Migration und Erfolg: Mehr als ein Teppichhändler

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29.08.2009 | 18:43 | Farzad Dadgar

Ali Rahimi ist ein Beispiel dafür, dass ausländische Wurzeln auch zu einem wirtschaftlichen Vorteil werden können.

Ali Rahimi führt durch sein Geschäft in der Wiener Innenstadt. Das dreistöckige Gebäude gehört zu den größten Teppichhäusern in Europa. Der Treppenaufgang ist geschmückt mit Teppichen aus der iranischen Provinz Bidjar. Der Mittvierziger empfängt seine Gäste im dunkelblauen Baumwoll-Sommeranzug im Sitzungsraum im dritten Stock.

Am dunkelbraunen orientalischen Holztisch haben schon Vorstandsmitglieder mächtiger Firmen bei seinen Partys Geschäfte abgeschlossen. Rahimi ist Netzwerker – einer mit Migrationshintergrund. Sein Vater kam vor 50 Jahren nach Wien, um zu studieren. Ali Rahimi, 1964 in Teheran geboren, gehört heute zu den wichtigen Figuren der Wiener Wirtschaft.

Politik? Lieber nicht

„Für eine Weltstadt ist Wien verhältnismäßig sauber und sicher“, sagt er, „das sollte man schützen.“ Angebote, seine Ideen in der Politik umzusetzen, die gab es schon. Doch Rahimi schlug sie aus. „Da müsste ich untergeordnet arbeiten.“ Er möchte sich lieber frei äußern können. Seine karitativen Einsätze, etwa für Licht ins Dunkel, sind sein „Weg, sich für Wien einzusetzen“.

Einsatz für Wien zeigte er auch, als er den Nomadenteppich, der auf der Couch von Sigmund Freud lag, von London nach Wien holte. Ein Einsatz, der aber auch ihm zugutekam – denn mehr als 10.000 Besucher strömten in sein Geschäft, um den Teppich zu sehen.

Doch seine steile Karriere war nicht immer ganz einfach. Die 7. Klasse musste er wiederholen – wegen vieler Fehlstunden. „Ich wollte nicht mehr lernen“, meint er dazu achselzuckend. Die damalige Reaktion seiner Eltern weiß er heute zu schätzen. Seine Mutter übte sanften Druck auf ihn aus und machte ihm deutlich, wie wichtig Bildung ist.

Sein Vater hingegen ließ ihm seinen Freiraum. Und bot ihm an, nach Graz zu gehen, um dort selbstständig seine Entscheidungen zu treffen. Und so maturierte er und studierte BWL an der Uni Graz. Sein Studium finanzierte er sich, indem er Designerteppiche, die er in Nepal herstellen ließ, verkaufte. Mit 30 Jahren übernahm er dann die Teppichfirma seines Vaters und machte sie zu dem, was sie heute ist.

Und sogar noch zu mehr. Denn neben dem Handel mit Teppichen bietet er heute auch Kulturreisen in den Iran an. „Ich bin immer auf der Suche nach etwas Neuem“, meint er. Eine Suche, die ihn auch weit von seinem Stammgeschäft fortführt – etwa zur Überlegung, was die Wirtschaft für Integration tun kann. Bei einem Kaffeehausbesuch mit Raiffeisen-Banker Georg Kraft-Kinz entstand die Idee zum Verein „Wirtschaft für Integration“. Die Schirmherrschaft übernahmen Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Raiffeisen-Generaldirektor Christian Konrad.

Bildung und Sprache sind dabei die Eckpfeiler des Vereins. Das Motto ist „fordern und fördern“. So wird etwa der Deutschkurs erst dann bezahlt, wenn der Teilnehmer den Kurs ordentlich abgeschlossen hat. Aber es ist nicht nur die Sprache, es geht auch darum, über Tabuthemen sprechen zu können. Etwa über Schulen, in denen viele Kinder mit Migrationshintergrund sitzen und vielleicht gar nicht Deutsch können.

Für Rahimi ist es unverständlich, dass Menschen hier leben und die Sprache des Landes nicht beherrschen. „Da geht es darum, Druck auszuüben und gleichzeitig Möglichkeiten zu bieten.“ Seine Aufgabe für den Verein besteht darin, Geld aufzutreiben. Nachsatz: „Keine Steuergelder, sondern Geld aus der Privatwirtschaft.“

Vorteil Migrationshintergrund

Rahimi sieht sich als Österreicher, möchte aber keineswegs seine Wurzeln verleugnen. „Ich kann mir das Schönste aus beiden Kulturen rausholen.“ Nicht persönlich nehmen darf man das „Raunzen der Wiener“. Die würden ja gerne raunzen. Das müsse man mit einem Lächeln abschütteln. Auch im generellen Umgang mit Vorurteilen setzt er auf Lässigkeit. So erzählt er, dass einmal ein Kunde zu ihm sagte: „Rahimi, Sie sprechen aber gut Deutsch.“ Seine Antwort: „Sie aber auch.“

Er selbst sieht es als „Vorteil, Migrationshintergrund zu haben“, denn man beherrscht eine weitere Sprache – und hat damit etwas Zusätzliches, das man anbieten kann.

(Farzad Dadgar, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.07.2009)


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