Militär: Österreichs Türken in der türkischen Armee

Wehrdienst
  • In der Türkei besteht die Wehrpflicht für jeden männlichen Staatsbürger. Lediglich Geschwister bzw. Kinder von im Dienst getöteten Soldaten sind nicht wehrpflichtig. Der reguläre Militärdienst für normale Soldaten dauert 15 Monate. Uni-Absolventen können sich entscheiden, nach dem Studium entweder sechs Monate als Rekruten oder zwölf Monate als Offiziersanwärter Dienst zu tun. Türkische Männer im Ausland können sich durch eine Zahlung von 10.000 Euro vom gesamten Dienst freikaufen.

14.11.2012 | 9:41 | Aysun Bayizitlioglu

Auch Auslandstürken müssen den türkischen Wehrdienst ableisten. Einige machen das auch begeistert, andere kaufen sich davon frei – oder entkommen mit der Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Wien. „Wenn ein Türke eine Braut will, muss er beim Militär gewesen sein“, sagt Abdurrahman Ikisen. „Das war lange Zeit eine feststehende Regel, die auf dem Land heute teilweise immer noch gilt.“ Selbst wenn man aus gesundheitlichen Gründen untauglich war, sei man schief angesehen worden, ohne abgeleisteten Wehrdienst habe es keinen guten Job gegeben.

„Mut, Ehre, Moral, Ruhm – all das verbindet man mit dem Dienst für das Vaterland“, ergänzt sein Sohn Murat. „Deshalb ging ich mit 24Jahren, nach meinem Studium, zum türkischen Militär und absolvierte mit Stolz den einmonatigen Grundwehrdienst.“ Vom Rest der Dienstzeit kaufte er sich frei. „Unsere ganze Familie wollte eines Tages in die Türkei zurückkehren“, sagt Murats Mutter, Pembe, „deshalb fanden wir es damals wichtig, dass mein Sohn so agierte.“ Erst seit einigen Jahren sei klar, dass es zu dieser Rückkehr nicht mehr kommen werde.

Vom Dienst freikaufen

Derzeit müssen in der Türkei alle Männer ab 20 Jahren für 15 Monate zum Militär. Wer nachweislich mehr als drei Jahre im Ausland arbeitet und türkischer Staatsbürger bleiben will, kann sich vom Dienst freikaufen – seit Jänner 2012 muss man dazu nicht einmal den einmonatigen Grundwehrdienst ableisten. Auch für in- und ausländische Uni-Absolventen gibt es eine Ausnahme: Sie können einen kürzeren Dienst von sechs Monaten ableisten – oder als Offiziersanwärter zwölf Monate.

Gesetzliche Freikaufsaktionen gibt es immer wieder. Doch nicht alle Auslandstürken machen davon Gebrauch. Oft reizte die jungen Türken die Abenteuerlust – oder die verklärten Berichte ihrer Väter von der Militärzeit. Doch solche Fälle sind seltener geworden, sagt Integrationsexperte Kenan Güngör. Noch in den 1990er-Jahren riefen türkische Medien zum Kampf für das Vaterland auf, doch nach der Verhaftung von Abdullah Öcalan, dem Anführer der kurdischen Separatisten der PKK, gingen die Kampfhandlungen zurück – und mit ihnen auch der Wille der Auslandstürken, ihren Militärdienst abzuleisten.

Aber auch unter den Türken gibt es solche, die jedweden Militärdienst ablehnen – aus Prinzip. Zu ihnen gehört etwa der 50-jährige Ediz Bay. „Waffen sind mir ein Gräuel, selbst Spielzeugwaffen“, meint er. Sein Vater arbeitete als Tischler in Wien und holte die Familie nach, als Ediz 14 Jahre alt war. Seine Lösung: Im Alter von 36Jahren wurde er Österreicher. Damit musste er nicht mehr in der Türkei seinen Dienst ableisten – und für das österreichische Bundesheer war er zu alt. „Schade, dass es nicht früher ging und dass ich meine türkische Staatsbürgerschaft verloren habe“, sagt er. „Aber ich bin gegen das Militär, und deshalb wollte ich mich auch nicht freikaufen.“ Sein 16-jähriger Sohn, Aladdin, werde aber in Österreich Zivildienst leisten.

