Türkei-Österreich: Business kennt keine Vorurteile

AUF EINEN BLICK
  • Organisation: Das Österreichisch-Türkische Wirtschaftsforum (ÖTW) wurde im Juni 2007 gegründet.
  • Ziel: Förderung wirtschaftlicher Beziehungen zwischen türkischen und österreichischen Unternehmern. Gleichzeitig soll das wechselseitige Verständnis zwischen den Ländern gefördert werden.
  • Konferenz: Das ÖTW organisierte am 29. Mai die Veranstaltung „Der Immobilienmarkt in der Türkei“ bei der Immobilienmesse „Real Vienna“.
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12.06.2008 | 8:10 | Günes Koc

Auf wirtschaftlicher Basis sind die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei viel besser als die Stimmung in der Bevölkerung. Ein Wirtschaftsforum will nun das gegenseitige Kennenlernen erleichtern.

Österreicher haben viele Vorurteile und wissen nicht, wie modern die Türkei eigentlich ist“ sagt Nurhan Azizoglu, Vorsitzender der „Business Platform Istanbul“. Gerade in der österreichischen Bevölkerung wird dem Kandidaten für den EU-Beitritt besonders viel Misstrauen entgegengebracht.

Um diesen Zustand zu ändern, wurde vergangenes Jahr das Österreichisch-Türkische-Wirtschaftsforum (ÖTW) gegründet. Ein Forum, das sich dem Informationsaustausch und der Netzwerkbildung widmet. Und natürlich dem Abbau weit verbreiteter Vorurteile über die Türkei und die Türken. „Immerhin ist die Türkei ein EU-Kandidat und Österreicher wissen immer noch sehr wenig über dieses Land“, sagt ÖTW-Vorsitzender Walter Stelzhammer.

Dabei ist die Distanz vor allem in den Köpfen der Menschen: „Nach Istanbul können Sie viermal am Tag fliegen, nach Barcelona einmal am Tag. Von der Flugzeit her ist Istanbul näher als Barcelona aber in der Mentalität der Österreicher liegt die Türkei weit entfernt“, sagt Marco Garcia, Handelsdelegierter der Marmararegion.

Doch was in der Mentalität der Bevölkerung nicht greift, sieht in Wirtschaft und Diplomatie ganz anders aus. „Wir haben schon immer gute diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen gehabt“, erklärt Nurhan Azizoglu. Trotz einiger schlechter Erfahrungen: „Doch unsere gemeinsame Geschichte ist nicht nur die Türkenbelagerung. Im Ersten Weltkrieg waren wir Verbündete“, meint er.

Globalisierung auch in Türkei

Bedenken aus Österreich betreffen meist das politische System der Türkei. Doch auch hier sind die Vertreter des ÖTW um Beruhigung bemüht: „Die Türkei hat sich in den letzten zehn Jahren sehr stark europäisiert und modernisiert“, sagt Walter Stelzhammer. Er pflegt seit mehr als 30 Jahren enge Kontakte mit der Türkei. Für seine Branche – er ist Architekt – sei es nach einigen Gesetzesänderungen nun viel leichter, in der Türkei zu arbeiten. Auch hier, so Stelzhammer, komme man an der Globalisierung nicht vorbei. Die Zusammenarbeit mit Partnerbüros in der Türkei würde für österreichische Betriebe immer wichtiger.

„Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Türkei und Österreich sind in den letzten zwei Jahren intensiver geworden. Es gibt Kooperationen zwischen großen Unternehmen wie Verbund und Sabanc? oder OMV und Petrol ofisi in der Türkei“ fügt Handelsdelegierter Garcia hinzu. Er glaubt, dass die großen Unternehmen in weiterer Folge die kleinen mitziehen. Genau dabei soll das ÖTW helfen: „Großunternehmen haben ihre Kontakte, die ihnen bei ihren Beziehungen in der Türkei helfen“, sagt Garcia, „Wir allerdings möchten den Weg für mittelgroße und kleine Unternehmen in die Türkei erleichtern“ sagt Azizoglu. „Dasselbe gilt auch für türkische Unternehmen, die in Österreich investieren wollen. Die Austrian Business Agency (ABA) arbeitet mit uns in Kooperation und fördert türkische Investitionen in Österreich“, meint er.

Medien schuld am Image

Garcia meint, dass die Zeit der Osteuropaexpansion nach Slowenien, Bulgarien und nach Tschechien vorbei sei. „Man investiert dort zwar weiter, aber man braucht österreichische Ressourcen nicht mehr. Die Unternehmer suchen nach neuer Orientierung“, sagt er. In der Türkei dagegen gebe es für Investitionen aus Österreich noch ein großes Potenzial: „In neuen Regionen wie Istanbul mit Marmara leben ungefähr 20 Millionen Menschen“.

Dass österreichische Unternehmer immer noch Bedenken haben, in diesen Markt zu investieren, führt Garcia vor allem auf das medial vermittelte Bild der Türken zurück. In Österreich werde immer nur eine Seite der türkischen Migranten dargestellt: Immer wieder wird über nicht integrierte Türken gesprochen“.

Dabei gebe es in der zweiten und dritten Generation viele türkischstämmige Österreicher, die beide Kulturen und Sprachen gut beherrschen und eine unglaubliche Erleichterung für die österreichischen Unternehmen bedeuten könnten, die in der Türkei investieren, sagt Garcia. Und leicht provokant fügt er hinzu: „Ich kenne viele türkische Österreicher, die Österreich im Ausland besser vertreten als Österreicher selbst.“

(GÜNES KOC, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.06.2008)


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