Staatsbürgerschaft: Die zehn wichtigsten Fragen zur Einbürgerung

06.11.2012 | 19:24 | Clara Akinyosoye und Ilona Antal

Wie schwer oder leicht ist es, österreichischer Staatsbürger zu werden? Muss man dafür seinen alten Pass aufgeben? Und wie viele Menschen werden eingebürgert? Die „Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wien. Migranten sollen künftig schneller die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen können. Zumindest jene, die durchgehend gearbeitet, keine Sozialhilfe in Anspruch genommen haben und die zentralen Neuerungen nachweisen können: Deutsch auf Maturaniveau zu sprechen und drei Jahre ehrenamtlich gearbeitet zu haben. So sieht der jüngste Vorschlag von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz aus. Damit erntet er aber nicht nur Lob. Zu weit geht der Vorschlag der FPÖ, die Kurz vorwirft, die Staatsbürgerschaft als „Ausverkaufsartikel“ zu handeln. Den Grünen wiederum geht die Erleichterung nicht weit genug. Sie kritisieren, dass sozial Schwache immer noch benachteiligt sind und somit dauerhaft vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Sie fordern, dass in Österreich geborene Migranten automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen. Obwohl der Kurz-Vorschlag für einige Migranten eine Erleichterung bringen würde, hagelt es Kritik. Ljubomir Bratic, Sozialwissenschafter und Aktivist hält nichts von dem Ehrenamt-Bonus und sieht in dem Vorschlag eine Diskriminierung. „Ich möchte sehen, wann und wo eine Reinigungsfrau mit Familie noch Zeit für die gutbürgerliche Ehrenamtlichkeit hat.“

In den in der Folge aufgeflammten Diskussionen über die Staatsbürgerschaft wird in der Bevölkerung oft mit Bauchgefühl argumentiert, weil viele Fakten nicht ausreichend bekannt sind. „Die Presse“ hat deshalb die wichtigsten von ihnen zusammengetragen.

Wie bekommt man die österreichische Staatsbürgerschaft?

Um eine Staatsbürgerschaft in Österreich zu erwerben, muss man derzeit neben einem geregelten Einkommen auch einen ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalt sowie Deutschkenntnisse auf Maturaniveau und ein positives Ergebnis der Staatsbürgerschaftsprüfung nachweisen können. Lebt man ununterbrochen mit dreißigjährigem Hauptwohnsitz in Österreich, kann die Staatsbürgerschaft aufgrund eines Rechtsanspruchs verliehen werden. Bei sogenannten „beruflich und persönlich gut Integrierten“ gilt das schon ab einem 15-jährigen ununterbrochenen Aufenthalt.

Gibt es Menschen, die leichter zur Staatsbürgerschaft kommen?

Migranten können durch außerordentliche Leistungen im besonderen Interesse der Republik die Staatsbürgerschaft in Österreich erwerben. Das ist bei Prominenten wie etwa der russischen Sängerin Anna Netrebko oder dem Ex-Fußballer Ivica Vastić der Fall gewesen. Allzu viele Fälle gibt es aber nicht – so waren es etwa 1997 insgesamt 74 Einbürgerungen, 2009 waren es nur noch 29.

Wer hat schlechte Chancen auf eine Einbürgerung?

Schwer Zugang zu einer Staatsbürgerschaft haben Menschen mit vergleichsweise geringem Einkommen, wie etwa auch Teilzeitbeschäftigte oder Alleinerziehende. Experten kritisieren, dass sie deshalb langfristig keine Chance auf das Wahlrecht haben, obwohl sie bereits seit mehreren Jahren eine legale Niederlassung in Österreich haben. Menschen mit Behinderungen, die ihren Lebensunterhalt nicht allein sichern können, sind derzeit vom Zugang zur Staatsbürgerschaft ausgeschlossen.

Wer lässt sich in Österreich einbürgern?

Etwa 36 Prozent der Eingebürgerten sind schon in Österreich geboren. Bei Eingebürgerten mit exjugoslawischem Migrationshintergrund liegt ihr Anteil bei 43 Prozent, bei türkischen Migranten stellen die in Österreich Geborenen mit 56 Prozent die Mehrheit. Im Jahr 2011 waren unter den eingebürgerten Neoösterreichern 42Prozent vorher Staatsbürger aus dem ehemaligen Jugoslawien und 18Prozent aus der Türkei. Rund zwei Prozent der türkischen Migranten, die seit mehr als zehn Jahren in Österreich leben, haben sich bereits einbürgern lassen. Das sind doppelt so viele wie bei Staatsbürgern aus Ex-Jugoslawien. Der Großteil der Eingebürgerten stammt aus europäischen Nicht-EU-Staaten.

