ERT-Schließung: „Die Journalisten senden bis die Polizei sie rauswirft“

12.06.2013 | 13:45 | simon INOU

Der staatliche Hörfunk- und Fernsehsender ERT war 75 Jahre lang eine Institution in der griechischen Medienlandschaft. Gestern beschloss die Regierung den Sender zu schließen, um Kosten zu sparen. Es erging der Beschluss, dass in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ein TV-Programm nach dem anderen abgeschaltet werden sollte. Bei der ersten Mediane (Media in Europe for Diversity Inclusiveness)- Sitzung des Europarats in Nikosia wurde nun eine Petition zur Unterstützung für JournalistInnen und das gesamte Personal des ERT gestartet. Moschos Voitsidis, der Präsident des Journalistenverbandes Nordgriechenlands sprach mit M-MEDIA über die prekäre Situation des staatlichen Senders und die Folgen für die Allgemeinheit. simon INOU stellte die Fragen.

 

M-MEDIA: Was sagen Sie dazu, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Griechenland zugesperrt hat?

Moschos Voitsidis: Danke für diese Gelegenheit. Diese Entscheidung ist einfach schockierend. In der Geschichte Europas ist das, meiner Meinung nach, das erste Mal, dass eine öffentlich rechtliche Radio und TV-Anstalt von den eigenen Behörden zugesperrt wird.

Bedeutet das, dass heute früh der öffentlich-rechtliche Rundfunk erstmals nicht gesendet hat?

Aus den Informationen, die ich gerade von Thessaloniki erhalten habe, geht hervor, dass die JournalistInnen heute früh ins Büro gegangen sind. Sie haben ganz normal gearbeitet und gesendet. Sie wollen das solange tun bis die Polizei kommt und alle rauswirft. Was noch nicht der Fall sein wird.

Warum hat die Regierung die Schließung angeordnet?

Die sogenannte EU Troika hat alles beschlossen. Sie wollte eine Reduzierung von Beamten. Und die griechische Regierung hat es sich leichter gemacht indem sie, statt kleinere Strukturen abzubauen einfach die größte genommen hat und das war der ERT.

Was bedeutet es für die Bevölkerung und für die Kultur des Landes, dass es keinen öffentlich-rechtlichen Sender mehr gibt?

Es ist ein großer Verlust. Nicht nur für die Familien sondern es ist schade um die gesamte Arbeit, die eine solche öffentlich-rechtlichen Radio und TV-Anstalt geleistet hat. In allen EU-Ländern sind öffentlich-rechtliche Radio und TV-Anstalten das Element der Demokratie.

Was geht den Griechen nun an Inhalten verloren?

Hörspiele, klassische Musik, bürgernahe Programme zum Thema Volkskultur. Eigentlich alle Programme, die nicht unbedingt kommerziell sind. Meinungsfreiheit und eine kritische Berichterstattung gegenüber der griechischen Regierung und gegenüber privaten Firmen wird nicht mehr stattfinden. Man nimmt den Griechen damit einen Teil unserer Zivilisation. Das war der einzige Sender bei dem man vermehrt Kultur genießen konnte. Das interessiert Privatsender nicht. Sie wollen Geld machen.

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