Adela Kuliga: „Mein Netzwerk habe ich lang unbewusst aufgebaut“
- Adela Kuliga ist Gründerin, Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin des Vereins Networking Youth Career (N.Y.C). Im Sommer 2003 kam die gebürtige Polin für ein Jahr nach Österreich. Und hat beschlossen, zu bleiben. Persönliche Erfahrungen und die Arbeit mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund, haben ihr gezeigt, dass Informationen und ein Netzwerk für den Karriereweg unerlässlich sind. Mit N.Y.C arbeitet sie jetzt genau an dieser Schnittstelle zwischen staatlichen Institutionen und Jungmenschen (mit Migrationshintergrund).
- Zum ersten Mal bringt der Verein N.Y.C staatliche Institutionen und seine Zielgruppe direkt zusammen: Am 4. und 5. Mai 2012 bei der Migration.Wirtschaft.Messe 2012 im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien, Theresianumgasse 16-18, 1040 Wien.
- http://www.nyc.co.at/
04.05.2012 | 10:19 | Tina Schmoranz
Mit dem Verein N.Y.C und der Migration.Wirtschaft.Messe 2012 besetzt Adela Kuliga die Schnittstelle zwischen österreichischem Staat und Jungmenschen mit Migrationshintergrund und Karrierewunsch. Im Interview erzählt sie über das richtige Netzwerk, Stolpersteine, den Leistungsgedanken und persönliche Erfahrungen.
M-MEDIA: Sie sind selbst Migrantin, kommen aus Polen. Welche persönlichen Erfahrungen haben dazu beigetragen, den Verein Networking Youth Career (N.Y.C) zu gründen
ADELA KULIGA: Die Tatsache, dass ich vor 8 Jahren für ein Jahr nach Österreich gekommen bin und dann doch beschlossen habe, hier zu bleiben. Ich wollte mich bei AMS und anderen staatlichen Institutionen erkundigen, wie ich hier beruflich Fuß fassen kann. Da musste ich feststellen, dass mein Deutsch nach einiger Zeit zwar im Alltag gut war, aber dass die Fachsprache, in der die Informationen verfasst sind, schwierig verständlich ist. Auch bin ich auf manche wichtige Informationen erst zufällig oder über mehrere Ecken gestoßen. Es gibt in Österreich wirklich eine Menge an Informationen und an Informationsträgern, aber diese zu finden ist für Nicht-Muttersprachler, die das Informations- oder Sozialsystem in Österreich nicht kennen, schwierig. Mit dem Verein und der Messe soll die Kommunikation zwischen unserer Zielgruppe und den staatlichen Institutionen erleichtert werden.
M-MEDIA: Welchen Weg sind Sie als Migrantin gegangen, um an Infos und Netzwerk zu kommen, die Sie jetzt auch anderen jungen Menschen zur Verfügung stellen?
KULIGA: Ich bin eine Person, wenn ich eine Information brauche, suche ich so lange, bis ich diese Info tatsächlich bekomme, das mache ich auch sehr gern. Das ist aber eine Eigenschaft, die nicht jeder hat. Mein Netzwerk habe ich sehr lang ganz unbewusst aufgebaut. Ich bin gern mit Menschen zusammen, habe oft Parties organisiert. Irgendwann hat mich eine Freundin gefragt, warum ich das eigentlich nicht beruflich mache. Und ich habe mich gefragt, ja, warum eigentlich nicht: Ich habe viele Erfahrungen mit Migration und Jugend, kenne viele Menschen mit weiteren Erfahrungen. Jetzt ist es also an der Zeit, mit Gleichgesinnten etwas zu unternehmen. Dafür gründete ich N.Y.C.
M-MEDIA: Migration. Wirtschaft. Beruf. Karriere. Jugend. Netzwerk. Starke Begriffe, auch jedes für sich genommen. Was macht das Zusammenspiel der Begriffe für Sie aus?
KULIGA: Bei Wirtschaft und Beruf konzentrieren wir uns auf Karriere. Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens in der Arbeit. Sie sind unglücklich, wenn die Arbeit keinen Spaß macht. Wir wollen Mut machen, bessere Arbeitsbedingungen zu verlangen bzw. auch etwas Eigenes zu gründen. Jugend und Migration beschreibt unsere Zielgruppe. Der Migrationshintergrund kann ja zusätzlich ein Stolperstein am Karriereweg sein. Das Netzwerk ist genauso wichtig wie Informationen. Es kann dabei helfen, zu unterschieden, welche Informationen sind wirklich relevant, womit muss ich mich wirklich beschäftigen – so kann man sich Irrwege und damit viel Zeit sparen. Unsere Hauptaufgabe ist daher genau an diesen Schnittstellen.
