Migration und Sport Das Ziel ist Anerkennung

default

12.05.2010 | 16:24 | Aram Ghadimi

In Österreich gibt es unzählige Sportvereine von und für Migranten. Ihre Ziele sind nicht nur sportlicher Natur, viele Vereine setzen sich vor allem für ein faires Bild von Migranten ein.

Allein schon unser Name weckt Interesse, manche verwechseln Ararat mit Arafat.“ Coco Akdedian, Obmann des österreichisch-armenischen Sportvereins Ararat, kann über das häufig auftauchende Missverständnis dennoch lachen. Schließlich löse sich die Verwechslung schnell auf, das Gespräch komme auf die Volksgruppe, die dahintersteht, und es entstehe ein Dialog: „Wenn ich pro Spiel nur einer Person etwas über Armenier erzählen kann, dann ist das Ziel erfüllt.“

Auch Srdjan Stokic, Präsident des SV Srbja 08, liegt vor allem die Reputation der Serben am Herzen: „Die sportlichen Ziele kommen erst an zweiter Stelle.“ Und auch Emanuel Ekeigwe, Obmann des Fußballvereins SC New African Football Academy, sieht den Abbau von Vorurteilen als wichtigstes Ziel seines Vereins. Die Ziele migrantischer Sportvereine sind oft ähnlich – neben dem sportlichen Aspekt geht es vor allem darum, die Community ansprechend zu repräsentieren.

So homogen, wie die Namen vermuten lassen, sind migrantische Vereine jedoch nicht immer: Die Mannschaft des Fußballvereins SC New African Football Academy etwa ist mit Spielern aus Afghanistan, Äthiopien, der Türkei, dem Kongo, Südafrika und Österreich ein gutes Beispiel für Interkulturalität.

Für die Vereine spielt auch der Dialog mit anderen Gruppen eine große Rolle: „Nach dem letzten Spiel sind wir mit den anderen ein Bier trinken gegangen“, erzählt Akdedian über interkulturelle Begegnungen im Sport. Zeitweise gehen aber auch die Emotionen hoch, vor allem, wenn es auf dem Spielfeld gegen Mannschaften geht, mit deren Community es Probleme gibt. Ein Spiel der Armenier gegen eine türkische Mannschaft etwa wurde abgebrochen. Dafür gab es beim Rückspiel Blumen als versöhnliche Geste.

Für die Dauer des Spiels wird versucht, Konflikte auszublenden oder sie auf sportlicher Ebene auszutragen. Manchmal entsteht erst dadurch die Chance zum Dialog. Akdedian, der für die Uefa als Armenisch-Übersetzer arbeitet, nennt ein praktisches Beispiel: „Bei den WM-Qualifikationsspielen Türkei gegen Armenien musste man miteinander reden. Das ist vorher undenkbar gewesen.“ Bei Spielen zwischen migrantischen Sportvereinen passiere dasselbe.

Sport als Emanzipation

Sport könne in beide Richtungen verwendet werden, argumentiert Historiker und Fußballforscher Gerald Hödl: „Der Zerfall Jugoslawiens hat sich zuerst in den Fußballstadien geäußert.“ Paramilitärische Verbände wären teils direkt aus Fangruppen hervorgegangen. Doch wirke Sport auch emanzipatorisch, das zeige etwa die Geschichte der jüdischen Sportbewegung: „Der Verein Hakoah war in den 20er-Jahren Fußballmeister. Das war etwas, wo man gezeigt hat, dass Klischees über Juden alle falsch sind.“ Ljubomir Bratic, Philosoph und Sozialforscher, weist darauf hin, dass Sport wie Musik eine universale Sprache sei.

Für die erste Generation von Migranten sei es wichtig gewesen, Vereine aufzubauen, weil sie sonst nirgendwo Zugang gehabt hätten. Über den Sport wurden Gemeinsamkeiten geschaffen. In diesem Punkt sind sich die Experten Hödl und Bratic einig: „Sportvereine geben den Migranten eine Stimme und ein positives Selbstbild.“

Migrantische Sportvereine als Werkstätten der Integration haben bereits bei Behörden Beachtung gefunden: „Weil man durch Sport in Kontakt mit anderen Menschen kommt, Freundschaften schließt und verschiedene Dinge üben kann, wie etwa Sprachen und Disziplin“, meint Ursula Schallaböck vom Österreichischen Integrationsfonds. Gefördert wird jedoch meist nur punktuell: Der „Integrationspreis für Sport“ diene dazu, innovative Projekte zu honorieren, die finanziellen Mittel seien jedoch begrenzt.

Kampf um Förderungen

Akdedian weiß von den alltäglichen Schwierigkeiten zu berichten: Das Geld komme von privaten Spendern, oft mit ähnlichem migrantischem Hintergrund. Doch ein Fußballverein ist teuer. Platzmiete, Schiedsrichtergebühr und Ausrüstung wollen bezahlt werden. Die zuständigen Organe halten sich mit Förderungen aber eher zurück, wird geklagt.

Sportsoziologe Otmar Weiss ist dennoch überzeugt: Migrantische Vereine fördern Anerkennung und Integration. Die Teilnahme am Sport unterliegt aber großteils eigenen Regeln. Herkunft spielt dabei eine zentrale Rolle: Laut Statuten des ÖFB dürfen „bei Meisterschaftsspielen der Landesverbände und des ÖFB am Spielbericht bis zu drei Nichtösterreicher nominiert werden.“ Obwohl es heißt, dass jeder Verein verpflichtet sei, mit seiner besten Mannschaft an der Meisterschaft teilzunehmen.

Formular für Ausländer

Einzige Chance zur Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern bietet die Anmeldung bei einem österreichischen Verein vor dem 18.Lebensjahr. Mustafa Iscel, Obmann des Fußballklubs Vienna Türkgücü, kritisiert, dass pro Spiel nur drei Spieler ohne österreichische Staatsbürgerschaft eingesetzt werden können. Bei fünf müssten zwei auf die nächste Woche vertröstet werden. „Stellen Sie sich vor, wie schlimm das für einen Jugendlichen ist, wenn er in Österreich geboren ist, aber keine österreichische Staatsbürgerschaft hat und keinen österreichischen Spielerpass, dann muss ich für ihn ein Ausländerformular ausfüllen und es zur Überprüfung in seine ,Heimat‘ schicken, die er nur aus dem Urlaub kennt.“


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Aram Ghadimi