Ukrainerin aus Wien erfindet Kombi-Regenbekleidung für die RadfahrerInnen

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19.11.2015 | 11:19 | Iuliana Matusova

Die Ukrainerin Oksana Stavrou (35) ist ausgebildete Juristin. Sie lebt seit fünfzehn Jahren in Österreich. Mehrere Jahre arbeitete sie in einem Versicherungskonzern, aber eines Tages entschied sie sich selbstständig zu werden. So gründete sie im Jahr 2011 das Unternehmen „RAINCOMBI“, das die Regenkleidung für RadfahrerInnen produziert. Wie sie zu dieser Idee kam und wie sie sich als Unternehmerin in Österreich fühlt erzählt sie Iuliana Matusova.

Wie sind Sie zu dieser Idee gekommen ?

Ich war in Karenz und habe gleichzeitig Wirtschaft studiert. Irgendwann hat mich mein Mann, intensiever Radfahrer,   gebeten eine passende Regenschützbekleidung für ihn zu kaufen. Das erste was ich ihm gekauft habe war irgendeine Regenponcho das gleich nach dem ersten Regen im Eck gelandet ist. Damit wird man vielleicht nicht von oben nass, aber von Spritzwasser doch und mit wenig Wind ist man schon wie ein Segelschiff unterwegs. Das heißt, dass es nicht eine zufriedenstellende Lösung war. Und ich habe mir gedacht, es gibt so viele RadlerInnen, es muss auch was kleines, kompaktes geben. Ich habe mir gleich vorgestellt wie das aussehen soll und war sehr überrascht, dass es so was nicht zum kaufen gibt . Deswegen das was ich nicht gefunden habe, habe ich erfunden.

Wie haben Sie überprüft, dass die Idee wirklich gut ist?

An der Uni habe ich zu diesem Thema zuerst eine Hausaufgabe und dann sogar meine Masterarbeit geschrieben. Das hat geheißen: „Regenkombi für RadfahrerInnen“. Da habe ich sehr gute Rückmeldungen bekommen, vor allem vor meinem Ehemann als meinem kritischsten Kritiker aber auch von dem Betreuer und sonst von vielen die gemeint haben: „ja, genau so was braucht man“ und irgendwie hat sich langsam die Idee ausgereift, dass ich das probiert habe. Ich habe mir gedacht, wenn ich aus dem Karenz raus komme und wieder in meinem Juristenjob ansteige dann habe ich weder Zeit noch Energie, noch Lust etwas anzufangen. So entweder jetzt oder nie.

Wie sind Sie von Idee zur Realisierung gekommen?

Im Jahr 2011 habe ich die Firma gegründet und angefangen an der Entwicklung zu arbeiten und an allem was dazu gehört: Homepage, mehrere Prototypen, Lieferantensuche, Produzentensuche, Patentanmeldung. Alles alleine.

Rein bürokratisch war das alles schwierig für Sie? Zum Beispiel patentieren lassen ?

Man muss wissen wie und dann geht es. Das Patent habe ich auch alleine gemacht. Ich habe mich einfach zuerst gründlich informiert. Auch von den Zuständigen im Patentamt habe ich ein „bravo“ bekommen und sie haben gesagt, dass so eine gute Anmeldung bekommen sie nicht von allen PatentanmelderInnen. Aber jetzt denke ich mir, dass mir mein Juristischer Hintergrund sehr geholfen hat, weil ich mich einfach ausgekannt und gut vorbereitet habe.

Das Design von diesem Anzug haben Sie auch allein ausgedacht oder mit der professionellen Hilfe geleistet?

Alle ersten Prototypen habe ich selber bzw. mit meiner Mutter genäht. Handwerklich ist sie sehr gut. Das heißt, dass sie mir auch viel mitgegeben hat. Sie wohnt in der Ukraine, aber kommt immer wieder zu mir. Meine Modelle mahle ich nie, weil ich nicht malen kann (lacht). Ich probiere gleich am Stoff.

Wie läuft das ganze jetzt?