M-MEDIA: Auf der N.Y.C-Website nennen Sie „Wissen, Können & ein gutes Netzwerk“ als die drei Pfeiler zur Karriere. Wissen und Können bringen viele MigrantInnen mit, in Österreich wird es aber nicht anerkannt. Alles eine Frage des richtigen Netzwerkes?
KULIGA: Daran scheitert es sehr oft, ja. Diese Situation tut uns weh. Top-Ausgebildete, die nach Österreich kommen und irgendwo als Reinigungskraft landen. Für uns ist natürlich jeder Beruf einzigartig, aber trotzdem empfinden Menschen mit einer jahrelangen Ausbildung und keinem entsprechenden Beruf Unglück. Die Migration.Wirtschaft. Messe 2012 ist ein Pilotprojekt, trotzdem war der Vortrag „Nostrifizierung“ nach nur einer Woche ausgebucht. Wir haben es geschafft, noch einen zweiten Termin zu organisieren. Das zeigt uns, dass der Bedarf da ist. Wir wollen Informationen anbieten, bei der Messe die Chance zum Gespräch geben. Mit Wissen und Können allein kann man leider nicht viel anfangen – ohne Kontakte. Ohne Netzwerk funktionieren die beiden anderen nicht, während man Wissen und Können im richtigen Netzwerk sehr wohl nachholen kann.
M-MEDIA: Läuft die Initiative N.Y.C nicht wiederum auf den Leistungsgedanken hinaus, der auch von der Politik propagiert wird? Birgt dies nicht eine Gefahr für jene Menschen (mit Migrationshintergrund), die ein anderes Lebensmodell gewählt haben?
KULIGA: Wir wollen uns mit dem Satz des Staatessekretariats „Integration durch Leistung“ nicht identifizieren. Unser Motto lautet: „wichtig ist nicht, wo wir herkommen, sondern in welche Richtung wir uns bewegen“. Wir wollen uns nicht auf den Begriff „Integration“ konzentrieren, sondern auf Beruf und Karriere, etwas Greifbares. Jedenfalls hat der Staat hat auch eine Pflicht, Grenzen zu setzen oder Anforderungen zu machen, darf erwarten, dass Bürger fair sind und etwas leisten. Fordern ist ja ok, aber man darf dabei nicht vergessen, dass zwischen fordern und fördern ein Gleichgewicht sein muss. Der Verein N.Y.C arbeitet konfessionell und parteipolitisch unabhängig. Wir hoffen dadurch, für alle Jungmenschen mit und ohne Migrationshintergrund, stark oder gar nicht gläubig, da sein zu können, um ihnen beruflich weiterzuhelfen. Jeder soll auf seine Art weiterkommen, auf dieses Thema wollen wir fokussieren.
M-MEDIA: Bei der Migration. Wirtschaft. Messe 2012 sind sämtliche österreichische Institutionen aus dem Wirtschaftsbereich vertreten. Bedeutet dies ein Umdenken des österreichischen Staates in Richtung „Chancen durch Vielfalt“?
KULIGA: Da gibt es definitiv ein Umdenken. Ich bin als N.Y.C-Gründerin und Geschäftsführerin sehr begeistert und auch dankbar. Die Idee zur Messe kam von uns, aber die Frage war, wie reagieren die staatlichen Institutionen. Wir wissen, dass die Institutionen eine großartige Menge an Informationen und Unterstützung anbieten. Oft sind sich junge, engagierte Menschen der Institutionen nicht bewusst oder sie haben ein falsches Bild. Dann melden sie sich beim Staat erst, wenn es nicht mehr anders geht, das ist falsch. Die staatlichen Institutionen sollten gleich die 1. Stelle sein, an die man sich wendet. Für die Messe kann ich sagen: Danke an alle staatlichen Institutionen, die als Kooperationspartner und Aussteller eine Umsetzung erst möglich gemacht haben. Der Staat hat also einen Schritt gemacht. Jetzt warten wir auf die Reaktion der Zivilgesellschaft, ob sie die Chance auch ergreift und zur Messe kommt.