Wenn ein Türke Deutsch unterrichtet

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AUF EINEN BLICK
  • Adesa – After School Education Vienna, Kaiserstr. 85/1/1, 1070 Wien, ?94 15 073
  • Phönix – Institut für Kultur, Bildung und Sport, Knöllgasse 20 – 24, 1100 Wien, ?208 46 57

27.08.2008 | 0:15 | Nasila Berangy

Deutsch-Institute von Migranten haben zunehmend österreichische Schüler als Kunden.

Türken haben auf der Baustelle zu arbeiten, in einer Substandard Wohnung zu leben und kein Deutsch zu sprechen“, sagt Sami Akpinar, „ich entspreche nicht diesem Bild.“ Der gebürtige Türke spricht nicht nur Deutsch, er bringt es auch anderen bei, hauptsächlich Kindern und Jugendlichen mit Schwierigkeiten in der Schule. Und: „98 Prozent meiner Schüler sind Österreicher ohne Migrationshintergrund.“ Sein bekanntester Schüler sei der Sohn des Ex-Justizministers Dieter Böhmdorfer gewesen, sagt er.

Begonnen hat alles in seinem letzten Schuljahr. Akpinar bekam das Angebot, Deutsch und Englisch für Erwachsene zu unterrichten. Seither sind 20 Jahre vergangen, mittlerweile hat er sein eigenes Nachhilfeinstitut „Adesa“, wo er pro Monat 35 Schüler betreut.

Dass Eltern seine Kompetenzen als Deutschlehrer in Frage gestellt hätten, sei kein einziges Mal vorgekommen, so der türkischstämmige Österreicher. Im Gegenteil: „Oft schätzen sie meine Erziehungsmethoden.“ So werde den Kindern immer etwas zum Essen und Trinken angeboten. „Mit der Zeit bringen die Kinder auch etwas mit.“ Wichtig ist aber auch der Kontakt zu den Eltern. „Wir werden im Jahr auf bis zu 20 Geburtstagsfeiern eingeladen.“ Nicht nur zu jenen der Schüler, sondern auch zu denen der Eltern: Man bleibe auch nach dem Unterricht in Kontakt.

Nachhilfeunterricht bekommen Schüler auch bei „Phönix“: Ebenfalls von türkisch-stämmigen Migranten gegründet, bietet der Verein vorwiegend Nachhilfe für Kinder mit türkischen Wurzeln. 1998 gründete eine Gruppe von Studenten den Verein zur Unterstützung von Eltern türkischer Herkunft. Diese konnten mit ihren Kindern nicht lernen und baten daher Nachbarn um Unterstützung. „Das konnte aber keine dauerhafte Lösung sein“, so Akin Kurt, Obmann des Vereins. Aus der Nachbarschaftshilfe entstand schließlich ein Verein, der sich das Ziel gesetzt hat, das Bildungsniveau der Migranten zu erhöhen.

So wie beim Nachhilfeinstitut Adesa führt der Weg zum Erfolg nicht nur über die Arbeit mit den Schülern, sondern auch über die Eltern. Wird ein Schüler angemeldet, ist zunächst ein Besuch im Elternhaus angesagt: „Wir trinken einen Kaffee. Dabei öffnen sich die Menschen, man erfährt, was sie brauchen, was ihre Sorgen sind, wie wir helfen können“, so Kurt.

Anfänglich mietete der Verein eine Wohnung in der Burggasse, um den Schülern Nachhilfeunterricht und Nachmittagsbetreuung anzubieten. Rasch war der Verein von Schülern überlaufen, so dass im sechsten Bezirk eine zweistöckige Wohnung gekauft wurde. Aufgrund der wachsenden Nachfrage eröffnete man im 10. und 20. Bezirk weitere Filialen, schließlich folgten auch erste Zweigstellen in anderen Bundesländern. Vergangenes Jahr gründete man schließlich sogar eine eigene Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht, in der das Erlernen von Ostsprachen besonders hohe Priorität hat.

Schüler werden zu Lehrern

Wie gut das Modell der Nachhilfe funktioniert, zeigen die Absolventen: Etwa die Hälfte der ehemaligen Schüler gibt heute selbst im Institut Nachhilfe. Sie verstehen die Sorgen der Schüler, denn sie haben dieselben Probleme durchgemacht. Und, so Kurt: „Oft studieren die ehemaligen Schüler sogar Deutsch als Lehramt.“

Und wie finanziert sich Phönix? „Wir sind nicht gewinnorientiert.“ Die Kosten werden möglichst gering gehalten, damit sich Migrantenfamilien die Nachhilfe leisten können. Man lebt von Mitgliederbeiträgen und Spenden, arbeitet mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. Nur bei den Deutsch-Integrationskursen kommt mehr Geld herein.

Mit der reinen Nachhilfe ist es bei Phönix übrigens nicht getan – mit Einverständnis der Eltern nimmt man auch Kontakt mit der Schule auf. „Manche Lehrer sind schon verwundert, warum wir und nicht die Eltern mit ihnen sprechen wollen, aber wir übernehmen hier die Rolle des Mediators“, so Kurt. Die Mehrheit der Lehrer sei kooperativ und will eine Lösung für das Kind, so der 30-jährige Übersetzungswissenschaftler.

Auch das Elternhaus wird beobachtet: „Wir schauen, welches Arbeitsumfeld das Kind hat. Ob es etwa in einem Zimmer lernen muss, wo die ganze Zeit der Fernseher läuft. Wichtig dabei ist nicht oberlehrerhaft den Eltern zu sagen, du machst das falsch.“ Um Probleme zu lösen, die weniger an den Schülern als vielmehr an den Eltern liegen, hat Phönix vor zweieinhalb Jahren eine eigene Elternschule gegründet. Hier wird an mehreren Abenden unter anderem über Themen wie Pubertät oder das österreichische Schulsystem informiert. Denn wissen die Eltern besser Bescheid, haben es auch ihre Kinder leichter.

(NASILA BERANGY, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.08.2008)


ein Kommentar

  • Nachhilfe Unterricht

    Daran sieht man doch das viele Vorurteile wieder zurückkommen. Es gibt so viele Beispiele in denen wir Vorurteile gegenüber Mitbürgern mit Migrationshintergrund haben, aber diese durch so tolle geschichten wie diese wiederlegt werden. Es ist egal welchen Hintergrund der Lehrer hat, Hauptsache mein Kind bekommt eine perfekte Unterstützung :) Geschrieben um 4. April 2012 um 10:57 Uhr Antworten

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