projekte. Pro Jahr werden dort 20 bis 40 staatenlose Mandanten betreut. Meistens „haben sie keinen Status, also auch keine Dokumente“, erzählt Marhold. Keinen Ausweis, keine Krankenversicherung und keinen Anspruch auf Rente. „Das kann über Jahre so gehen“, meint er.

Keine Chance am Arbeitsmarkt

Werden diese Menschen aufgegriffen, kommen sie in Schubhaft. Aber abschieben kann man sie nicht – weil es keinen Staat gibt, dessen Bürger sie sind. Nach dieser Feststellung dürfen sie die Schubhaft wieder verlassen. Raus in die unsichere Rechtssituation.

„Illegalität kann ich mir nicht leisten“, sagt Komljenovic, „dann hätte ich gar keine Chance mehr, eine Staatsbürgerschaft zu bekommen.“ Er hat noch Glück im Unglück gehabt. Zuerst bekam der Exjugoslawe eine befristete Aufenthaltsbewilligung und konnte legal arbeiten. Mit der Novelle des Fremdengesetzes von 2006 gingen die Probleme los. Die Niederlassungsbewilligung bekommt Komljenovic nun für ein Jahr und darf nur arbeiten, wenn eine Firma für ihn eine Arbeitsbewilligung bekommt. Doch kaum ein Arbeitgeber will einen Staatenlosen anstellen, der jährlich seine Niederlassungsbewilligung und Arbeitsbewilligung erneuern muss.

Da er deswegen auf Kosten des Staates leben muss, sind seine Einkünfte zu gering, um eingebürgert werden zu können. 120Euro fehlen. Denn wer zu wenig verdient, wird nicht eingebürgert.

Zwar hat Österreich bereits das Übereinkommen zur Rechtsstellung der Staatenlosen unterzeichnet, doch bis heute fehlt noch die Umsetzung in österreichischen Gesetzen. Immerhin, es kommt laufend zu Einbürgerungen: 2008 wurden 41Staatenlose eingebürgert, 2007 waren es 31.

Dragan Komljenovic hat mittlerweile einen Fremdenpass bekommen, der als Reisedokument gilt. Warum es mit dem richtigen österreichischen Pass nicht und nicht klappt, kann er sich nicht erklären. Er ist hier aufgewachsen, seit er neun Jahre alt war, hier auch zur Schule gegangen – und nichts wünscht er sich mehr, als endlich auch formal ein Österreicher zu sein. (MONA PARUN)


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