MigrantInnen in politischen Parteien:Keine Strategien

AUF EINEN BLICK
  • Bei der Nationalratswahl im vergangenen September sind800.000 Österreicher mit Migrationshintergrund wahlberechtigt gewesen. Schätzungen der Statistik Austria zufolge haben jedoch etwa 1,3 Millionen Menschen, die hier leben, ihre Wurzeln im Ausland. Teilweise werden diese Leute von den Parteien als potenzielle Wähler bereits jetzt umworben. Es gibt auch grundsätzliche Erklärungen der meisten Parteien, dass diese Gruppe von Österreichern verstärkt in der Politik aktiv werden soll. Bisher trifft dies allerdings nur in sehr eingeschränktem Maße zu.

05.11.2008 | 15:28 | Yordanka Hristozova-Weiss

Parteien bekennen sich zu Migranten in den Reihen der Abgeordneten. Eine konkrete Strategie ist allerdings nicht erkennbar – eine Spurensuche in der politischen Landschaft.

Wien. Ein Ende der Koalitionsverhandlungen von SP und VP ist noch nicht absehbar, doch scheint sicher, dass ein Thema im Regierungsprogramm große Bedeutung gewinnen wird: die Integrationspolitik.

Noch sind die Plakate der Parteien nicht aus dem Stadtbild verschwunden, in denen um Stimmen für die Wahl am 28. September geworben worden ist – und doch laufen insgeheim bereits die Vorbereitungen für den nächsten Wahlkampf. In Wien plakatiert dies die SPÖ auch ganz offen: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“

In Wien ist auch erst vor kurzem ein – zumindest in Österreich – einzigartiger Schritt in der Integrationspolitik gesetzt worden: Zuwanderer werden unmittelbar bei Erhalt ihrer Aufenthaltsbewilligung über Rechte und Pflichten informiert – und sie bekommen Unterstützung, etwa für Sprachkurse.

Ob ein derartiges Paket auch im Nationalrat beschlossen wird, bleibt vorerst noch ungewiss. Im Vorfeld ist bereits mehrmals angedeutet worden, dass die einschlägigen Rechtsmaterien novelliert werden sollen. Einigkeit besteht darin, dass die Asylverfahren schneller abgewickelt werden sollen. Helmut Epp, Mitarbeiter des VP-Parlamentsklubs und für Inneres zuständig, dem auch Migrationsthemen zugeordnet sind, will sich nicht so recht in die Karten blicken lassen: Die Verhandlungen über Asyl und Integration seien im Fluss, meint er.

Epp geht jedenfalls nicht so weit, wie die (aus der Türkei stammende) Integrationssprecherin der Wiener VP, Sirvan Ekici. Sie tritt dafür ein, dass Integration ressortübergreifend koordiniert wird – etwa durch ein Staatssekretariat im Bundeskanzleramt. Dazu gibt es kaum klar ausformulierte Meinungen, lediglich Peter Westenthaler (BZÖ) sagt dazu: „Verwaltungsabläufe werden dadurch komplizierter“, weshalb er eine derartige Änderung ablehnt. Vorstellbar ist für ihn allerdings, das Integrationsthema dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers zuzuordnen.

„Keine Frage der Hautfarbe“

Vertreter aller Parteien behaupten jedenfalls, die Menschen, ob als Wähler oder Mitglieder, nicht nach ihrer Herkunft einzuordnen. Sind diese Parteien aber bereit, einen Abgeordneten etwa afrikanischer Abstammung in den Nationalrat zu entsenden? VP-Mann Epp: „Dies ist keine Frage der Hautfarbe, sondern des politischen Engagements. Obama ist auch in der Politik groß geworden. Ja, sicher, kann ich mir grundsätzlich vorstellen. Wann es so weit sein wird, kann ich jedoch nicht sagen.“

Erste schüchterne Anfänge sind bereits zu beobachten: Mittlerweile hat sich der Verein der „Konservativen Migranten“ konstituiert, die als VP-nahe gilt. Allerdings gibt es – derzeit – keine direkte Verbindung mit der ÖVP – und damit auch keinen direkten Weg für Neo-österreicher in die Politik einer arrivierten Partei.

Es gibt zwar kaum Organisationen, die in den unterschiedlichen Migrantencommunitys die politische Parteienlandschaft Österreichs mehr oder weniger nachbilden – aber es hat gerade heuer Versuche gegeben, diesen Kreis als Wähler verstärkt anzusprechen.

Damit erfolgreich war vor allem die FPÖ. Gezielt wurden eingebürgerte Serben angesprochen – was sich auch im Wahlergebnis niederschlug. Das BZÖ, das im gleichen politischen Bereich agiert, hält von diesem Zugang allerdings nichts. Es sei besser, heißt es, die Leute über bestimmte soziale und ökonomische Problemstellungen anzusprechen. Und es sollen Bereiche sein, die entscheidend sind für Erfolg oder Misserfolg einer Integration.

Wie ist Integration messbar?

Wie dies allerdings konkret messbar und objektiv nachvollziehbar dargestellt werden kann, ist noch nicht geklärt. Dafür gibt es derzeit noch keine allgemein gültigen Parameter. Unstrittig ist lediglich, dass einerseits ein klares Bekenntnis von Zuwanderern bestehen muss, die Grundwerte von Staat und Gesellschaft anzuerkennen; andererseits bedarf Integration auch eines Umfeldes, das Diversität zulässt.

Alev Korun, neu im Nationalrat und die einzige Abgeordnete, die außerhalb Österreichs geboren worden ist, schlägt vor, die Integration am Ausmaß der Chancengleichheit zu messen: „Wie viele Migranten schaffen den sozialen Aufstieg und studieren? Wie geht die aufnehmende Gesellschaft mit Migration um – angstbesetzt oder offener?“

Ärztin, die nicht arbeiten darf

Die Grüne Politikerin fordert „eine sofortige Verbesserung der Nostrifizierungen und berufsspezifischen Sprachangebote. Notwendig sind gesetzliche Verbesserungen. Ein Beispiel: Warum darf eine russische Fachärztin und Gattin eines Österreichers hier nicht als Ärztin arbeiten?“

Insgesamt gibt es außer dem Bekenntnis der Parteien, die sagen, mehr Migranten in ihren Reihen aufnehmen zu wollen, vor allem den Willen der Betroffenen selbst, stärker mitmischen zu wollen. Einen Mosaikstein dazu haben die Grünen in der Bezirksvertretung von Favoriten gelegt. In der Politik des 10.Wiener Gemeindebezirks will Ilunga Kabedi verstärkt mitreden. Sie ist die erste Bezirksrätin, die aus Afrika stammt.

YORDANKA HRISTOZOVA-WEISS, Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.11.2008


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