Migranten: Wie neue Arbeitsplätze entstehen

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04.03.2009 | 19:20 | Yordanka Hristozova-Weiss

Staatliche Hilfe für den Integrations-Fonds, kein Geld mehr für Vernetzungs-Verein. Der neue Obmann Damien Agbogbe und sein Team bezeichnen den Geldentzug als „brutale Entscheidung“.

WIEN. Integration kann schon im Internet beginnen: In sieben Sprachen ist die neu gelaunchte Homepage des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) seit Kurzem aufrufbar. Neu ist das erweiterte Leistungsprofil mit praktischen Service-Features auf Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Serbisch, Türkisch und Farsi.

„Mit dem Asylbescheid werden auch Informationen über den ÖIF übermittelt. Wir bieten Hilfestellung im Bereich Sprache, Beruf und Integrationsbetreuung“, so Ursula Schallaböck, Sprecherin des Fonds. Das Ziel: erste Anlaufstelle für eine gute Startposition im sozialen Wettbewerb zu sein. Drei Gruppen liegen im Fokus des ÖIF: Asylberechtigte, Migranten und schließlich auch die österreichische Bevölkerung.

In Wohnhäusern haben die Sozialarbeiter täglich mit Sprachbarrieren zu kämpfen. Immerhin kommen die 3658 Menschen, die 2008 betreut worden sind, aus 52 Staaten. Von durchschlagendem Erfolg erweist sich das Tschetschenisch-Deutsch-Wörterbuch, das zunächst in einer Auflage von 2500 Stück gedruckt worden ist.

Eines der Kernthemen ist der Job (siehe auch unten stehendes Interview mit ÖIF-Chef Janda) und die damit verbundenen Fragen. Ein ÖIF-Jobcenter passt die Arbeitssuche individuell den konkreten Situationen der Menschen an.

Das Startcoaching von neu Zugewanderten schafft neue Arbeitsplätze in Österreich. Viele werden in die Branchen Logistik und Verpackung, Hotel und Gastronomie vermittelt, vergleichsweise gut sind auch die Chancen, als Bauarbeiter oder Reinigungskraft arbeiten zu können.

Der ÖIF ist auch für die Umsetzung der Integrationsvereinbarung (IV) mitverantwortlich. Laut Gesetzgeber gilt die IV als erfüllt, wenn der Migrant alphabetisiert ist und gute Deutschkenntnisse nachweisen kann. Reicht dies aber für den Alltag? Wie wird Integration gemessen? „Es werden mehrere Aspekte berücksichtigt: Jobsituation, Sprachkenntnisse, Bildung und Gesundheit“, erläutert Schallaböck.

Der Integrationsfonds ist 1960 gegründet worden – noch ganz unter dem Eindruck der Welle von Flüchtlingen, die 1956 Ungarn verlassen haben, nachdem die Truppen des Warschauer Pakts in Österreichs Nachbarland einmarschiert waren. Trotz der langen Geschichte dieser Einrichtung ist eine Zielgruppe für die ÖIF-Mitarbeiter jüngeren Datums: Erst seit zwei Jahren versucht der ÖIF auch die Österreicher zu erreichen, um deren Bild von Migration und den Problemen der Zuwanderer mitzugestalten.

Viel jünger ist die Wiener Integrationskonferenz (WIK), die 2004 von der Stadt Wien ins Leben gerufen worden ist. Das WIK definiert sich als Vernetzungsbüro von in Österreich lebenden Migranten und deren Organisationen. 2008 gab es noch 280 Mitgliedsvereine – etwa ein Drittel der Vereine von Migranten, die es allein in Wien gibt. Damals subventionierte die Stadt Wien das WIK noch mit 190.000 Euro.

Im neuen Jahr stellt sich die Situation nun gänzlich anders dar: Türkische, serbische und lateinamerikanische Vereine sind ausgetreten – insgesamt mehr als 100. Die Förderung durch den Magistrat wurde gestrichen. Der Entzug der öffentlichen Mittel wird mit der internen Zerstrittenheit der Integrationskonferenz in Verbindung gebracht.

Ungewisse Finanzierung

Der Machtkampf im Vorstand ist nach der Generalversammlung am 25. Oktober 2008 entbrannt. Der neue Obmann Damien Agbogbe und sein Team bezeichnen den Geldentzug als „brutale Entscheidung“. Sie haben nicht vor, den Verein aufzulösen. Die Finanzierung für das Jahr 2009 liegt noch „in den Sternen“, die Integrationskonferenz fühlt sich aber den 170 verbliebenen Vereinen verpflichtet. „Wir sind in Kontakt mit neuen Geldgebern und wollen weiterhin die Funktion als Sprachrohr für Themen von Migranten wahrnehmen“, so Tülay Tuncel.

Ob das WIK-Vernetzungsbüro allerdings auch weiterhin als Interessenvertretung der Migranten gegenüber der Politik auftritt, muss fraglich bleiben. SPÖ, ÖVP und die Grünen ließen Ende 2008 in einer gemeinsamen Erklärung wissen, dass „zum heutigen Zeitpunkt die Repräsentativität bedauerlicherweise nicht mehr gegeben“ sei und „eine Reihe von strittigen Fragen beim Schiedsgericht anhängig“ seien.

Die Politik wünscht sich eine Zusammenarbeit mit Experten und NGOs, um sinnvolle und repräsentative Strukturen auszuarbeiten, die sich dann nachhaltig bewähren. (YORDANKA HRISTOZOVA-WEISS)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 04.03.2009


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