Polizei: Zuwanderer in Uniform

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AUF EINEN BLICK
  • In Wien gibt es erst 52 multikulturelle Polizisten – ein Prozent aller Exekutivbeamten.
  • In drei Jahren soll allerdings jeder der 98 Polizeiinspektionenin der Bundeshauptstadt zumindest ein Beamter mit Migrationshintergrund zugeteilt werden. Experten und Politiker erhoffen sich dadurch auch, dass die Integration von Zuwanderern beschleunigt und Migranten einen besseren und selbstverständlicheren Draht zur Exekutive bekommen.

16.07.2008 | 23:24 | Yordanka Hristozova-Weiss

Wie Neo-Polizisten den Neo-Österreichern helfen wollen, die Exekutive auch als „ihre“ Polizei zu begreifen. Derzeit stehen in Wien 52 multikulturelle Beamte im Dienst.

WIEN. „Ich vergleiche mich mit den ersten Frauen, die bei der Polizei tätig waren“, erklärt Embe Kandolo lächelnd. Der gebürtige Wiener ist der zweite österreichische Exekutivbeamte mit schwarzer Hautfarbe. Seine Eltern stammen aus dem Kongo und waren in der Botschaft beschäftigt.

Der gelernte Mechaniker ist seit 2003 bei der Polizei. Anfangs musste er dort Barrieren durchbrechen. Nach wie vor sieht er sich mit „unqualifizierten Meldungen“ konfrontiert, nimmt diese aber nicht als solche wahr: „Schau her, ein Schwarzer! Ist das jetzt was Neues?“ – Eine sichtlich erstaunte Migrantin spricht Embe Kandolo nicht direkt an, sondern richtet die Frage an seinen uniformierten Kollegen – aber in einer Lautstärke, die ihn jedes Wort verstehen lässt.

„Wien braucht Dich“

Embe Kandolo ist einer von 52 Polizisten mit Migrations-Hintergrund in der Bundeshauptstadt. „Derzeit ist das etwa ein Prozent der Exekutivbeamten, aber bis 2012 haben wir das Ziel, in allen 98 Polizeinspektionen in Wien eine Person zu haben, deren Wurzeln im Ausland liegen. Bis dato ist dies nur in 20 der Fall“, so Oberstleutnant Rudolf Battisti. Er ist für das Personal beim Landespolizeikommando Wien verantwortlich und koordiniert die Kampagne „Wien braucht Dich“. Ziel ist es, Mitarbeiter mit einem spezifischen sprachlichen und kulturellen Hintergrund zu gewinnen. In Wien, wo ein Drittel der Bevölkerung zugewandert ist, sollen diese Neo-Polizisten den Neo-Österreichern helfen, die Exekutive auch als „ihre“ Polizei zu begreifen.

Diktat ist das größte Hindernis

Zu den Aufnahmekriterien zählen die österreichische Staatsbürgerschaft, ein Alter von 18 bis 30 Jahre, ein Pflichtschulabschluss und die positive Absolvierung der schriftlichen Aufnahmeprüfung sowie psychologische Eignungs- und Fitnesstests. „Meistens scheitern die Bewerber an der Deutschprüfung. Als schwierig erweisen sich das Diktat und der Grammatik-Test. Diese sind auch für Inländer ein Problem“, so Battisti. Aber auch die Größe kann ein Hindernis sein. Ein Mann mit chinesischer Abstammung wurde abgelehnt, weil er die Mindest-Körpergröße für Männer von 168 Zentimetern nicht hatte.

Battisti freut sich jedenfalls, wenn es zum „Aha“-Erlebnis kommt – wenn Menschen von Polizisten in ihrer Muttersprache angeredet werden. Unter den 52 multikulturellen Exekutivbeamten sind Personen aus Rumänien, Iran, Russland, Griechenland, Bosnien, Serbien und Polen.

Chefinspektorin Yüksel Grohs ist Mutter dreier Kinder und trägt seit 1991 Uniform: „Ich wollte Zahntechnikerin werden, aber nach einigen Bewerbungen ist der Traum geplatzt – wegen Vorurteile aufgrund meiner Herkunft. Bei der Polizei war meine Herkunft egal.“

„Konflikte anders austragen“

Sie ist als Zweijährige mit ihrer Familie nach Wien gekommen. Nach der Lehre als Großhandelskaufrau arbeitete Yüksel Grohs in einem Büro. „Mit knapp 18 habe ich bei der Polizei angefangen. Meine Mutter war dagegen, mein Vater stolz auf mich. Letztendlich ist jeder seines Glückes Schmied“, so die 35-jährige.

Anfänglich waren die Kollegen kritisch: „Als Frau in einem männerdominierten Beruf wirst du beobachtet. Das war eine gigantische Veränderung für die Polizei und für die Bevölkerung.“

„Frauen entscheiden aus dem Herzen heraus, tragen Konflikte anders aus. Sie haben der Exekutive gut getan“, meint Grohs. Sie setzt auf Integration durch Bildung und ist deshalb Lehrerin im Bildungszentrum der Exekutive.

Religiöse Zeichen wie Bart, Turban oder Kopftuch sind im öffentlichen Dienst nicht möglich. „Für die Exekutive gibt es exakte Uniformierungsvorschriften. Das Tragen eines Kopftuchs oder Turbans unter dem Polizeikappe wäre problematisch“, so Grohs. Sie ist selbst Muslimin.

„Vor 30 Jahren anfangen“

„Polizistin zu werden war mein Kindertraum. Ich dachte, dass ich keine Chancen habe, da ich nicht in Wien geboren bin“, sagt Adina Mircioane. Die gebürtige Rumänin lebt seit 1990 in Österreich. Sie studierte auf der Wirtschaftsuniversität und arbeitete bei einer Spedition. Seit 2004 ist die 26-Jährige bei der Exekutive. Immer noch bekommt sie zu hören: „Ich will mit einem Mann reden.“

Multikulturelle Polizisten sind für die Migranten selbst noch kaum sichtbar. Hikmet Kayahan, Sprecher des Europäischen Netzwerks gegen Rassismus (Enara), meint deshalb: „Mit diesem Projekt hätte man vor 30 Jahren anfangen müssen.“

(YORDANKA HRISTOZOVA-WEISS, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 16.07.2008)


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