Neues Projekt ermöglicht Geltendmachung von Rechten – auch bei Arbeit ohne Papieren

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20.08.2014 | 13:17 | Daniela Karina Krenn

Ob Aufenthaltsgenehmigung bzw. Arbeitsbewilligung oder nicht – wer Arbeit leistet, hat auch Rechte! Dafür macht sich seit Juni 2014 ein neues Projekt stark. UNDOK nennt sich die Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender, bei der Hilfe, Informationen und Beratung angeboten werden.

M-MEDIA hat mit Karin Jović und Johannes Peyrl von UNDOK gesprochen.

Seit zwei  Monaten hat die UNDOK-Stelle im zweiten Wiener Bezirk nun seine Türen offiziell geöffnet, Beratung wurde bereits seit März 2014 angeboten. Die erste Zeit war noch eher ruhig, erzählt Karin Jovic, Mitarbeiterin von UNDOK. Also wurden fleißig Flyer verteilt, um möglichst viele Betroffene aufmerksam zu machen. Zum Beispiel bei der Solidaritätswallfahrt für Flüchtlinge (Romaria) oder auch beim Benefizfußballturnier zugunsten des Vereins Ute Bock. Zudem fanden und finden laufend viele Vernetzungstreffen mit Beratungseinrichtungen und Kulturvereinen statt. Gar nicht so leicht, dass man ein neues Projekt bekannt macht, obwohl genau in diesem Bereich in Österreich eine riesengroße Lücke klaffte.

Es sollte eine Anlaufstelle werden, in die undokumentiert Arbeitende ohne Hemmschwelle kommen können – egal welche Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung sie haben. Wichtig: Bei undokumentierter Arbeit ist nur der Arbeitgeber strafbar. Es gab zwar vor der Einrichtung der UNDOK-Anlaufstelle schon einen Arbeitskreis und auch Beratungen bei der Arbeiterkammer oder bei NGOs, aber eine eigene Anlaufstelle, die sich für die Rechte für Menschen ohne gesicherte Aufenthaltsgenehmigung und/oder mit beschränktem bzw. ohne Zugang zum Arbeitsmarkt stark macht, die gab es noch nicht. Und schon nach ein paar Tagen stand der erste Mann vor den Türen der UNDOK – einen Flyer in der Hand.

Was ist eigentlich undokumentierte Arbeit?

Jovic: “Darunter verstehen wir die Lohnarbeit von Migrant*innen ohne gesicherten Aufenthalt und/oder fehlendem bzw. beschränktem Arbeitsmarktzugang. Es gibt auch Fälle, bei denen die Personen von den Arbeitgeber*innen einfach bewusst nicht angemeldet wurden, das fällt auch unter undokumentierte Arbeit.“

Peyrl: “Die Fälle können je nach Aufenthaltsstatus unterschiedlich gestaltet sein. Wichtig ist aber, egal ob man arbeiten darf oder nicht: Wer Arbeit geleistet hat, dem stehen die gleichen Rechte zu, wie jedem Arbeitnehmer bzw. jeder Arbeitnehmerin, der/die eine rechtmäßige Beschäftigung hat. Und dafür setzen wir uns ein.”

Was kann UNDOK für undokumentiert Arbeitende machen?

Jovic: “Seit der Eröffnung der Servicestelle sind ungefähr 40 Personen bei uns gewesen. Viele davon wollten sich hauptsächlich informieren. Es gibt in Österreich sehr viele unterschiedliche Aufenthaltsgenehmigungen, die wiederum ausschlaggebend für den Zugang zum Arbeitsmarkt sind. Es waren viele Bulgar*innen und Rumän*innen da, aber auch Kroate*innen. Kroatische Staatsangehörige haben trotz EU-Mitgliedschaft nach wie vor nur einen begrenzten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt.

Es kommen aber auch Personen in die Anlaufstelle, die Unterstützung und Beratung brauchen. Sie möchten erfahren, welche arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche sie haben und wie sie diese geltend machen können. Vor kurzem hat sich ein Mann an uns gewandt, der einen Arbeitsunfall hatte. Da er aber von seinem Arbeitgeber nicht angemeldet worden ist und somit auch nicht sozialversichert war, entstanden hohe Krankenhausrechnungen. In solchen Fällen beraten wir die Betroffenen und mit ihrem Einverständnis begleiten wir sie zu den notwendigen Stellen, um bestehende Ansprüche  durchzusetzen.“

Peyrl: “Strafbar ist in allen Fällen von undokumentierter Beschäftigung nur der Arbeitgeber, nicht die Arbeitnehmer*innen. Für eine Stelle wie UNDOK haben wir uns in Österreich lange eingesetzt. Es gibt insbesondere in Deutschland ähnliche Anlaufstellen, die aber selbst oftin prekären Verhältnissen arbeiten müssen. Aber die Arbeiterkammer und das Sozialministerium finanzieren zwei Halbtagsstellen hier, so dass UNDOK auch wirklich etwas tun kann.“

Wie sind die Chancen, dass UNDOK helfen kann?

