Rezension: Die Wurzeln der Anti-Abschiebungsproteste

ZUM BUCH

  • Ilker Ataç, Sieglinde Rosenberger (Hg.)
  • Politik der Inklusion und Exklusion
  • 1. Auflage 2012
  • 237 Seiten 
  • ISBN 978-3-89971-914-7
  • Vienna University Press bei V&R unipress
  • Migrations- und Integrationsforschung - Band 004
  • 25,99 €

15.04.2013 | 13:41 | Nermin Ismail

Eine Forschergruppe hat Ursachen und Formen von Protesten gegen Abschiebungen untersucht. Ausschlaggebend sind meist persönliche Bindungen zu den betroffenen AsylwerberInnen. 

Immer wieder kommt es dazu, dass AsywerberInnen nach jahrelangem Asylverfahren abgeschoben werden (sollen). Diese Maßnahme ist nicht nur in Österreich, sondern in vielen westlichen Demokratien zum Alltag geworden. Gegen diese Zwangsmaßnahme formieren sich vermehrt lokale Proteste. Die ForscherInnen Sieglinde Rosenberger und Jakob Winkler haben diese Proteste, im Rahmen der Forschungsgruppe INEX Politics of Inclusion and Exclusion, untersucht. Die Forschungsergebnisse wurden im neuen Sammelband „Politik der Inklusion und Exklusion“, herausgegeben von Ilker Atac und Sieglinde Rosenberger, veröffentlicht.

Mit dem Fall Marcus Omofuma, einem Asylwerber, der 1999 auf dem Abschiebeflug am Flugzeugsitz fixiert wurde und zu Tode kam, gab es erstmals breiten Widerstand gegen die Abschiebepraxis. 2007 einige Jahre später war es der Fall von Arigona Zogaj, einem jungen Mädchen aus dem Kosovo, der starke mediale Aufmerksamkeit erhielt. Doch warum wurde diesem Fall so viel Beachtung geschenkt? Wer oder was verlieh diesem Fall diese, vorallem mediale Bedeutung? Und welche Ziele hatten diese Proteste? All das sind Fragen mit denen sich die zwei Politikwissenschaftler auseinandergesetzt haben.

Der Protest und seine Akteure

„Die externe Exklusionsdimension, bei der Menschen von einem Territorium ausgewiesen werden, und die interne Exklusionsdimension, wonach AsylwerberInnen zwar vorübergehend aufenthaltsberechtigt sind, ihnen aber eine Reihe von staatsbürgerschaftlichen Rechten und Möglichkeiten vorenthalten bleibt“, heißt es in dem Buch. Diese Rechte und Möglichkeiten sind beispielsweise die politischen Rechte. AsylwerberInnen dürfen von dem Instrument der Partizipation in einer Demokratie, dem Wahlrecht, kein Gebrauch machen. Auch sind sie von sozialstaatlichen Leistungen und ökonomischen Ressourcen ausgeschlossen. Meist werden bei Protestaktivitäten nicht generell die Fremden- und Abschiebegesetzgebungen kritisiert, sondern konkret die Abschiebung von gut ins lokale Umfeld integrierten Personen oder Familien kritisiert. 

Anhand der Protestereignisanalyse werden die Protestgruppen in ihren Formen, Zielen und Argumenten untersucht. Hier werden zwei Arten von Akteuren unterschieden, jene auf lokaler und jene auf supra-lokaler Ebene. Erstere zeichnen sich durch ein persönliches Beziehungsverhältnis oder ein geografisches Naheverhältnis zu den Betroffenen aus. Zweitere beschreibt Gruppen, die über diese lokale Ebene hinausgehen. Das können organisierte Gruppen wie Nichtregierungsorganisationen (NGO´s) sein oder auch Einzelpersonen, die sich für das Bleiberecht bestimmter Menschen stark machen.

Worauf es ankommt

„Ungünstig“ so werden die politischen Rahmenbedingungen für Anti- Abschiebungsproteste in Österreich beschrieben. Das hat zwei Gründe: einerseits ist in Österreich eine schwach ausgeprägte Tradition zivilgesellschaftlichen politischen Engagements zu beobachten und andererseits ist Asyl ein innenpolitisch stark emotionalisiertes Thema. Ein Thema, das gerne zum Polarisieren missbraucht wird. Gekennzeichnet ist die politische Landschaft von Mangel an Bewusstsein für die Situationen von AsylwerberInnen, Ablehnung von MigrantInnen und der Unterstützung einer strengen Migrationspolitik.

In den meisten Fällen sind es persönlichen Kontakte, die dazu fürhen, dass gegen eine Abschiebung und für ein Bleiberecht protestiert wird. Informelle Netzwerke des Alltagslebens, Vereine, Schule, religiöse Einrichtungen, Arbeitsplatz und Wohnort sind hier maßgeblich. Dort findet die soziale Integration statt, die aber erschwert wird, wenn den AsylwerberInnen das Recht auf Arbeit, Bildung, soziales Leben verwehrt bleibt. Entscheidend für die Initiierung von Protesten sind schlussendlich die sozialen Bindungen zwischen ÖsterreicherInnen und AsylwerberInnen und damit einhergehende Emotionen wie Ärger und Entrüstung wenn die Menschen aus dem Land abgeschoben werden sollen.


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