Wie sieht es bei Kindern aus binationalen Beziehungen aus?

Eheliche Kinder erhalten bei der Geburt automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn einer der Elternteile österreichischer Staatsbürger ist. Bei unehelichen Kindern erwerben die Nachkommen die Staatsbürgerschaft der Mutter, jene des Vaters spielt in diesem Fall keine Rolle. In Österreich gilt nämlich, anders als etwa in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Abstammungsrecht (Ius Sanguinis), nicht das Bodenrecht (Ius Soli). Amerikaner wird also, wer auf amerikanischem Boden geboren wird.

Wie viele Menschen wurden bisher eingebürgert?

Seit dem Jahr 1946 wurden laut Statistik Austria insgesamt 1.138.366 Mio. Menschen eingebürgert. Die Zahl der Einbürgerungen war 2003 mit 45.000 Personen am höchsten und ist dann fortwährend gesunken. 2010 war die Zahl der Einbürgerungen mit 6135 am niedrigsten. 2011 gab es insgesamt 6690 Einbürgerungen.

Wann ist eine Doppelstaatsbürgerschaft möglich?

Ein Anrecht auf Doppelstaatsbürgerschaft hat man dann, wenn durch die Geburt in einem Land automatisch die Staatsbürgerschaft erworben wurde (beispielsweise in den USA) und die dortigen Gesetze etwa keine Entlassung aus dem Staatsverband vorsehen. Wurde man als Fremder (vor 1945) wegen seines Einsatzes für die demokratische Republik Österreich durch Organe der NSDAP oder Behörden des Dritten Reiches Verfolgungen ausgesetzt, gilt dasselbe Anrecht.

Welche Vorteile sind mit der Staatsbürgerschaft verbunden?

Neben dem uneingeschränkten aktiven und passiven Wahlrecht gewährleistet eine österreichische Staatsbürgerschaft absolute Aufenthaltssicherheit und unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt ohne Quotierungen. Auch die Ausübung bestimmter Berufe (hoheitsstaatliche Verwaltung) bleibt Migranten mit einer nicht österreichischen Staatsbürgerschaft verwehrt. So müssen etwa Richter, Notare und Staatsanwälte österreichische Staatsbürger sein.

Kann die Staatsbürgerschaft entzogen werden?

Prinzipiell gilt das Prinzip der Vermeidung der Staatenlosigkeit. Wem allerdings nachgewiesen werden kann, dass die österreichische Staatsbürgerschaft durch vorsätzlichen Betrug erlangt wurde, der kann ausgebürgert werden. Weitere Gründe für einen Verlust sind die zusätzliche Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft, oder wenn ein Eingebürgerter in der Armee eines anderen Staates seinen Wehrdienst leistet.

Wie streng ist Österreichs Staatsbürgerschaftsgesetz?

Österreich zeigt sich im europäischen Vergleich als Staat mit restriktivem Einbürgerungsgesetz. Das zeigen Teilergebnisse einer European-Union-Democracy-Observatory-Studie (EUDO). In den meisten Kategorien findet sich Österreich im letzten Drittel, etwa, was die Wartefrist betrifft. Liegt sie in Österreich bei zehn Jahren, sind europaweit fünf Jahre der Durchschnitt. Auch im Bezug auf Hürden ist Österreich strenger als andere Staaten. So können schon Verwaltungsübertretungen – es reicht Alkohol am Steuer – dazu führen, dass man vom Zugang zur Staatsbürgerschaft ausgeschlossen wird. Auch die Höhe des erforderlichen Einkommens (über den Richtsätzen der Ausgleichszulagen, für Einzelpersonen rund 815 Euro) liegt in Österreich im restriktiven Spitzenfeld. Eine liberale Position wird dagegen bei privilegierten Einbürgerungen eingenommen (also im Interesse der Republik). In anderen Ländern ist die Einbürgerung diesbezüglich schwieriger.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.11.2012)


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