2011 wurde die Firma gegründet. Es hat aber bis Herbst 2012 gedauert weil wir eine kleine Serie tatsächlich produziert haben. Seitdem haben wir weitere Serien produziert bzw. ein neues Model entwickelt.

Wie viel seid ihr jetzt in Team?

Wie ich schon erwähnt habe, am Anfang war ich alleine im Unternehmen aber irgendwann ist mir klar geworden, dass man so eine Idee nicht allein aufziehen kann. Wenn man in Warenproduktionsbereich tätig ist, muss man gleich relativ groß anfangen. Man muss parallel Marketing, Produktentwicklung und Organisation betreuen. Das war die Erkenntnis, die ich endgültig im Sommer 2014 bekommen habe. Dann habe ich geschafft die Investoren zu finden und mit dem Kapital haben wir noch ein Paar Spezialisten ins Team aufgenommen. Also jetzt sind wir 4 Menschen die an dem Projekt arbeiten. Und da merkt man gleich, dass sich viel mehr weiter bewegt.

Haben Sie österreichische Staatsbürgerschaft?

Nein, ich bin eine Ukrainerin.

Ist der Migrationshintergrund ein Hindernis oder eher eine Hilfe, wenn man in Österreich ein Business gründen will?

Ich war eigentlich überrascht wie unbedeutend die Staatsbürgerschaft ist wenn man selbstständig werden möchte. Ich spreche nur aus meiner Perspektive. Es ist möglich, dass es anderes in anderen Bereichen ist. Seit dem Jahr 2000 bin ich in Österreich und es war ganz schwierig Jobs zu finden. Viele kennen den Teufelskreis: ohne Arbeitserlaubnis kriegst du keinen Job und ohne Jobs kriegst du keine Arbeitserlaubnis. Da war ich öfter deprimiert, dass ich keine Staatsbürgerschaft bekommen kann. Es hat mich sehr behindert in meinem weiteren beruflichen fortkommen. Später, als ich die Firma gründete, war es eigentlich in den Unterlagen nirgends notwendig die Staatsbürgerschaft anzugeben. Man wird sehr selten überhaupt nach Staatsbürgerschaft gefragt. Also früher habe ich die Staatsbürgerschaft gebraucht, aber nicht bekommen und jetzt habe ich alle Voraussetzungen, aber brauche sie nicht mehr.

Würden Sie Mal zum angestellten Job zurückkehren?

Ich würde nie wieder zu einem angestellten Verhältnis freiwillig zurückkehren, weil ich das doch sehr schätze diese Möglichkeit selbstständig zu arbeiten und die Erfolge so zu beeinflussen wie ich das notwendig halte. Auch mit der Familie kann ich meine jetzige Situation viel besser vereinbaren als ich in einem angestellten Verhältnis wäre. Bei uns in der Familie ist es so, dass mein Mann fix angestellt ist und ich bin die selbstständige. Deswegen sind wir, meiner Meinung nach, als Familie ausgeglichen.

Welche Tipps können Sie geben für die Migranten die in Österreich leben und selbständig sein möchten?

Zuerst die Sprache lernen und zwar nicht nur die, die im Buch steht, sondern die Sprache der Kommunikation. Mann muss  zwischen den Zeilen lesen können. Mein Vorschlag wäre viel mit Menschen kommunizieren, mit denen man Geschäfte machen möchte. Gebraucht wird auch ein bisschen wirtschaftlichen Hintergrund bzw. das Verständnis dafür wie man eine Firma gründet. Diesbezüglich gibt es  viele Workshops und Seminare und man kann das alles sogar gratis lernen. Und letzter Punkt: Man erreich grundsätzlich viel mehr, wenn man die Sache macht, die man liebt.

Wann wird Ihre Businessidee auf den ukrainischen Markt kommen?

Die Ukraine ist momentan leider  kein Markt für unsere Produkte. Ich hoffe aber, dass es irgendwann möglich sein wird, dass wir in der Ukraine so eine Initiative aufziehen.

Danke für das Gespräch! 


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