Muna Duzdar: Die palästinensische Bundesrätin

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Muna Duzdar, geboren 1978 in Wien, Tochter palästinensicher Einwanderer. Studium der Rechtswissenschaften, Masterstudium an der Sorbonne in Paris. Spricht Deutsch, Arabisch, Französisch und Englisch. Karriere: Seit 2007 ist Duzdar Rechtsanwaltsanwärterin, Start als SPÖ-Bezirksrätin in Donaustadt, seit vergangener Woche im Bundesrat.

24.02.2010 | 18:04 | Ania Haar

Muna Duzdar sitzt seit vergangener Woche für die SPÖ im Bundesrat. Ein Posten, den sie sich während ihrer Schulzeit nicht zugetraut hätte – denn die Tochter palästinensischer Eltern schwächelte vor allem in Deutsch.

Ein bisschen überrascht ist Muna Duzdar immer noch. Vergangen Donnerstag wurde die 31-Jährige zur Bundesrätin angelobt – während ihrer Schulzeit hätte das die Tochter palästinensischer Einwanderer nie für möglich gehalten, schließlich hatte sie dort massive Probleme.

In der vierten Klasse mussten ihre Eltern Nachhilfestunden in Deutsch und Mathematik bezahlen, damit sie überhaupt auf das Gymnasium gehen konnte. Dort hatte sie zunächst immer noch Schwierigkeiten, erst ein Schulwechsel half weiter – wenn auch mit einer Fünf in Mathematik.

Gerade diese Selektion, wie sie sagt, der Wechsel von der Volksschule in das Gymnasium, treffe Kinder sehr hart. Sie sieht darin eine soziale Auslese, die vor allem Migranten benachteiligt. Die Entscheidung im Alter von zehn Jahren, ob das Kind in das Gymnasium kommt oder nicht, wird entscheidend für die gesamte berufliche Laufbahn. „Hätte ich im Alter von zehn Jahren nicht die Klausel in Mathe bekommen, wäre ich heute nicht dort, wo ich bin.“ Sie hat Glück, dass der Klassenvorstand an sie glaubte. „Ohne diesen hätte ich den Aufstieg mit Fünfer gar nicht geschafft.“ Später wird die Mathematik nie wieder ein Problem sein.

Zweisprachigkeit fördern

Eines ihrer wichtigsten Anliegen ist die sprachliche Unterstützung der Migrantenkinder. Nicht nur in Deutsch, sondern vor allem in der Zweisprachigkeit, die sie stärker fördern will. „Sonst passiert das, was wir bei vielen Kindern der zweiten Generation erleben, dass sie wieder die Sprache der Eltern, noch die deutsche Sprache gut beherrschen.“ Bei Muzdar zu Hause wurde nur arabisch gesprochen. Sie erlebt die Mehrsprachigkeit als eine enorme Bereicherung.

Als ein Migrantenkind zu leben, das war nicht immer leicht. „Man nimmt es schon wahr, dass man ein ausländisches Kind ist, man ist anders. Und nimmt dabei auch leicht eine gewisse Außenseiterrolle ein“, sagt sie. Eine schwierige Rolle, „weil man als Kind immer das Bedürfnis hat, so zu sein, wie alle anderen Kinder. Dabei spielt das Gefühl der Minderwertigkeit doch schon eine Rolle.“

Das Fremdsein erlebt sie ein zweites Mal in Frankreich, als sie zum Studium der Rechtswissenschaften an der Sorbonne nach Paris ging. Das in der Schule gelernte Französisch reichte nicht und sie musste ein weiteres Mal eine Sprache lernen. Ihren Lebensunterhalt in Paris verdiente sie passenderweise als Fremdsprachenassistentin – für Deutsch.

Sehr früh fing ihr politisches Interesse an. Warum? „Ich bin in einer palästinensischen Familie aufgewachsen, und da ist der Konflikt ein tagtägliches Thema, schon als Kind“, erzählt sie. Das bemerkt man auch in der Schule. Sie soll doch politisch aktiv werden, hat man ihr geraten. So ging sie in die Jugendgruppe der SPÖ. Und dort imponiert ihr das Gefühl der Gleichheit: „Man hat nicht mehr gefragt, woher ich komme, sondern wer ich bin.“

Das politische Engagement habe ihr geholfen, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Integriert heißt: „Dass ich viele österreichische Freunde habe, dass es keinen Unterschied macht, von woher jemand kommt.“ Doch sie erlebt keineswegs einen Bruch mit ihren familiären Wurzeln – etwa mit arabischen Freunden. „Die habe ich auch, mein Freund ist ein Araber“, erzählt sie.

Mit zunehmendem Alter stieg bei ihr das Interesse, beide Kulturen, die österreichische und die arabische, zu verbinden. Im Arabischen findet sie die Erinnerung an ihre Kindheit und das Vertrauliche. Im politischen Leben hilft es ihr, das Denken anderer Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund zu verstehen.

Vermittlerin zwischen Kulturen

Und Missverständnisse, die es auszuräumen gilt, derer gibt es ihrer Ansicht nach viele: „Migration und Integration werden mit Kriminalität und Fanatismus gleichgesetzt.“ Diese Vermengung führe zu Problemen: „Das hat man an der Abstimmung (in der Schweiz, Anm. der Redaktion) gesehen“, meint sie. „Es wäre daher sehr wichtig, diese Agenden zwischen Sicherheit und Migration zu trennen.“

In ihrer neuen Aufgabe als Bundesrätin wird sie sich vorrangig den Bereichen Justiz, Arbeit-, Sozial- und Außenpolitik widmen. Arbeit und Soziales sind dabei ihre Kernthemen. Und eine Leitlinie für ihre Arbeit hat sie auch schon: „Ich muss mich noch einarbeiten und die Rolle wird sich sicherlich noch entwickeln, aber ich sehe mich als Vermittlerin zwischen den Kulturen. Sowohl innerhalb der Partei als auch außerhalb.“

(ANIA HAAR, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 24.02.2010)


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