Um nicht zum türkischen Militär zu müssen, gibt es aber auch noch andere Methoden. Sami Göc studiert seit zwölf Jahren in Österreich: „Ich habe mein Studium absichtlich in die Länge gezogen, um nicht zum Militär zu müssen. Sobald es möglich war, habe ich mich freigekauft.“

Staatsbürgerschaft annehmen

„Es gibt auch junge Türken, die aus politischen und Gewissensgründen den Militärdienst ablehnen, weil sie nicht gegen die PKK kämpfen wollen, da sie selbst kurdischer oder alawitischer Abstammung sind“, sagt die türkische Schriftstellerin und Soziologin Pinar Selek. „Ihnen bleibt dann nur übrig, Staatsbürger eines anderen Landes zu werden oder sich freizukaufen.“ Unter den türkischen Migranten in Österreich liegt der Anteil von Kurden und Alawiten bei rund 20 Prozent.

Und dann gibt es auch noch jene, die ihren Militärdienst bereits geleistet haben – und die dadurch derart traumatisiert wurden, dass sie der Türkei den Rücken kehrten. So erging es etwa auch Irfan Toy Ende 1980. Als kommandierender Unterleutnant wurde er in die Bürgerkriegsgegend von Hakkari geschickt. „Der Dienst in den schneebedeckten Bergen war extrem schwierig und entbehrungsreich. Zwar konnte er nach seinem Dienst als Sportakademiker in Istanbul Fuß fassen, doch er beschloss schließlich dennoch, der Türkei den Rücken zu kehren, um das Erlebte besser verarbeiten zu können. Schließlich wurde er in Wien sesshaft. „Ich bin froh, dass mein Sohn Österreicher ist“, sagt er. „Und dass ihm dadurch meine Erfahrungen erspart bleiben.“

Sein Sohn Andreas, ein 19-jähriger Maturant, sieht das ähnlich. Er verstehe nicht, warum junge türkische Männer den Kopf hinhalten müssen – „für Entscheidungen, die Politiker im stillen Kämmerlein treffen“. Deshalb sei der türkische Militärdienst für ihn nie infrage gekommen. „Auch, wenn ich mein türkisches Vaterland sehr mag“, sagt er. Derzeit leistet er seinen Wehrdienst in Österreich ab.

„Militär schadet nicht“

In einem sind sich Vater und Sohn Toy dennoch einig: dass ein „normaler“ Militärdienst jungen Männern nicht schade. „Militärische Disziplin zu erlernen kann durchaus hilfreich sein“, meint Irfan Toy. Und Andreas, der wie sein Vater auch sehr sportlich ist, ergänzt: „Weil ich von meinem Vater gelernt habe, mit schwierigen Situationen umzugehen, kann ich mich beim Militär besser an das System anpassen als andere.“


ein Kommentar

  • lisa reimann

    Ich war nie ein Musterschüler und Spaß am lernen hatte ich auch nie wirklich aber seit dem ich meine Ausbildung bei der Media GmbH (http://www.media-gmbh.de) angefangen habe, musste ich mir selbst gestehen das es durch kreatives Lernen auch Spaß machen kann. Schon immer wollte ich etwas in Bereich Medien machen und jetzt weiß ich auch dass, es definitiv das Richtige ist. Also falls ihr Interesse haben solltet im Bereich Medien eine Ausbildung zu absolvieren erkundigt euch darüber ich kann es euch nur weiter empfehlen. Geschrieben um 5. Dezember 2012 um 12:18 Uhr Antworten

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