Österreich: Muslime als Zielscheibe von Angriffen

07.09.2011 | 12:18 | Ania Haar und Clara Akinyosoye

Die Zahl islamfeindlicher Attacken ist im Steigen, von Angriffen auf Moscheen und Friedhöfe bis zu Übergriffen auf Muslime. Eine zentrale Beobachtungsstelle für solche Anschläge gibt es aber noch nicht.

Wien. Ein Schweinskopf vor einer Moschee. Dieser Vorfall im Vorarlberger Reuthe vom 23.Juli ist nur einer von vielen, über die der türkische Verein Atib zu berichten weiß. Da gab es etwa einen weiteren im Tiroler Schwaz, als im November 2010 die Vereinswände großflächig mit rassistischen Parolen wie „Scheiß Türken raus“ und „Keine Islamisierung“ besprüht wurden. Eine Gruppe in Kufstein wiederum verübte am 16.Jänner 2011 nachts einen Brandanschlag auf ein Atib-Gebäude, in dem zu dieser Zeit der Imam schlief.

Wie viele solcher anti-islamischen Anschläge tatsächlich stattfinden, sei schwer auszumachen. Schließlich gebe es keine zentrale Beobachtungsstelle – und vielen Muslimen fehle die Sensibilität dafür, dass diese Fälle von Vandalismus „keine Kavaliersdelikte sind, sondern politische Ideologien dahinterstecken können“, sagt Omar al-Rawi, Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ). Klar ist aber, dass die Zahl derartiger Vorfälle nicht gering ist.

Zuwachs an Anzeigen

Laut dem Verfassungsschutzbericht des Innenministeriums wurden 2010 insgesamt 580 rechtsextremistische, fremdenfeindliche/rassistische, islamophobe, antisemitische Tathandlungen zur Anzeige gebracht. Ein Zuwachs im Vergleich mit 2009, als es 453 Tathandlungen gab. Wobei eine Tathandlung mehrere Delikte mit jeweils einer gesonderten Anzeige beinhalten kann. Von den 580 Tathandlungen im Jahr 2010 wurden 57,8 Prozent als rechtsextremistisch, elf Prozent als fremdenfeindlich/rassistisch, 4,6 Prozent als antisemitisch und 1,4 Prozent als islamophob motiviert eingestuft.

Die Motivation der Täter ist ausschlaggebend für die Tatzuordnung. Richtet sich die Motivation gegen die Demokratie, das heißt gegen verfassungsrechtliche Prinzipien, gilt sie als rechtsextremistisch. Eine rassistisch/fremdenfeindliche Tathandlung ist jede, die auf die Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder den nationalen Ursprung gerichtet ist.

„Antisemitismus und Islamophobie sind spezielle Ausprägungen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, sagt Sonja Jell, Sprecherin des Innenministeriums. Doch Tathandlungen sind mitunter durch mehrere Motivationen gekennzeichnet. „Die Grenzen der Zuordnung verlaufen daher oft fließend.“ Auch fremdenfeindliche Taten können islamophob motiviert sein, wenn etwa türkische Migranten wegen ihrer Herkunft und ihrer islamischen Religionszugehörigkeit Opfer von Verbrechen werden. 2007 wurden zwei Fälle eindeutig als islamophob registriert, 2008 lag die Zahl bei zwölf – und somit sechsmal höher.

So viel zu der Auswertung im Bericht des Verfassungsschutzes. Im österreichischen Sicherheitsbericht, der jährlich dem Parlament als Grundlage für sicherheitspolitische Diskussionen dient, würden islamophobe Straftaten seit heuer hingegen nicht mehr gesondert ausgewiesen, kritisiert Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. Angesichts der Terroranschläge in Norwegen ein fatales Zeichen, gerade jetzt sei das Innenministerium in der Pflicht „gegen minderheiten- und moslemfeindliche Hetze entschiedener vorzugehen“.

Übergriffe nehmen zu

2006 veröffentlichte die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (früher „EUMC“, jetzt „FRA“) die Studie „Muslime in der Europäischen Union – Diskriminierung und Islamophobie“ in den zehn Mitgliedstaaten, darunter Österreich. Laut dieser Studie habe nach den Anschlägen vom 11.September 2001, der Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh und den Bombenanschlägen von Madrid und London Übergriffe gegenüber Muslimen zugenommen. Erhöhte Feindseligkeit, anti-islamische Vorfälle und islamfeindlich motivierte Verbrechen wurden dokumentiert.

Dabei richten sich die Anschläge nicht nur gegen Moscheen, auch Friedhöfe wurden bereits mehrmals Ziel islamfeindlicher Attacken. 2008 wurden etwa im oberösterreichischen Traun 90, in Graz zwischen 45 und 60 Gräber geschändet. Auch der islamische Friedhof in Wien-Liesing war bereits Ziel von Anschlägen. Noch vor der Eröffnung wurde ein Brandanschlag auf den Rohbau verübt, Wände wurden beschmiert. Seit der Inbetriebnahme 2008 ist es allerdings zu keinerlei Vorfällen mehr gekommen. „Hier ist es ruhig“, sagt Ali Ibrahim, Sprecher des Friedhofs. „Und ich hoffe, das bleibt so.“


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