Die Palästinensische Community in Österreich

AUF EINEN BLICK
  • Palästinensische Gemeinde: Die PGÖ, die der Fatah-Partei nahesteht, hat etwa 300 Mitglieder. Ihr Präsident, Munther Merai (Bild), lebt seit 1990 in Wien. Er hofft, dass sich Österreich international für die Verbesserung der Lage der Palästinenser in den Autonomiegebieten einsetzt. [Mili Flener]

01.06.2011 | 9:41 | Omar Feroz

Rund 3000 Menschen mit palästinensischem Hintergrund leben in Österreich. Die österreichische Politik gilt seit Bruno Kreisky als palästinenserfreundlich. Nun hofft die Gemeinde auf weitere Unterstützung.

Wien. Es sind nicht besonders viele. Aber es gibt sie. Geschätzte 3000 Menschen in Österreich haben palästinensischen Migrationshintergrund. Der Großteil davon lebt in Wien. Nach Österreich und Europa kamen die Menschen aus den palästinensischen Autonomiegebieten in zwei großen Wellen. Die erste bei Gründung des Staates Israel 1948, eine zweite 1972, als viele Palästinenser in benachbarte arabische Länder vertrieben wurden. Wer konnte, emigrierte nach Amerika oder nach Europa.

Iad El Azars Weg ist dagegen ein eher untypischer. Die Eltern des 36-jährigen Softwareprogrammierers stammen aus Gaza. Wegen der Arbeit wanderten sie aus, zunächst nach Algerien, wo er geboren wurde, dann nach Libyen und später nach Tunesien. Nach Österreich verschlug es El Azar 1992 zum Studieren. „Damals war es sehr leicht, ein Studentenvisum für Österreich zu bekommen.“

Später kam er bei der UNO unter, bei der er drei Jahre Statistiken über Flüchtlingsbewegungen der Palästinenser erstellte. 1998 wurde er eingebürgert. Seit 1999 ist er bei einem Finanzunternehmen als Softwareentwickler angestellt.

Gegenseitige Unterstützung

Er ist verheiratet und hat eine Tochter, die dreisprachig erzogen wird. „Meine Frau stammt aus Bosnien, so lernt unsere Kleine neben Deutsch und Arabisch auch Bosnisch.“ Schließlich soll es seine Tochter einmal leichter haben als er. El Azar hält jedenfalls viel von Österreich: „In meiner Karriere gab es Menschen, die mich unterstützten und meinen Willen zum Erfolg sahen. Das weiß ich sehr zu schätzen.“

Gegenseitige Unterstützung – das ist auch die Motivation vieler Palästinenser, sich in Vereinen zu organisieren. Dazu gehören etwa die Generalunion palästinensischer Studenten (GUPS), die palästinensische Ärzte- und Apothekenvereinigung (PAAV), die österreichisch-palästinensische Ingenieursvereinigung und die wohl aktivste Organisation, die Palästinensische Gemeinde Österreich (PGÖ). Sie steht der säkularen Fatah-Partei nahe, hervorgegangen aus Yassir Arafats PLO, die die Autonomiegebiete im Westjordanland kontrolliert.

Doch auch die in Gaza regierende radikal-islamische Hamas hat in Österreich Verbindungen. Vor einigen Jahren geriet die palästinensische humanitäre Vereinigung Österreich (PHVÖ) in Verdacht, Spendengelder für die vom Westen als Terrororganisation eingestufte Partei zu sammeln.

Munther Merai, Präsident der PGÖ, steht mit dem Verein dennoch weiter in Kontakt. „Ja, unsere beiden Organisationen kennen sich, wobei der Austausch eher beschränkt ist, man ist sich nicht immer einig, was die politische Agenda betrifft.“ Merai, 1968 in Nablus geboren, kam 1990 nach Wien. Er eröffnete in Baden ein Restaurant – später noch ein Café.

Erste Vertretung im Ausland

Österreich war das Ziel seiner Wahl. Nicht nur, weil der ehemalige Bundeskanzler Bruno Kreisky wegen seiner palästinenserfreundlichen Politik in der Region sehr geschätzt wurde. Unter anderem ließ er in den 70er-Jahren in Wien die erste palästinensische Vertretung im Ausland einrichten und machte PLO-Führer Arafat international salonfähig. „Heute fühle ich mich hier zu Hause“, sagt Merai. Der Vater zweier Kinder ist neben seiner Arbeit auch politisch engagiert. Die Städtepartnerschaft zwischen Baden und Bethlehem geht etwa auf seine Initiative zurück. Als Präsident der PGÖ, die 300 aktive Mitglieder hat, will er bei den Österreichern Verständnis für die Leiden der Palästinenser schaffen. Und schließlich gibt es auch noch den Aspekt der Vernetzung: Palästinenser, die neu ins Land kommen, wenden sich oft an die PGÖ. Man hilft ihnen dann bei allen möglichen Startschwierigkeiten, von Job- bis Wohnungssuche.

Keine Reisefreiheit

Die Gemeinde bemüht sich, über alle politischen Fraktionen hinweg, für die palästinensische Diaspora in Österreich da zu sein. Auch, wenn man in vielen Fällen nicht viel unternehmen kann. Beispielsweise wenn es um die Reisefreiheit der Österreicher palästinensischer Herkunft geht. „Anders als anderen EU Bürgern ist es uns untersagt, uns in unserer alten Heimat frei zu bewegen. Für die israelischen Behörden bleiben wir ein potenzielles Sicherheitsrisiko – egal, welchen Pass wir besitzen.“

Die Schwierigkeiten in der alten Heimat setzen sich in abgemilderter Form auch in Österreich fort: Eine Zusammenarbeit mit jüdischen Organisationen gibt es nicht. „Leider agieren viele wie der verlängerte Arm der Regierung in Israel“, meint er.

Zur österreichischen Politik hat man seit Kreiskys Zeiten ein gutes Verhältnis. Und gemeinsam mit österreichischen Medien und NGOs will man weiter daran arbeiten, die Lage in Palästina zu verbessern – im Sinn der Palästinenser. „Wir blicken, was die Entwicklung in unserer Heimat betrifft, einer spannenden Zeit entgegen. Gerade Österreich ist hier gefragt, sein hohes Ansehen in der Region konstruktiv zu nutzen“, sagt Merai. Und legt noch nach: „Wir brauchen einen neuen Kreisky.“

(OMAR FEROZ, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 01.06.2011)

 


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