Unternehmer: Migranten als Motor der Selbstständigen

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In Zahlen: Rund ein Drittel der Einzelunternehmer in Wien sind Migranten. 36 Prozent der migrantischen Unternehmer sind in Gewerbe und Handwerk, 31Prozent im Handel, 30 Prozent im Bereich Consulting tätig. Polnische Unternehmer sind mit 29 Prozent die größte Gruppe. Im Gegensatz zu Österreichern verbinden viele Migranten mit der Selbstständigkeit ein sicheres und regelmäßiges Einkommen.  

10.03.2010 | 18:33 | Nasila Berangy

Immer mehr Migranten wählen den Weg in die Selbstständigkeit. Nicht, weil sie sonst keinen Job bekommen – sie verbinden damit im Gegensatz zu vielen Alteingesessenen ein sicheres Einkommen.

Carmen Nadina Banyasz ist Unternehmerin, im 14. Wiener Gemeindebezirk betreibt sie ihren Kosmetiksalon. Damit gehört sie zu jenem Drittel der Selbstständigen in Wien, die Migrationshintergrund haben. Als sie vor 21 Jahren nach Österreich kam, war sie eigentlich technische Zeichnerin mit sieben Jahren Berufserfahrung. Ein halbes Jahr lang arbeitete sie auch in Wien in diesem Beruf.

Doch eigentlich wollte sie schon immer Kosmetikerin werden. In Rumänien, wo sie geboren wurde, ein Ding der Unmöglichkeit wie sie sagt, dort herrschten „mafiaähnliche Zustände“. In Wien fiel dieses Hindernis weg – und so entschied sie sich im Alter von 28 Jahren, noch einmal zwei Jahre lang in die Schule zu gehen und eine Ausbildung als Kosmetikerin zu absolvieren. „Das ist eindeutig mein Leben“, sagt sie heute.

Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie einige Jahre in einer Drogeriekette, ehe sie von einer anderen Firma abgeworben wurde. Doch nach einiger Zeit hatte sie das Gefühl, dass dort „nicht der Mensch im Vordergrund steht“. Immer wieder fragten sie Freunde, warum sie sich nicht selbstständig mache. Wegen ihrer jahrelangen Erfahrung musste sie nur eine Prüfung bei der Innung für Kosmetik und Fußpflege absolvieren, um einen Gewerbeschein zu bekommen. Ihrem eigenen Unternehmen, der „Wohlfühloase“, stand damit nichts mehr im Weg.

 

„Es braucht Mut“

Dass immer wieder behauptet wird, Migranten machten sich nur deshalb selbstständig, weil sie keinen Job finden, ärgert sie. Für Banyasz bedeutet dieser Schritt viel eher, dass die Menschen ihren Platz in der Gesellschaft gefunden haben. „Es braucht viel Mut, sich selbstständig zu machen, denn als Angestellter hat man ja ein Fixgehalt.“

Tatsächlich sind Migranten um einiges risikobereiter als der Rest der Bevölkerung. Das ist aber kein österreichisches Phänomen, das ist weltweit so, sagt Regina Haberfellner von der Unternehmens- und Projektberatung Soll & Haberfellner. Das habe damit zu tun, dass „Migranten schon einmal einen Schritt gemacht haben, der sie aus der vertrauten Umgebung herausgeholt hat“.

Werden aber Migranten in die Selbstständigkeit gedrängt? Die Wirtschaftskammer hat erhoben, dass insgesamt nur 4,6 Prozent aller Neo-Selbstständigen vorher arbeitslos waren. Naheliegender Schluss der Kammer: diese These trifft nicht zu. Haberfellner sieht das etwas differenzierter: Es gebe schließlich auch noch jene Menschen, die um ihren Job fürchten müssen und jene, die noch nie in den Arbeitsmarkt hinein gekommen sind.

In einer Studie der L&R Sozialforschung aus dem Jahr 2007 geben immerhin 13 Prozent der Migranten und sieben Prozent der Migrantinnen an, wegen der prekären Situation am Arbeitsmarkt und Problemen bei der Jobsuche selbstständig geworden zu sein. Daher verbinden viele Migranten, vor allem jene der ersten Generation, mit der Selbstständigkeit ein sicheres und regelmäßiges Einkommen – autochthone Österreicher verbinden damit genau das Gegenteil.

 

Sein eigener Chef sein

Davor Sertic hat sich ebenfalls selbstständig gemacht. Nicht, weil er keinen Job fand, sondern weil er sein eigener Chef sein wollte. Das ist auch das wichtigste Motiv der meisten Unternehmer – ganz egal welcher Herkunft.

Der gebürtige Kroate gründete die „Unitcargo“-Spedition im Jahr 2004. Der studierte Betriebswirt, der zuvor schon in mehreren Speditionen gearbeitet hatte, erstellte zunächst einen Businessplan. Ein Büro war nicht finanzierbar, so startete er erst einmal im Keller seines Hauses mit zwei Lehrlingen. Der erste Kunde war aus Holland, später kamen die Benelux-Staaten, die Türkei und Balkanländer hinzu. 2005 eröffnete er eine Zweigstelle in der Türkei und 2006 in der Slowakei.

In Wien hat er mittlerweile zehn Mitarbeiter, die meisten von ihnen haben auch Migrationshintergrund. Doch Diversity Management ist für ihn kein Konzept: „Wir leben die Vielfalt.“ Gerade die sei ein Schlüssel zum Erfolg in anderen Ländern. Die Wiener Wirtschaftskammer gab ihm recht und zeichnete sein Unternehmen im vergangenen Januar mit dem DiversCity Preis in der Kategorie „ethnische Unternehmen“ aus.

Mahmut Oroçoğlu machte sich ebenfalls selbstständig, denn er hatte eine innovative Idee: Der türkischstämmige Unternehmer wollte die Auslagen der Reisebüros digitalisieren. 15 Jahre lang arbeitete er in der Tourismusbranche. Und dort beobachtete er, dass in den Reisebüros immer nur Plakate hingen. Seiner Ansicht nach eine veraltete Methode, für seine Produkte zu werben. Er wollte dem Anspruch der Zeit gerecht werden und eine Art „papierlose Auslage“ gestalten.

 

Das digitale Reisebüro

Um sein Vorhaben in die Realität umzusetzen, schrieb er sich im Alter von 30 Jahren gemeinsam mit seiner Ehefrau an der Fachhochschule Wifi für Unternehmensführung ein. In seiner Diplomarbeit arbeitete er das Geschäfts-, sie das Finanzierungsmodell aus. Für diese Arbeit sprach er mit 80 Prozent der Entscheidungsträger aus der Branche, um den Markt zu evaluieren und sich auf den Start vorzubereiten. Ende 2009 schließlich gründete er seine Gesellschaft „Oruvision“.

Bisher haben schon acht Reisebüros von Digital Signage Gebrauch gemacht, bis Ende März sollen insgesamt 25 weitere Standorte aufgerüstet werden. Was Oroçoğlu besonders freut, ist, dass er mittlerweile einen Mitarbeiter einstellen konnte – andere Unternehmen mussten wegen der Wirtschaftskrise einige Mitarbeiter entlassen.

(NASILA BERANGY, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 10.03.2010)


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