Wahlen: Für 40 Prozent war Migration Wahlmotiv

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AUF EINEN BLICK
  • Das Thema „Ausländer“ schwang im Wahlkampf vor der Nationalratswahl implizit immer mit, auch wenn es im Vordergrund vor allem um Themen wie Wirtschaft und Teuerung ging.
  • Wähler rechter Parteien wie FPÖ und BZÖ finden sich aber auch unter Migranten – unter anderem, weil bereits Etablierte Neo- Österreicher sich durch neue Zuwanderer bedroht fühlen.

01.10.2008 | 10:18 | Clara Akinyosoye und Nasila Berangy

Der Ausländer-wahlkampf war diesmal weniger offensiv als bei früheren Wahlgängen. Neben Unzufriedenheit mit der Regierung und der Wirtschaftslage spielte Fremdenfeindlichkeit dennoch eine Rolle.

Wahlkämpfe gehen immer auf Kosten von Migranten, beklagen die Betroffenen häufig. Auch, wenn der vergangene Wahlkampf vor allem von der Teuerung geprägt war. Doch das sogenannte „Ausländerthema“ sei auch bei allen anderen Themen immer mitgeschwommen, sagt Politologe Peter Filzmaier: „Die FPÖ hat jedes Thema auf Migranten zurückgeführt, wie etwa die Sozialversicherungen.“ Da gehe es eigentlich um das Gesundheitssystem, doch die FPÖ habe dieses Thema genutzt, um eine Unterscheidung zwischen In- und Ausländern vorzunehmen.

Laut Filzmaier war das Thema Zuwanderung jedenfalls immer präsent – und zwar nicht mehr und nicht weniger als in den vergangenen Wahlkämpfen. Es seien lediglich unterschiedliche Wortvariationen zum Einsatz gekommen, die aber im Endeffekt auf dasselbe angespielt haben, nämlich eine Trennung zwischen Österreichern und Nicht-Österreichern: 1999 hat die FPÖ ihren Spitzenkandidaten Thomas Prinzhorn und Parteivorsitzenden Jörg Haider als „Zwei echte Österreicher“ plakatiert, 2006 folgte „Daham statt Islam“. Ein Spruch, der 2008 wieder verwendet wurde. Gleichzeitig plakatierte die FPÖ auch „Unser Land für unsere Kinder“ und das BZÖ „Deinetwegen. Österreich“.

Sanfter Strache

Und dennoch, so der Politologe, müsse man differenzieren. Denn nur für knapp 40 Prozent der Wähler sei die Zuwanderung überhaupt ein Thema gewesen. Ein Thema allerdings, das für die Wähler der FPÖ sehr wohl wichtig war: „Für über 70 Prozent der FP-Wähler“, so Filzmaier, „war das Thema ausschlaggebend.“

An vorderster Front war bei den Freiheitlichen dennoch Zurückhaltung angesagt – zumindest bei Parteiobmann Heinz-Christian Strache, wie Filzmaier meint. Die klassischen ausländerfeindlichen Sager kamen eher aus der zweiten Reihe, so etwa vom oberösterreichischen FP-Spitzenkandidaten Lutz Weinzinger: „Jede blonde, blauäugige Frau, das heißt, jede Frau mit deutscher Muttersprache, braucht drei Kinder, weil sonst holen uns die Türkinnen ein.“ Diese Aussage, so Filzmaier, sei klar diskriminierend gewesen.

Doch den Stimmenzuwachs der Rechten nur mit Ausländerfeindlichkeit zu begründen, greife zu kurz. Dass FPÖ und BZÖ gemeinsam knapp 30 Prozent der Stimmen bekommen haben, liege daran, dass „in Zeiten, wo Menschen unzufrieden sind, Schuldige gesucht werden. Im Zweifelsfall sind es Migranten.“ Eine allgemeine Proteststimmung und die Regierungsverdrossenheit haben das Ihre dazu getan, schließlich war auch die Wirtschaftslage ein Motiv für eine Proteststimme. Diese Mischung habe für die Oppositionsparteien enorme Gewinne ermöglicht, so der Politologe.

Dass gerade zwei Parteien vom rechten Rand diese Unzufriedenheit ausnutzen konnten, lag laut Filzmaier auch daran, dass es „in Österreich keine vergleichbaren linken Parteien gibt“. In Deutschland hat die Linke mit genau denselben Themen wie etwa der Teuerung bei Wahlen Erfolge erzielt. In Österreich kümmerten sich die Linksparteien aber nicht um die Arbeiterklasse: „Die sind viel eher Intellektuellenvereine“, meint Filzmaier. FPÖ und BZÖ hingegen hätten sich erfolgreich um die Arbeiter bemüht.

Warum Migranten Blau wählen

Aber nicht nur die Arbeiter fühlten sich diesmal besonders stark von der FPÖ angesprochen, selbst Migranten können mit der Politik der Freiheitlichen etwas anfangen („Die Presse“ berichtete). Das hänge laut Filzmaier daran, dass Migranten im Schnitt „konservativer eingestellt sind“. Zusätzlich spiele auch der Verdrängungswettbewerb eine enorme Rolle, „denn das Erreichte sieht man durch neue Zuwanderer bedroht“.

Tatsächlich seien die Migranten wieder zu Sündenböcken erklärt worden, meint Ali Gedik. Der Sozialarbeiter, der im Wiener Jugendzentrum „back on stage“ mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund arbeitet, vermisste vor allem die Gegenstimmen – sowohl aus der Gesellschaft als auch von SPÖ oder den Grünen. Schade findet der Wahlösterreicher mit türkisch-kurdischen Wurzeln, dass die ÖVP mit den Themen von FPÖ und BZÖ mitgezogen sei. Man müsse sie nun „leider auch zu den Rechten dazuzählen“, meint der Jugendarbeiter.

Über Integration zu diskutieren, sei eigentlich eine gute Sache, aber es würde immer negativ darüber gesprochen und „Angstmacherei“ betrieben, indem Migration stets mit Sicherheit verknüpft würde. Unter dem Thema Sicherheit hatte die ÖVP etwa „Deutsch vor Zuwanderung“ neben Forderungen wie „Opferschutz vor Täterschutz“ gestellt.

Was Gedik besonders störte: die Art und Weise, wie Menschen mit Migrationshintergrund schon mit der Sprache ausgegrenzt würden: „Immer dieses ,die‘ und ,wir‘, das stößt die Menschen ab, die sich integrieren wollen.“

(NASILA BERANGY UND CLARA AKINYOSOYE, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 01.10.2008)


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