Jovic: “Auch wenn Personen weder über Aufenthalts- und/oder Arbeitspapiere verfügen, arbeiten sie, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber wenn Arbeit bereits geleistet wurde, dann hat eine undokumentiert beschäftigte Person auch die gleichen Ansprüche wie bei einem rechtmäßigen Arbeitsverhältnis. Sozialversicherungsgesetze, Arbeitsrecht und Kollektivverträge gelten für alle Arbeitnehmer*innen. Auch ohne schriftlichen Vertrag. Undokumentiert Arbeitende können sich mit ihren arbeits- und sozialrechtlichen Fragen kostenlos und anonym an die UNDOK-Anlaufstelle wenden, wobei wir in den Beratungen auch den aufenthaltsrechtlichen Kontext der Betroffenen berücksichtigen. Können noch Ansprüche problemlos geltend gemacht werden, unterstützen wir bei deren Geltendmachung und Durchsetzung. Aber wir geben auch Auskunft, wenn es für eine Geltendmachung schon zu spät ist..“

Peyrl: “Wichtig ist, dass die Menschen sich über ihre Situation wirklich informieren können. Viele wissen auch einfach nicht, dass sie auch als undokumentiert beschäftigte Arbeitnehmer*innen Rechte haben. Undokumentierte Arbeit kann den Aufenthaltsstatus gefährden. Und auch der Arbeitgeber macht sich strafbar.“

Wieso wissen viele Arbeitnehmer*innen nicht, wie und ob sie gerade undokumentiert arbeiten?

Jovic: “Wie gesagt, einerseits gibt es sehr viele unterschiedliche Aufenthaltstitel, die dann keinen, einen beschränkten oder freien Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Wenn beispielsweise eine Beschäftigung mit einer Beschäftigungsbewilligung erlaubt ist, muss das Unternehmen bzw. der Arbeitgeber, den Antrag dafür stellen. Und es ist auch das Unternehmen, das dann den Bescheid vom AMS bekommt. Den Arbeitnehmer*innen selbst wird nichts zugeschickt. Und einige der Personen, die sich an die Anlaufstelle gewandt haben, erzählten, dass der Arbeitgeber bei Aufnahme der Beschäftigung versprochen hatte, sie anzumelden bzw. sich um einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu kümmern. Und natürlich haben die Betroffenen dann darauf vertraut, dass  das alles ok ist oder geregelt wird.“

Was ist sogenannte „unsichtbare“ undokumentierte Arbeit?

Jovic: “Es gibt verschiedene Arbeitssituationen, die wir mit dem Begriff undokumentierte Arbeit beschreiben: Migrant*innen ohne gesicherten Aufenthalt und ohne Arbeitspapiere arbeiten ebenso undokumentiert wir Migrant*innen, die über einen Aufenthaltstitel verfügen aber ohne entsprechende Arbeitspapiere in Österreich arbeiten. Zu der letztgenannten Gruppe zählen beispielsweise Asylwerber*innen und Studierende aus Drittstaaten. Sie können nur mit einer Beschäftigungsbewilligung in Österreich arbeiten. Genauso sprechen wir von undokumentierter Arbeit, wenn sowohl Aufenthalts- und Arbeitspapiere vorliegen, aber der Arbeitgeber die Arbeitnehmer*innen nicht angemeldet hat oder die Beschäftigungsbewilligung vorliegt, aber eine andere Tätigkeit ausgeübt wird. Um bei dem Beispiel von Studierenden aus Drittstaaten zu bleiben: Sie bekommen relativ einfach eine Arbeitsbewilligung für 10 Stunden in der Woche im Bachelorstudium bzw. ersten Studienabschnitt und für 20 Stunden in der Woche im Masterstudium bzw. zweiten Studienabschnitt. Viele wissen nicht, dass die Beschäftigungsbewilligung für eine konkrete Tätigkeit bei einem Arbeitgeber vergeben wird. Bei Jobwechsel zu einem anderen Unternehmen oder Wechsel der Tätigkeit beim gleichen Arbeitgeber bedarf es eines neuen Antrags. Auch werden die Wochenarbeitsstunden durch die Beschäftigungsbewilligung vorgegeben. Wenn also eine Beschäftigungsbewilligung für Studierende im Bachelorstudium für 10 Stunden ausgestellt wird, darf die Person eigentlich nur 10 Stunden arbeiten. Und von 10 Stunden kann man kaum über die Runden kommen. Daher nehmen viele oft noch eine Beschäftigung nebenbei an oder arbeiten mehr Stunden als erlaubt. Aus unserer Sicht besteht dannin so einem Fall trotz bestehendem Aufenthalts- und Arbeitspapiere einundokumentiertes Arbeitsverhältnis .“


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