Fußball: Hoffen zwischen Foul und Elfmeter

02.04.2008 | 19:24 | Josipa Crnoja

Warum die Euro 08 Brücken zwischen Österreichern und Neo-Österreichern schlägt.

WIEN. „Unsere schöne Heimat, heldenhaftes liebes Land, alten Ruhmes Väter Erbe, ewig sollst du glücklich sein.“ – Stolz singt ein Chor aus elf Männern, ihre rechte Hand ruht dort, wo das Herz schlägt. Ernste Gesichter, rot-weiß-karierte T-Shirts, weiße Shorts – so steht die Elf auf dem Rasen, singt die kroatische Hymne und hofft auf einen Sieg.

Hunderte Kilometer von Glasgow entfernt schöpfen diese Hoffnung auch die Besucher des Cafés Scorpion im 15. Wiener Gemeindebezirk. Mittwoch, kurz vor 21 Uhr beginnt das Freundschaftsspiel der kroatischen Fußballer gegen die schottische Mannschaft.

Die Gäste im Wiener Café wissen, dass für ihre kroatische Mannschaft, den ersten Gegner Österreichs bei der heurigen Fußball-EM, dieses Match eine harte Probe ist. Im letzten Freundschaftsspiel hatte Kroatien vor heimischem Publikum gegen die Niederlande verloren – 0:3. Nicht zuletzt deshalb ist ein Sieg gegen die Schotten ein Muss.

Auszeit für das Gemeinsame

Das Café Scorpion ist ein kleines Lokal: Mini-Bar, fünf Sitzecken – nicht mehr als 15 Quadratmeter. Ein beengter Raum mit idealen Fan-Bedingungen: Zwei Fernseher und eine große Leinwand sorgen dafür, dass die Gäste das Spiel aus jeder Ecke einwandfrei verfolgen können. Das Fußballspiel wird in der Muttersprache der Gäste übertragen: Der Cafébesitzer empfängt, wie viele Kroaten in Wien, HRT – Hrvatska radio televizija – ein Stück Heimat in Wien.

Und für die Exil-Kroatin Jadranka Vincek ist klar: „Kroatien wird heute gewinnen, kein Zweifel.“ Sie ist – außer der beiden Kellnerinnen – die einzige Frau, die heute ins Café gekommen ist. Sie hofft – gewissermaßen zwischen Foul und Elfmeter. Die etwa 30 Männer auch. Selbstgebratene „Cevapi“ und hausgemachter Nuss-Schnaps stehen auf den Tischen, sehr bald füllt weißer Zigarettenrauch das kleine Café. Das Licht ist aus, die Gesichter sind schwer zu erkennen. Die Spannung ist zu spüren.

Kroaten lieben Fußball. Viele von ihnen haben den österreichischen Fußball geprägt: Aus ihm sind etwa Otto Baric, Vlatko Markovic, Bozo Bakota, Nikola Jurcevic oder Ivica Vastic nicht mehr wegzudenken.

Um diese Fußballer dreht sich auch die kroatische Fußballliga in Wien, in der Baric & Co gespielt haben. Diese Liga besteht seit 1990 und in den ersten Jahren zählte sie bis zu 22 Fußballvereine. Heute sind es nur noch neun Vereine, aber die Tradition wird fortgesetzt indem regelmäßig am Wochenende auf der Wiener Schmelz gespielt wird. Diese Liga ist eine Sektion der österreichisch-kroatischen Gesellschaft für Kultur und Sport und wurde vor 18 Jahren gegründet.

„Wir wollen unsere Tradition, Kultur und Sprache erhalten. Durch sportliche und kulturelle Aktivitäten lernen wir einander besser kennen“, berichtet Miroslav Piplica, Präsident der Gesellschaft – ein Zusammenrücken nicht nur zwischen Foul und Elfmeter, sondern auch davor und danach.

Während Piplicas Sportkarriere gaben ihm Fans einen Spitznamen: Scorpion, da er jahrelang Weltmeister in Kick-Boxing und Europameister in Thai-Boxing war. Damit war der Name vorgegeben als er sein Café aufmacht: Café Scorpion.

In der Gegenwart freut sich Piplica über einen Sieg in einem ganz anderen Bewerb: In die Gesellschaft haben sich nun schon 3000 Mitglieder eingeschrieben: Österreicher, Neo-Österreicher und Kroaten. Außer der Fußballliga gibt es noch die kroatische Kegelliga mit neun einzelnen Vereinen. Zahlreiche Folklore-Gruppen setzen die Tanztradition aus der Heimat fort – insgesamt mehr als 20 Vereinigungen.

„Unser Traum ist es ein kroatisches Zentrum in Wien“, wünscht sich Jadranka Vincek. Sie ist eines der Vorstandsmitglieder der österreichisch-kroatischen Gesellschaft. Erste Gespräche mit der Stadt lassen Optimismus aufkommen: „Mit diesem Zentrum werden wir endlich unser Heim bekommen und alle unsere Vereine können dort ihre Aktivitäten realisieren“.

Der Schlusspfiff an diesem Mittwoch reißt die Dutzenden im Café Scorpion jäh aus diesen Zukunftsträumen: Aus dem Sieg ihrer kroatischen Mannschaft ist nichts geworden, es bleibt beim Remis, ganz ohne Elfer. 1:1. Ein Hoffnungsschimmer bleibt: „Entscheidend ist, dass Kroatien bei der EM gut spielt,“ sagt Drago Pranjic, langjähriger Trainer von „Hajduk“ – des Fußballvereins in Wien, nicht in Split.

Und spätestens dann nimmt das Gemeinsame eine Auszeit – zumindest für jene 90 Minuten, in denen österreichische und kroatische Spieler um das raue Leder kämpfen: Beim EM-Auftakt treffen die Mannschaften von Österreich und Kroatien auf einander.

Die „Vatreni“ – die Feurigen, wie Fans die kroatischen Kicker nennen – werden von Zehntausenden unterstützt werden. Nicht weniger als 120.000 Fans wollen nach Wien kommen. Sie wollen nicht nur Freunde besuchen. Sie wollen auch, dass Kroatien Europameister wird. Nicht mehr und nicht weniger. (JOSIPA CRNOJA)


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