Wiens Integrationspolitik im Ausland

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12.12.2008 | 7:33 | Josipa Crnoja

Die Wiener Auslandshilfe unterstützt Hilfsprojekte außerhalb Österreichs. Besonders großer Wert wird dabei auf Bildung, Schulung sowie die Förderung von Frauen gelegt.

Baracken ohne Strom und Wasser, kein Betonboden, sondern nur Erde, keine Kanalisation, tonnenweise Müll. Eine Szenerie, die man sich in Österreich kaum vorstellen kann. Etwa 1000 Kilometer von Wien entfernt, im Süden von Bulgarien, leben zahlreiche Roma unter genau diesen Umständen. „Wir haben in vier Tagen gemeinsam mit 200 Roma-Frauen und Männern ungefähr 400 Kubikmeter Müll eingesammelt“, berichtet Walter Macher von der Hilfsorganisation Adra Österreich.

Adra steht für Adventist Development and Relief Agency und ist eine Organisation, die seit 1999 zur Verbesserung der Wohn- und Lebenssituation der Roma in Bulgarien beiträgt. Kern der Aktivitäten ist die Wohnsiedlung Istok, Teil der Stadt Kjustendil. Im „Obstgarten Bulgariens“, wie diese Stadt genannt wird, leben 70.000 Menschen, davon sind etwa 12.000 Angehörige der Roma.

Finanzierung aus Österreich

Für diese Roma-Familien baut Adra Österreich Häuser. Seit 2002 wurden zwei Reihenhaussiedlungen errichtet und an Familien übergeben. Finanzielle Unterstützung dafür kommt aus Österreich: Die Stadt Wien unterstützt schon seit Längerem Hilfsprojekte im Ausland. Was als gelegentliche Katastrophenhilfe mit humanitären Sofortmaßnahmen begann, entwickelte sich zu konkreten und regelmäßigen Hilfsprojekten.

Diese umfassen in erster Linie den Aufbau von Bildungs- und Schulungseinrichtungen oder von medizinischen Zentren. Seit 2002 hat die „Wiener Auslandshilfe“ insgesamt 113 Projekte in 26 Ländern gefördert. „Wir unterstützen die Projekte in armutsgefährdeten Regionen, vor allem in Süd- und Osteuropa sowie in Afrika“, erklärt Christian Anderle, Verantwortlicher des Büros für Entwicklungszusammenarbeit der Stadt Wien.

Und die Maßnahmen zeigen bereits Erfolge: In der Wohnsiedlung Istok finden sich statt Baracken nun auch Häuser mit Badezimmer, Wohn- und Schlafzimmer, möbliert und mit Wasser- und Stromanschlüssen. Geheizt wird mit Holz oder Kohle in Öfen. „Wir haben ein medizinisches Zentrum umgebaut und mit verschiedenen Ärzten besetzt, um essenzielle Untersuchungen durchführen zu können“, sagt Adra-Koordinator Macher.

Das Besondere am Projekt ist, dass alle Bauobjekte von Roma aus Istok selbst errichtet wurden. „Mit einer symbolischen Monatsmiete von zehn Euro zahlen die Bewohner in einen Topf für Reparaturen“, sagt Walter Macher. Mehr als die Hälfte der Gelder für dieses Projekt kamen von Privatspendern aus Österreich.

Aber es ist nicht nur die Wohnsituation miserabel, Probleme gibt es auch auf anderen Ebenen. So ist etwa die Arbeitslosenrate extrem hoch, rund 80 Prozent der Menschen sind ohne Job und die meisten Familien leben von den 60 bis 80 Euro Sozialhilfe, die sie im Monat bekommen. Besonders schlimm ist die Situation für Frauen, da sie meist zu Hause bleiben, um sich um die zahlreichen Kinder zu kümmern. Sehr viele können weder schreiben noch lesen.

Diese Menschen zu fördern ist ein Teil der Strategie der Wiener Auslandshilfe. Die „Hilfe vor Ort“ wird als integraler Bestandteil der Migrations- und Integrationspolitik der Stadt Wien verstanden – nicht umsonst ist die Auslandshilfe im Ressort von Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger angesiedelt.

Ortswechsel: Sabrin ist 12 Jahre alt. Vor vier Jahren erkrankte sie an einem bösartigen Tumor im rechten Auge. Da Sabrin in einem kleinen Dorf im Süden des Irak lebt, musste sie stundenlang zum nächsten Krankenhaus nach Basra fahren. Die Mutter hatte kein Geld für den Transport, die Behandlung verlief nur unregelmäßig.

Sterblichkeit im Irak gesenkt

Sabrin kämpft mit dem Tumor, ihre Heilung ist ungewiss. Und dennoch: „Sie lacht viel und will anderen Menschen helfen“, berichtet Eva-Maria Hobiger, Ärztin aus Wien. Nach einem Besuch im Mutter-Kind-Spital in Basra im Jahr 2001 gründete die engagierte Ärztin das Hilfsprojekt „Aladins Wunderlampe“. Dabei sollte krebskranken Kindern in Basra geholfen werden, indem man Medikamente liefert und ihnen eine angemessene Behandlung ermöglicht. Die Stadt Wien half dabei.

„Es gab eine Sterblichkeit von 100 Prozent, heute liegt sie bei 25 Prozent“, erzählt Hobiger. Dieses Projekt der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen entwickelt sich weiter, neue Medikamentenlieferungen sind geplant. Zudem werden Kinder, die eine komplizierte Therapie benötigen, in Österreich, Deutschland, Frankreich oder der Schweiz untergebracht. Sabrin hat im Spital mittlerweile lesen und schreiben gelernt. Mit Leichtigkeit zeichnet sie Bäume und Häuser. „Auf jeder ihrer Zeichnungen steht ein großes ,Danke, Eva!‘“, erzählt die Ärztin.

Die Wiener Auslandshilfe setzt darauf, mindestens eines von acht Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (Millennium Development Goals) zu unterstützten. Der diesjährige Schwerpunkt liegt bei der Förderung junger Frauen und Mädchen, die ihre Ausbildung abgebrochen haben und arbeitslos sind. Hilfsprojekte wie Lehrstellen in einer Bäckerei im Kosovo oder eine Ausbildung zur Schneiderin in Albanien bringen einen Ausweg aus der Armut. Allein heuer investierte die Stadt Wien für die Auslandshilfe 200.000 Euro. ( JOSIPA CRNOJA, Die Presse, Print-Ausgabe, 17.12.2008)


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