Juden und Muslime vereint gegen Rassismus

27.07.2012 | 8:00 | Amin Elfeshawi

Zwischen dem 8. und dem 13. Juli fanden sich in Bratislava mehr als 120 Teilnehmer aus 37 Ländern zum interreligiösen Dialog ein. Die dritte „Muslim Jewish Conference“, die ihren Sitz in Wien hat, trotzt dem Vorurteil, dass sich Muslime und Juden feindlich gesinnt wären.

Wien/Bratislava. „We talk. Not ABOUT each other but TO each other“, so lautet das Motto der „Muslim Jewish Conference” (MJC), die heuer zum dritten Mal tagte. Die jährlich stattfindende Konferenz führt Muslime und Juden aus aller Welt in Bratislava zusammen, um eine interkulturelle und interreligiöse Kooperation voranzutreiben. Für Ilja Sichrovsky, den Generalsekretär der MJC ist klar: „Die Grundzielsetzung ist es, Menschen eine Plattform in einem sicheren Raum zu geben, um mit dem vermeintlich Anderen zu reden“. Der Ideengeber der Muslim Jewish Conference sieht im gemeinsamen Dialog die Chance, dass Menschen beider Religionsgruppen miteinander kommunizieren und somit gegenseitige Stereotype und Vorurteile abbauen. Stolz ist Sichrovsky darauf, dass bei der diesjährigen Tagung auch Teilnehmer aus Libyen, Saudi Arabien, Iran oder auch Südafrika beigewohnt haben.

Islamophobie – Antisemitismus  und Medien

Waren im Gründungsjahr 2010 Islamophobie, Antisemitismus und die Rolle der Medien Hauptthemengebiete der Muslim Jewish Conference, so wurden jene in diesem Jahr erweitert. „Wir haben heuer ein bisschen mehr experimentiert. Wir hatten ein Kunstkomitee. Wir hatten ein Komitee, das sich mit „Muslim-Jewish Business Ventures“ befasst hat“. Des Weiteren wurde in einer Arbeitsgruppe die Rolle der Frau in den beiden Religionen thematisiert.

„Nahostkonflikt ist Grund für muslimisch-jüdische Beziehungen“

Auf die Frage, ob der Nahostkonflikt zu Spannungen zwischen Juden und Muslimen führen würde, meint Sichrovsky: „Der Nahostkonflikt ist der große Elefant im Raum. Er ist ein Grund, aber nicht das Problem der muslimisch-jüdischen Beziehungen“. Der Konflikt sei ein Punkt, über den man emotional streiten könne, aber kein Grund um den anderen zu hassen. Zudem gehe die MJC den Nahostkonflikt anders an, da in den Komitees zuerst über gemeinsame Grundlagen debattiert werden würde. „In jeder Grassroots-Organisation gibt es Spannungen, weil sie eigenständig sind“ so Sichrovsky. Im Dialog würden die Grenzen zwischen Muslimen und Juden unabhängig des Religionsbekenntnisses dann verschwinden.

Islamophobie und Antisemitismus nicht gleich

Ilja Sichrovsky ist es wichtig die Strukturen von Islamophobie und Antisemitismus zu verstehen. Zwar würden sich die beiden in Europa zwar ähneln, aber die Phänomene müssten differenziert werden. Und hier setzt der MJC-Generalsekretär an. In Europa sei es notwendig, dass jüdische und muslimische Organisationen im Angesicht der Entwicklungen in der westlichen Hemisphäre eine Basis schaffen um sich gemeinsam gegen Rassismen der Mehrheitsgesellschaft entgegenzustellen. „In Zeiten, wo in Europa gegenüber Minderheiten diskriminierende Politik vorangetrieben wird, wie etwa dem Beschneidungsverbot in Deutschland oder den politischen Entwicklungen in Ungarn, ist es für Juden und Muslime gleichermaßen von Nutzen, sich gemeinsam hinter einer Sache zu vereinen“, ist sich Sichrovsky sicher. In Deutschland habe dies nach dem Beschneidungsurteil auch funktioniert, wo sich muslimische und jüdische Gemeinden vernetzten, um gegen das Beschneidungsverbot vorzugehen.

Selektiven Rassismus ablegen

Der Rassismus in der europäischen Mehrheitsgesellschaft stelle eine direkte Gefahr für die Anhänger beider abrahamitischen Religionen dar. Deshalb ortet Sichrovsky Handlungsbedarf innerhalb der jüdischen und muslimischen Gemeinschaft. „Muslime werfen Juden Islamophobie vor und auch das Gegenteil ist der Fall. Zum großen Teil stimmt es auch“, kritisiert Sichrovsky. Daher müsse „selektiver Rassismus“ abgelegt werden. Besonders die Jugendgeneration muslimischer und jüdischer Europäer sei von rassistischen Trends gleichermaßen betroffen.

Bill Clinton als Unterstützer

Noch in diesem Jahr stehen drei bis vier Projekte an. Eines davon ist ein Mentoring-Projekt für weibliche Führungspersönlichkeiten. Für dieses gibt es bereits eine finanzielle Zusage eines britischen Unternehmens. Die Wichtigkeit solcher Projekte und der Förderung jüdischer und muslimischer Entscheidungsträger werde durch schriftliche Unterstützungsbekundungen wie vom ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton unterstrichen, wie Ilja Sichrovsky strahlend erzählt.


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