Arbeit: Schlechte Chancen für junge Migranten

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27.04.2010 | 19:38 | Aram Ghadimi

Mehrere Studien zeigen die Benachteiligungen junger Migranten auf dem Arbeitsmarkt – aber auch ihr großes Potenzial, denn der Großteil der zweiten Generation ist im erwerbsfähigen Alter.Wer keine österreichische Staatsbürgerschaft hat, ist häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Und ein Drittel der Migranten, die einen Job haben, müssen Arbeiten verrichten, die nicht ihrem Bildungsgrad entsprechen. Das zeigen mehrere Studien des Zentrums für Soziale Innovation (ZSI), des Arbeitsmarktservice (AMS) und der Statistik Austria.

Menschen mit Migrationshintergrund – mehr als 1,4 Millionen– haben mit Benachteiligungen zu kämpfen. Meryem Çitak, Minderheitenredakteurin beim ORF, kennt die Probleme durch ihre Berichte über das Thema: „Auf dem Arbeitsmarkt gilt interkulturelle Kompetenz nach wie vor nicht als Qualifikation, oft genug nicht einmal als zusätzliche Qualifikation.“

Die Schere geht auseinander

Das gilt in ganz Österreich, besonders deutlich aber in Wien, denn hier leben die meisten Migranten: Mehr als ein Drittel der Wiener hat Migrationshintergrund. Das heißt, der Geburtsort beider Eltern lag im Ausland. Etwa 350.000Menschen gehören der zweiten Generation an, sie sind in Österreich geboren. Das ergibt die aktuelle Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria.

Und, so ein weiteres Ergebnis: Menschen mit Migrationshintergrund sind häufig im erwerbsfähigen Alter. Seit ersten Erhebungen mit Berücksichtigung der Staatsbürgerschaft wird die Schere zwischen Arbeitslosen mit und jenen ohne Staatsbürgerschaft allerdings zunehmend größer. Laut AMS kommen auf zwei arbeitslose Inländer drei arbeitslose Ausländer.

Der Tag der Arbeitslosigkeit am 30.April soll daran erinnern, dass Menschen trotz aktiver Arbeitssuche keinen Job finden, obwohl Arbeitskräftemangel besteht. Unter anderem auch, weil das Potenzial jugendlicher Migranten unterschätzt wird, weiß Michaela Judy: „Wenn sie Angebote bekommen, die sie selber brauchen, dann sind sie höchst bildungswillige Schichten.“ Das Problem beginne schon in der Schule, meint die Direktorin der Volkshochschule Ottakring, die seit zwanzig Jahren in der Jugendbildung arbeitet. Dorf finde eine Schichtung statt, die sich im weiteren Ausbildungs- und Berufsleben fortsetzt.

Die Konsequenz daraus skizziert Sozialforscher August Gächter: „Wird die Konjunktur schlecht, steigt die Arbeitslosigkeit zuerst bei den Migranten.“ Sie arbeiten oft in besonders anfälligen Berufen, etwa saisonabhängige Branchen wie Tourismus und Baugewerbe. Österreichweit waren Ende 2009 mehr als zehn Prozent der 15 bis 21-Jährigen arbeitslos. „Bei Migranten ist die Zahl noch höher“, so Gächter. Ein Grund dafür: „Ein Hauch von Akzent am Telefon reicht, und Vorstellungsgespräche finden nicht statt.“

Sozialer Aufstieg gelingt

Doch trotz der teils widrigen Bedingungen habe es zuletzt durchaus Chancen auf sozialen Aufstieg gegeben: „Die Hälfte der serbischen und ein Viertel der türkischen Einwanderer sind inzwischen in die Mittelschicht aufgestiegen.“ Migranten, die neu zuwandern, ersetzen auf dem Arbeitsmarkt – trotz besserer Bildung – jene, die zuvor in prekären Jobs arbeiten mussten und nun in die Mittelschicht aufgestiegen sind, so Gächter.

Ein wesentliches Kriterium für Erfolg ist die deutsche Sprache. Doch hier herrscht nach wie vor das Vorurteil, dass Migrationshintergrund gleich schlechte Deutschkenntnisse bedeute. „Unter jungen Menschen, die arbeitslos sind, gibt es viele, die nicht das geringste Problem mit dem Deutschen haben“, sagt Meryem Çitak. Nur würde man in den Medien kaum von jenen erfahren, die von der sozialen Schicht der Elterngeneration aufgestiegen sind – und nun Berufen wie Journalismus, Schauspiel oder Regie nachgehen.

Die Wiener Autorin Seher Çakır, die 2008 das Staatsstipendium für Literatur erhalten hat, stellt fest: „Günter Wallraff geht als Ali verkleidet in Kohlebergwerke und heißt nicht ,Migrantenliterat‘, obwohl er über Migranten schreibt. Ich schreibe genauso auf Deutsch– und ich werde abgestempelt als Migrantenliteratin.“ Dabei gilt die Tochter türkischer Einwanderer als Positivbeispiel für Integration.

Reden über Fairness

Das Problem, meint Gächter, sei, dass Kompetenzen nicht genügend anerkannt werden. Und der Integrationsbegriff sei unpassend: „Ich bin der Meinung, dass man nur über Fairness reden sollte.“ In Österreich seien nicht die Arbeitslosenzahlen hoch, sondern der Grad der Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt.

(ARAM GHADIMI, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.04.2010)


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