Rare Erscheinung: Migranten im öffentlichen Dienst

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  • Arbeit im öffentlichen Dienst: In der Hoheitlichen Verwaltung, etwa bei den Posten als Richter oder Staatsanwalt, gilt ein Inländervorbehalt. Ansonst kann in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, wer unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt und entsprechende Qualifikationen hat. Dennoch ist die Zahl der Migranten im öffentlichen Dienst gering.
 

17.07.2012 | 20:14 | Ania Haar

Rund 7,5 Prozent der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind Migranten. Bei der Wiener MA35 setzt man gezielt auf ihre Fähigkeiten.

„Ein Wiener kommt durchschnittlich achtmal in seinem Leben zur MA35“, sagt Ivica Kvasina. Er ist Leiter des Competence Center Recht, „da geht es um Geburten, Ehe, Sterbefälle, aber auch Aufenthaltstitel oder Staatsbürgerschaft“. In der öffentlichen Wahrnehmung wird die MA35 oft nur als Einwanderungsbehörde gesehen, aber auch das Standesamt gehört zu dieser Magistratsabteilung.

Und die MA35 ist auch eine Abteilung, in der besonders großer Wert auf Integration gelegt wird. „Vor allem im Bereich Einwanderung hat rund ein Viertel unseres Teams Migrationshintergrund“, sagt Abteilungsleiterin Beatrix Hornschall, „wobei hier nicht die Sprachkompetenz im Vordergrund steht, weil unsere Kunden ohnehin bereits durchwegs gut Deutsch sprechen, sondern die Migrationserfahrung, die hilft, sensibler mit den Kunden umzugehen.“ Ivica Kvasina, der gerade vor einer Woche Leiter des Competence Center Recht wurde, kam im Jahr 2000 aus Bosnien zum Studium. Als er fertig war, fuhr er wieder heim, kehrte aber nach drei Monaten wieder zurück. Der 31-Jährige bewarb sich bei der Stadt Wien und ist nun seit rund viereinhalb Jahren dabei.

Kunden mit Migrationshintergrund

„Durch meinen eigenen Migrationshintergrund und den selbst durchgemachten Einwanderungsprozess kann ich die Bedürfnisse von Migranten gut nachvollziehen“, sagt er. Ähnlich geht es seinem Kollegen René Thabet, der bei der MA35 Standesbeamter ist. Seine Mutter ist Wienerin, sein Vater Tunesier – er selbst sieht sich als multikulturell. „Meine Kunden mit Migrationshintergrund können sich gut mit mir identifizieren“, erzählt der 29-Jährige. „Es fällt mir leichter, eine Verbindung zwischen den Menschen und den Gesetzen herzustellen.“

„Die Verwaltung in einem demokratischen Rechtsstaat sollte im Idealfall die Zusammensetzung der Gesellschaft in all ihren Facetten repräsentieren und umfasst Internationalität, Interkulturalität sowie gleichermaßen Aspekte des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Orientierung, der Religion.“ Und diese Vielfalt sei ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz der Verwaltung und damit des gesamten Staates.

Das steht im Beiratsbericht „Perspektiven des öffentliches Dienstes“, der auf Initiative von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek im September 2010 ins Leben gerufen wurde. Ziel war es, sich Gedanken über die Zukunft des öffentlichen Dienstes zu machen (reformdialog.at).

Laut Personalbericht des Bundes 2011 sind derzeit 350.524 Personen im öffentlichen Dienst tätig. Wobei diese Zahl nicht alle Beschäftigten umfasst, beispielsweise wird Wien auf der Gemeindeebene nicht mitgerechnet.

Insgesamt weisen etwa 20.800 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst Migrationshintergrund auf. Das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent im öffentlichen Sektor. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung Österreichs wird der Anteil der Migranten auf rund 18,6 Prozent geschätzt.

Ob Migranten im öffentlichen Dienst vertreten sind, hängt nicht nur von den Entscheidungen des Personalmanagements ab, sondern auch von der Ausbildung – und letztlich auch von der Frage, ob ein Bewusstsein für die Vorteile der Vielfalt in der Belegschaft vorhanden ist. „Bei der Polizei wird verstärkt nach Mitarbeitern mit Migrationshintergrund gesucht“, sagt Gudrun Biffl, Leiterin des Departments Migration und Globalisierung an der Donau-Universität Krems, „es ist ein sehr großes Bemühen vorhanden.“

Förderkurse für die Polizei

So werden noch vor den Aufnahmeprüfungen für die Polizeiausbildung Förderkurse für die Bewerber angeboten, damit sie diese auch bestehen können. Auch im Kindergartenbereich ist ein stärkeres Bewusstsein zu bemerken, allerdings werden Migranten hier nur als Hilfskräfte gesucht – und nicht als Pädagogen. „Die Entwicklung geht aber sehr langsam voran“, sagt Biffl. Besonders viel Änderungsbedarf ortet die Expertin bei der öffentlichen Lehrerausbildung: „Es sind dort kaum Migranten – nur ein bis zwei Prozent –, und es ist auch noch kaum ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass es mehr Lehrer mit Migrationshintergrund braucht.“

Die Argumentation dahinter sei immer die, dass sie die Aufnahmeprüfungen nicht schaffen, sagt Biffl. Im Pflege- und Gesundheitsbereich werde im Vorfeld auch ähnlich argumentiert. Doch statt in Aufbaulehrgänge zu investieren, so Biffl, hole man sich lieber Krankenschwestern aus den Philippinen oder Osteuropa.

In der Ärzteausbildung gibt es dagegen vergleichsweise viele Asiaten und auch Frauen aus Saudiarabien. Allerdings ist es laut Biffl unwahrscheinlich, dass sie „nach dem Studium hier bleiben werden“. Anders als bei den iranischen Ärzten, die traditionell hierzulande gut vertreten sind. „Sie haben ihre eigenen Netzwerke – hat der Oberarzt einen iranischen Hintergrund, wird er schnell einen Arzt aus dem gleichen Sprach- und Kulturkreis holen.“

In den Ämtern und an den Schnittstellen zu den Migranten werden zunehmend Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eingesetzt. So wie bei der MA35. Hasibullah Ghussudin arbeitet im Fachbereich Einbürgerung, der 23-Jährige kam mit sechs Jahren aus Kabul nach Österreich. Auch er unterhält sich mit seinen Kunden auf Deutsch. Aber: „Ich kann mich durch meinen eigenen kulturellen Background gut in die Mentalität der Menschen hineinversetzen.“

24 Sprachen

Er wurde einst von seinem Vater bestärkt, sich bei der Stadt Wien zu bewerben – weil es in der Stadtverwaltung auch für Menschen mit Migrationshintergrund gute Arbeits- und Aufstiegschancen gebe. „Wir sind stolz auf unsere Mitarbeiter und ihre Kompetenzen“, sagt Leiterin Beatrix Hornschall, „wir sprechen insgesamt 24 Sprachen, von jenen der EU-Staaten über die des exjugoslawischen Raums bis zu Farsi, Persisch, Hindu, Gebärdensprache und Latein.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.07.2012)


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