Dequalifizierung: Mit Studium zum Kranführer

03.03.2010 | 18:37 | Almina Mahmutovic

Hoch qualifizierte Zuwanderer müssen in Österreich Arbeiten verrichten, für die sie überqualifiziert sind. Die Probleme liegen bei der Anerkennung ausländischer Zeugnisse – und bei Fehlern in der Politik.

Als Erdoan Zejno 1984 nach Österreich kam, wollte er nur ein Jahr lang hier bleiben. Der studierte Maschinentechniker aus Mazedonien verließ vorübergehend seine Heimat, um der damals dort vorherrschenden Wirtschaftskrise auszuweichen.

Damals kam ihm jede Arbeit gelegen, so war er zunächst in einer Fabrik beschäftigt, anschließend arbeitete er einige Jahre als Zimmerer. „Ich dachte, ich muss froh sein, überhaupt einen Job zu haben“, erklärt der heute 61-Jährige. „Ich habe damals gar nicht versucht, einen Job in meinem Bereich zu finden.“ Als dann der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach, konnte er nicht mehr in seine Heimat zurückkehren.

Doch damit nicht genug: Er musste auch bald erkennen, dass ein abgeschlossenes Studium noch lange kein Garant für einen guten Job ist. Das ausländische Diplom war laut österreichischer Wirtschaftskammer zwar „kein Problem“, eine Nostrifizierung war demnach gar nicht notwendig. Trotzdem war Zejno, der bereits seit 30 Jahren in Österreich lebt, immer „unter seinem Wert“ beschäftigt. Heute arbeitet der 61-Jährige als Kranführer.

Zejnos Geschichte ist kein Einzelfall. Das Statistikjahrbuch 2009 des Österreichischen Integrationsfonds belegt, dass derzeit „viele Zuwanderer in Österreich unter ihrem Qualifikationsniveau beschäftigt sind“. Norbert Bichl vom Beratungszentrum für Migranten: „Statistisch gesehen stimmt es, dass der Anteil an gut qualifizierten Zuwanderern, die dequalifizierte Arbeiten ausführen müssen, höher ist als bei Österreichern.“ Den Grund dafür sieht er in der Ausländerbeschäftigungspolitik der 1960er/70er- und 1980er-Jahre: „Damals hat man vor allem Arbeiter für weniger qualifizierte Aufgaben benötigt, die die Österreicher nicht machen wollten. Damit hat auch die Spirale der Dequalifizierung begonnen.“

Auch Sanela H. war nach ihrer Ankunft in Österreich „sehr enttäuscht“, als sie einen Job als Krankenschwester suchte – vergeblich. „Ich habe mich bei allen möglichen Krankenhäusern und Altersheimen beworben. Alle haben mir eine Absage erteilt“, erzählt sie.

Die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse ist für viele Migranten schwierig. Neben den Kosten, die die jeweilige Person tragen muss, bestehen vor allem formale Schwierigkeiten zum Nachweis der Vergleichbarkeit mit einer österreichischen Ausbildung. In Sanelas Fall dauerte der Nostrifikationsprozess vier Jahre. „Zwei Jahre lang habe ich für die Sammlung der Dokumente benötigt. Jedes Mal wenn ich dachte, jetzt klappt es, hat wieder etwas Neues gefehlt“, sagt die diplomierte Krankenschwester. Während dieser Zeit war die damals 30-Jährige arbeitslos gemeldet, da sie täglich am Unterricht teilnehmen musste. „Ohne Kredit hätte ich mir das nicht leisten könnten.“

„Es muss sich noch viel ändern“

Laut des neuen Nationalen Aktionsplans Integration werden in Zukunft Bildungsabschlüsse „leichter“ anerkannt, wenn die betreffende Qualifikation in Österreich besonders gefragt ist. Norbert Bichl findet das „notwendig, damit die Leute eine Chance haben, einen Job zu finden, der ihrer Qualifikation entspricht.“ Und fügt hinzu: „Konkret muss sich aber noch sehr viel ändern.“ Damit man, wenn es Lücken oder Unterschiede in der Ausbildung gibt, entsprechend reagieren kann.

(ALMINA MAHMUTOVIC, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 10.03.2010)


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