Leitbilder: Kein „Fairplay“ bei der Integration

08.04.2009 | 16:02 | Ania Haar

Zusammenleben von Menschen braucht Regeln wie im Sport. Solche Regelwerke wurden in Form von Integrations-Leitbildern entwickelt – wenn auch mit einigen Schwächen.

Für das Zusammenleben von Migranten und alteingesessenen Österreichern braucht es Regeln – so wie im Sport. Doch im Gegensatz zu niedergeschriebenen Regeln, etwa im Fußball, herrscht beim Thema Integration noch eine gewisse Leere. Um diese zu füllen, wurde vor einigen Jahren mit dem Erarbeiten von Regelwerken begonnen – in Form von Integrationsleitbildern.

Aber was ist ein Integrationsleitbild? Vereinfacht gesagt, ein Konzept für die Integration von Migranten. Ob nun für Dornbirn (s. Artikel rechts), Niederösterreich oder das ganze Land. Österreich ist ein Einwanderungsland geworden. Das alte Rotationsmodell – Zuwanderer kommen, um zu arbeiten, und gehen wieder ins Heimatland – ist überholt. Dementsprechend müssen sämtliche Regeln auf diese Situation ausgerichtet und angepasst werden.

„Verständnis fehlt“

„Das Verständnis für Integration fehlt“, sagt Barbara Liegl, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte, denn sie werde nur als eine Aufgabe für die Zugewanderten gesehen „und nicht als eine gesamtgesellschaftliche“. Vergleichen wir das mit dem Fußball: Die eine Mannschaft soll spielen, die andere schaut nur zu und bestimmt die Spielregeln. Das ist kein Fairplay, weil beide Seite handeln müssen: sowohl Migranten als auch Aufnahmegesellschaft.

Die von Innenministerin Maria Fekter Ende März vorgestellten Leitlinien zum „Nationalen Aktionsplan für Integration“ (ein Leitbild auf nationaler Ebene) werden von Experten auch als einseitig betrachtet. Das Recht auf Nichtdiskriminierung spiele etwa überhaupt keine Rolle. Allein die Zuständigkeit des Innenministeriums vermittelt, so Liegl, den Eindruck, als ob „Integration eine Frage der nationalen Sicherheit wäre“. Und damit zurück zum Fußball. Nicht mehr die Uefa bestimmt die Spielregeln, sondern das Ministerium.

Aber es ist nicht nur die Einseitigkeit der Schiedsrichter, die über Integration zu entscheiden haben. „Die Integrationsdebatte ist zu sehr auf die Defizite der Migranten ausgerichtet, nicht auf die Potenziale, die sie mitbringen“, sagt Franz Steiner, Project Manager des Interkulturellen Zentrums in Wien. Wenn über Integration diskutiert wird, sei der Fokus immer auf die Migranten gerichtet. „Was fehlt, ist eine breit geführte öffentliche Diskussion, die alle Integrationsaspekte einschließt“. Sie dürfe nicht bei der Forderung nach Sprachkursen stecken bleiben.

Armut betrifft auch andere

Ein Defizit von Integrationsleitbildern: Es werden nur Maßnahmen für Zuwanderer entwickelt, wie etwa bei der Armutsproblematik – doch betrifft dieses Thema nicht ausschließlich Migranten, schließlich gibt es auch in der österreichischen Bevölkerung viele Benachteiligte. Und die fühlen sich dann doppelt zurückgesetzt. Das führt wiederum zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft.

In einer Umfrage des Instituts für Konfliktforschung haben 248 befragte Gemeinden die Integration als gelungen eingestuft. Wenn es aber um einzelne Aspekte geht, wie den Arbeits- oder Wohnungsmarkt, fällt die Bewertung der Integration doch wesentlich schlechter aus.

Warum gelingt die Umsetzung von Integrationsleitbildern oft nicht? Dafür gibt es sicherlich viele Ursachen. „Eine davon ist politischer Natur“, meint Franz Steiner. „Es gibt bestimmte Ängste und Vorbehalte in den politischen Parteien, das Thema offen zu diskutieren, weil damit die Wählerstimmen verloren gehen könnten.“

Es ist aber nicht so, dass die Integrationsleitbilder sich nicht umsetzen ließen. In ländlichen Räumen scheint es besser zu laufen, aber der „Prozess geht nicht von heute auf morgen und auch nicht auf Knopfdruck“, sagt Luis Fiedlschuster von der ÖAR-Regionalberatung. Das Entscheidende ist jedoch, dass das Bewusstsein für die Integration sich entwickelt und die Menschen damit Gutes verbinden, „dass die Integration bessere Lebensqualität bringt und man sich über die Zugewanderten nicht ärgert, sondern es schätzt, in Vielfalt zu leben und zu denken“, so Fiedlschuster.

Alle müssen mitgestalten

Vom Ziel sind wir aber noch weit entfernt. Integrationsleitbilder sind gute Wegweiser, wenn sie Integration als ein Mannschaftsspiel verstehen, um am Ende ein gutes Spiel zu führen. Sie dürfen jedoch keine theoretischen Konstrukte sein, die Anpassung fordern – und auch „nicht bei der Entwicklung und Fertigstellung zu Ende sein“, betont Liegl, sondern im Prozess von allen Beteiligten mitgestaltet werden. (ANIA HAAR)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 08.04.2009


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