Atdhe Nuhiu: Migrant mit Heimat Fußball
- Atdhe Nuhiu wurde am 29.Juli 1989 in Prishtina geboren. Seine Fußballkarriere begann der 1,96 Meter große Spieler bei der Sportunion-Ried im Traunkreis. Nach Stationen beim FC Wels, SV Ried und Austria Kärnten wechselt er 2010 zu Rapid Wien.
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14.12.2011 | 9:40 | Armand Feka
Von Beruf ist er Stürmer beim österreichischen Rekordmeister Rapid Wien. Und als gebürtiger Kosovare ist der 22-jährige Atdhe Nuhiu auch ein Role Model für eine gelungene Integration durch den Sport.
Wien. Auf Deutsch bedeutet sein Vorname „Heimat“. Ein Begriff, den Atdhe Nuhiu selbst aber nur schwer definieren kann. „Meine Herkunft kann und will ich nicht vergessen“, sagt der Fußballer, der in Prishtina im heutigen Kosovo geboren wurde. „Aber ich bin in Österreich aufgewachsen und mache mir darüber nur noch wenig Gedanken.“
Mit dieser Haltung steht der 22-Jährige nicht allein da – sie ist symptomatisch für den demografischen Wandel, der in der österreichischen Gesellschaft vor sich geht. Und auch im österreichischen Fußball. Ein Viertel der 23 Spieler im österreichischen Nationalteam hat Migrationshintergrund. Diese Spieler stehen nicht nur vermehrt in der Öffentlichkeit, sondern nehmen auch eine Vorbildfunktion ein.
Als Vorreiter im Kampf um Anerkennung von Menschen mit Migrationshintergrund sieht sich der Stürmer von Rapid Wien aber nicht – seine Konzentration gilt allein dem Fußball, sagt er. Der Sport war ihm von Anfang an am wichtigsten, dennoch bestand Nuhius Vater darauf, dass sein Sohn eine Ausbildung abschließt. 1989 war der Vater zunächst allein vom Kosovo nach Österreich emigriert, erst im Anschluss holte er seine Familie nach.
Debüt mit 16 Jahren
Schnell kristallisierte sich heraus, dass der Bub Talent hat – und so wechselte er bald von seinem Stammklub in Ried im Traunkreis zum FC Wels. „Der Wille, als Profi das zu schaffen, von dem so viele träumen, war immer ungebrochen“, sagt Nuhiu. Sein Eifer und der Drang nach Erfolg sollten den 1,96 Meter großen Stürmer bereits früh in seiner Karriere auszeichnen. Adam Kensy, sein Trainer beim FC Wels, holte ihn von den Amateuren in die Kampfmannschaft, bereits mit 16 Jahren feierte er sein Debüt in der Regionalliga.
Schnell konnte er mit seinen Qualitäten überzeugen. Gegen den damaligen Ligakonkurrenten Vöcklabruck trumpfte er auf und beeindruckte damit den damaligen Vöcklabrucker Trainer Frenkie Schinkels. Er holte den talentierten Nuhiu bei seiner nächsten Trainerstation gleich zu Austria Kärnten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Nuhiu schon die Handelsschule in Wels abgeschlossen. Der Rest ist Bundesligageschichte. Gleich in seinem ersten Spiel im Sommer 2008 erzielt er 15 Minuten nach seiner Einwechslung sein erstes Bundesligator gegen LASK Linz.
„Ich bin manchmal wie ein Vulkan“, sagt der junge Stürmer. „Man darf auf dem Spielfeld nicht zu brav sein. Vielleicht liegt das auch an meiner Mentalität.“ Gerade seine Herkunft habe viele seiner Wesenzüge geprägt.
Aufwachsen in zwei Kulturen
Nuhiu weiß, was es bedeutet, zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen aufzuwachsen. Der Kultur seiner kosovarischen Eltern und somit einem Abbild seines Herkunftslandes und der Kultur der österreichischen Mehrheitsgesellschaft, in der er aufgewachsen ist. „Ich fühle mich in Österreich wohl“, sagt er. „Die Lebensqualität hier ist sehr hoch.“ In der alten Heimat ist er meist nur noch einmal im Jahr.
Dass eine Identität zwischen zwei Kulturen auch öfter Schattenseiten hat, ist dem 22-Jährigen bewusst. Und gerade im Fußballstadion ist Rassismus immer wieder ein Begleiter. Beleidigende Fangesänge hält Nuhiu aber eher für „Emotionsgeschichten, die in der Hitze des Spielgeschehens passieren“. Dennoch treffen sie ihn. „Man kann mir zwar nicht ansehen, dass ich nicht aus Österreich stamme, aber an meinem Namen erkennt man das ja dann doch.“
Seine neue Heimat, das ist derzeit Rapid Wien. Er hat sich durchgebissenen auf Wiens hartem Fußballpflaster. Hier ist der Erfolgsdruck vielleicht noch ein wenig größer als anderswo in Österreich. „Ich hatte auch schwächere Phasen, aber davon darf man sich nicht irritieren lassen“, erzählt er. Man müsse sich einfach jeden Tag immer wieder neu beweisen.
„Durchbeißen“, das ist überhaupt das Wort, mit dem er sich gern charakterisiert. Ein Fußballarbeiter sei er, der sich nicht zu schade ist, die langen Wege zu gehen. Man könnte es im Leistungsport, in dem viele Spieler mit Migrationshintergrund den sozialen Aufstieg schaffen, auch als Integration über Einsatz bezeichnen.
Dennoch gibt es im hart umkämpften Profifußball nach wie vor Platz für Freundschaften. Mit seinen Klubkollegen Rene Gartler und Hamdi Salihi zum Beispiel.
Höhepunkt gegen Aston Villa
Seine Träume hat er sich bei Rapid noch nicht ganz erfüllt. Aber immerhin, die Europacupspiele im vergangenen Jahr waren für ihn schon ein guter Vorgeschmack. Im Qualifikationsspiel gegen den englischen Verein Aston Villa traf er gleich zweimal – sein persönlicher Karrierehöhepunkt. Mit Rapid liegt der junge Stürmer derzeit nach der Hälfte der Saison im Rennen um die Meisterschaft.
Man merkt ihm die Anspannung an, den aufblitzenden Ehrgeiz und seinen Willen zu gewinnen. Atdhe Nuhiu gilt nicht umsonst als einer der talentiertesten jungen Stürmer in der Liga. Und als weiterer Österreicher mit Migrationshintergrund, der seine Heimat im Fußball gefunden hat.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.12.2011)