Serviten-Flüchtlinge: „Es gibt viele Malalas“

INFO:
  • Gestern haben die Asylwerber aus dem Servitenkloster einen Brief veröffentlicht, in dem sie um Hilfe bitten. Sie suchen eine Herberge, in der sie zusammen bleiben können.
  • Der Brief

16.10.2013 | 14:55 | Clara Akinyosoye

Zwei Wochen bleiben den 25 Asylwerbern noch, bis sie das Servitenkloster in Wien endgültig verlassen müssen. Aber umziehen wollen sie nur gemeinsam, um ihren Protest weiter vereint fortführen zu können. Clara Akinyosoye hat die Asylwerber am vergangenen Freitag besucht. Da wurde bekannt, dass die pakistanische Frauenrechtskämpferin Malala den Friedensnobelpreis nicht bekommt. Eine Reportage aus dem Servitenkloster.

Wien. Es ist nun schon das dritte Mal, dass Khan Adalat nach der Tageszeitung greift. Er hält ein Plädoyer für Gleichheit und Menschenrechte und legt das Gratisblatt wieder hin. „Malala als Favoritin für den Friedenspreis“ wird in dieser etwas älteren Ausgabe getitelt. Schnee von gestern eigentlich, denn am Vormittag ist klar geworden, dass die junge Pakistani ihn nicht bekommt. Das ist auch hierher zu den Asylwerbern im Servitenkloster durchgedrungen. Aber Malala Yousafzai ist in diesem Klosterkeller, wo die Männer um einen Tisch versammelt sitzen und Tee trinken, ein großes Thema.

Seit mehr als sieben Monaten leben die 25 Asylwerber im Servitenkloster im neunten Bezirk. Sie sind mehrheitlich Pakistani aber auch Afghanen und Paschtunen sind darunter. Am Anfang des Protests waren es noch etwa 70 Asylwerber. Nach einem langen Protestmarsch von der Erstaufnahmestelle Traiskirchen hatten sie im Sigmund-Freud-Park ein Zeltlager aufgeschlagen. Dann kam die Räumung durch die Polizei und die Asylwerber flüchteten in die Votivkirche und weigerten sich, sie zu verlassen. All das ist fast ein Jahr her. Im März nahmen rund 60 Asylwerber schließlich das Angebot der Kirche an und übersiedelten ins Servitenkloster. Doch ihre Forderung, nämlich Asyl in Österreich zu erhalten, ist bis heute unerfüllt geblieben. Im Gegenteil – zuletzt wurden einige der Asylwerber der Schlepperei verdächtigt, einige inhaftiert und viele abgeschoben. Kritiker – darunter auch Kardinal Christoph Schönborn  – monierten, dass der Wahlkampf bei diesen Entscheidungen eine tragende Rolle gespielt habe.

Einer für alle

Es ist ein karger, weitläufiger Keller, der als Aufenthaltsraum für die Asylwerber dient. Aber die Mikrofone und Lautsprecher, die herumliegen, lassen vermuten, dass hier auch manchmal Kundgebungen und andere Veranstaltungen stattfinden. Die spärlichen Sitzgelegenheiten haben ihre besten Zeiten bereits hinter sich. Khan Adalat, ein Paschtune aus dem Swat-Tal im Norden Pakistans, ist einer der Sprecher der Asylwerber. Traurige Berühmtheit erlangte das Swat-Tal durch den Terror der radikal-islamistische Taliban. Dort wurden die Taliban gegründet und dort schossen sie der damals 14-jährigen Malala letztes Jahr in den Kopf, weil sie sich für die Bildung von Mädchen stark machte. Adalat ist ein wenig ungeduldig. Hier sprechen zwar nicht viele andere, aber jenen, die es tun, fällt er ins Wort. Man muss ihn bremsen, wenn man die Geschichten der anderen Asylwerber von den Betroffenen selbst erzählt bekommen will. Denn Adalat  – der älteste unter den Asylwerbern – hat sich im Laufe der letzten Monate daran gewöhnt nicht nur für sich sondern auch für die anderen zu sprechen. Er unterbricht seine Ode an die Menschenrechte nur um sich eine Zigarette anzuzünden. Adalat ist 47, er hat viel durchgemacht und das sieht man ihm an. Er wirkt älter, hat Narben im Gesicht. Sie stammen aus der Zeit in Griechenland, wo Adalat nach seiner Flucht vor acht Jahren zuerst gelandet war.

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Fall Malala zeigt Doppelmoral auf

Adalat wird nicht müde, Parallelen zwischen seiner Situation und der von Malalas Familie zu ziehen. Er komme aus demselben Gebiet, auch er sei wie Malalas Vater politisch aktiv gewesen, auch er und seine Familie seien bedroht worden, zudem beklage er schon den Verlust von Familienmitgliedern durch die Taliban, erzählt Adalat. „Das ist eine Doppelmoral. Es wird mit zweierlei Maß gemessen“, findet er. Von den anderen kommt Zustimmung. Der Vorwurf richtet sich an Österreich, die USA, Europa, die ganze Welt. Aber jedenfalls an all jene, die sich mit Malala „schmücken“ würden um Einsatz für Menschenrechte zu präsentieren aber anderen Schutzsuchende aus Pakistan, Afghanistan oder anderen Regionen kaum bis keine Unterstützung zuteilwerden ließen. „Es gibt viele Malalas. Wir brauchen auch Schutz“, sagt Adalat.

Was bleibt ist Enttäuschung

Doch Fakt ist, dass der Großteil der Männer, bereits negative Asylbescheide bekommen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Zukunft in Österreich haben werden, ist verschwindend gering.  99 Prozent der Asylanträge aus Pakistan werden negativ beantwortet. Auch hier finden NGO Vertreter, Kirche und Caritas immer wieder kritische Worte. Man sieht die Bedrohungslage in Pakistan eben anders als die Behörden und macht sich Sorgen um die Flüchtlinge. Auch jetzt kümmert sich die Caritas noch um die Belange der Asylwerber. Doch im Servitenkloster zeigt man sich enttäuscht. Man habe ihnen Schutz versprochen, aber dennoch „sind einige von uns abgeschoben worden“, kritisiert ein Asylwerber. Dazu kommt, dass die Asylwerber in den nächsten zwei Wochen das Servitenkloster verlassen müssen. Es wird renoviert und zu einer Unterbringung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge umgebaut.

Die protestierenden Asylwerber wollen aber nicht voneinander getrennt werden. Sie wollen nur gemeinsam umziehen. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“. Wenn man entscheide sie zu trennen, werden sie sich weigern das Kloster zu verlassen. Was haben sie noch zu verlieren? Sie stellen auch weitere Proteste in Aussicht. An den Kellerwänden hängen Plakate. Auf einem davon steht: „No borders, no nations, stop deportations“. Ein Wunschtraum für viele hier.


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