Bonus der anderen Art: Zuwanderer im Betrieb
03.03.2010 | 18:19 | Marion Guerrero
Viele Firmen erkennen nicht die Potenziale von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. Beim „Diversity Kongress“ kommende Woche in Wien sollen die Augen dafür geöffnet werden.
Die heimische Polizei genießt nicht gerade den Ruf, ein Vorreiter für kulturelle Toleranz zu sein. Doch vor drei Jahren hat man in Wien begonnen, mit Werbekampagnen gezielt nach Polizisten mit Migrationshintergrund zu suchen. „Die Idee ist es, in jedem Kommissariat zumindest eine Person mit migrantischen Wurzeln zu haben,“ sagt Kurt Luger, Leiter des Bereichs Diversitätsmanagement der MA 17. Ob dieses Ziel in absehbarer Zeit erreicht sein wird, ist noch unklar.
In der MA 17 sieht man schon solche Versuche als Erfolg: „Die Zuwanderer haben sich gefreut, dass endlich einmal jemand auf sie zugeht.“ Ein Vorgang, den auch Experten in anderen Bereichen für wünschenswert halten: „Die komplexe Umwelt muss im Arbeitsleben widergespiegelt werden“, sagt Ulrike Alker, Diversity-Verantwortliche auf der FH Campus Wien. „Studierende und Lehrende mit unterschiedlichen Backgrounds sind eine riesige Bereicherung in der Bildung. Da geht es nicht nur um Meinungsvielfalt, sondern auch darum, interkulturelle Kompetenz zu lernen.“
Fehlender politischer Wille
Dazu sei es notwendig, Barrieren zum Hochschulzugang abzubauen. „Leider verlieren wir sehr viele Menschen mit migrantischem Hintergrund zwischen Matura und Studium. Damit geht uns ein wahnsinniges Potenzial verloren“, sagt Alker. Dass es so ist, meint die Expertin, liege auch am fehlenden Willen in der Politik.
„Kulturenvielfalt gibt es ja schon in Österreich“, sagt Norbert Pauser, „aber leider wird Differenz noch immer eher als Nachteil gesehen.“ Pauser leitet eine Beratungsfirma, die Unternehmen und anderen Organisationen hilft, erfolgreiches „Diversity Management“ zu betreiben. Das Konzept geht davon aus, dass Mitarbeiter mit unterschiedlicher Herkunft und sexueller Orientierung oder auch verschiedenen Alters ein Bonus für Betriebe sind. „Unternehmen haben erkannt, dass sie die volle Breite des kulturellen Spektrums für sich nutzen müssen. Sonst verbauen sie sich den Zugang zu vielen Zielgruppen, die ja potenzielle Kunden sind.“
Kulturalismusfalle
Aber Diversity Management schafft nicht nur ein buntes Arbeitsumfeld. Die unterschiedlichen Kompetenzen von Mitarbeitern werden dadurch erst sichtbar gemacht und ausgeschöpft. „Ein Unternehmen darf allerdings nicht den Irrtum begehen, nur oberflächlich die ,bunte Vielfalt‘ zu feiern und dann enttäuscht zu sein, wenn das wenig bringt“, sagt Pauser. Diversity Management sei „ein ständiger Prozess“. Es reiche nicht, Leute aus verschiedenen kulturellen Gruppen anzustellen und sich allein davon eine positive Entwicklung zu erwarten.
Im Gegenteil: Dieser beschränkte Ansatz birgt sogar Gefahren. Wenn zu sehr auf Unterschiede gepocht wird, dann werden Vorurteile oft verfestigt statt abgebaut. Kurt Luger von der MA 17 nennt das die Kulturalismusfalle: „Es wäre zum Beispiel ein Fehler, wenn ich meine türkischen Mitarbeiter nur zur Betreuung von türkischen Kunden einsetzen würde. Damit schaffe ich mir ja eine Parallelgesellschaft in meiner Abteilung. Diversity Management muss von allen Mitarbeitern mitgetragen werden.“
Außerdem bringt jemand mit einem multikulturellen Hintergrund nicht automatisch interkulturelle Kompetenz mit. Pauser: „Erfolgreiches Diversity Management geht weit darüber hinaus. Es bedeutet, sich die individuellen Fähigkeiten von allen Mitarbeitern anzuschauen und diese dann gezielt einzusetzen.“
Um „transkulturellen Wissensaustausch“ kümmert sich Edward Mortimer, ehemaliger UNO-Mitarbeiter und Vizepräsident von „Salzburg Global“. Die amerikanische Organisation mit Sitz in Salzburg veranstaltet Seminare, in denen internationale Führungskräfte und Studierende ihre Perspektiven erweitern und sich vernetzen können. „Einer unserer Seminarteilnehmer, ein Arzt, hat uns etwa geschrieben, dass er zurück in seiner Heimat in der Gesundheitsvorsorge einen ganz neuen Wissenszweig aufgebaut hat. Den Anstoß dazu hat er in Salzburg erhalten.“
Großer Kongress in Wien
Um den Austausch von Strategien soll es auch bei dem World Diversity Summit gehen, der am 11. und 12. März zum ersten Mal in Wien stattfindet. „Wien ist der Sitz von vielen internationalen Organisationen und daher ein idealer Veranstaltungsort“, meint Denise Kozel, eine Mitarbeiterin des Kongresses. „Gerade in der Wirtschaft wächst zurzeit das Bewusstsein, dass Diversität eine gute Sache ist. Einwanderung und kulturelle Vielfalt sind ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor.“ Problematisch sei aber der gesellschaftspolitische Umgang mit Themen wie Integration oder Einwanderung. „Das muss dringend positiver diskutiert werden, sonst bleibt Österreich außen vor“, so Kozel.
Auch Diversitätsexperte Kurt Luger macht sich diesbezüglich Sorgen: „Österreich hat so viele Vorteile – eigentlich sollte es leicht sein, Schlüsselkräfte anzuziehen. Aber wenn ich nicht weiß, ob ich meine Familie mitnehmen kann, und wenn ich durch einen bürokratischen Hürdenlauf und restriktive Gesetze abgeschreckt werde – überlege ich es mir vielleicht zweimal, nach Österreich zu kommen.“ Kozel bekräftigt: „Einwanderung ist eine Realität. Wenn wir die Leute nicht jetzt willkommen heißen und uns bemühen, ihr Potenzial zu nutzen – dann ist es zu spät. Den Wettbewerbsverlust können wir vielleicht nie wieder aufholen.“
(MARION GUERRERO, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 03.03.2010)