Alles nur Masche zur Imagepolitur?

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03.03.2010 | 18:24 | Elisa Ludwig und Aram Ghadimi

Kritiker bemängeln, dass sich Firmen nur mit dem Begriff schmücken. In einer globalisierten und immer heterogener erscheinenden Welt erhöhen sich auch die gesellschaftlichen Anforderungen für Unternehmen.

IBM hat es schon längst getan, das AMS Wien auch – und andere Unternehmen wie die Voestalpine und die Bank Austria Creditanstalt ebenso: Alle sahen die „Vielfalt als Chance“ und integrierten das in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung entstandene Konzept des Diversity Management strategisch in ihre Unternehmensphilosophie.

Hervorgegangen aus den Protesten der 60er-Jahre in den Vereinigten Staaten, handelte es sich einst um die Forderung politischer Minderheiten nach gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Mittlerweile aber sind diese emanzipatorischen Ideen zu einem ökonomischen Programm geworden: Im Vordergrund stehen Wettbewerbsvorteile und Effizienzsteigerung auf der Grundlage interkultureller Kompetenzen.

Mit Diversität schmücken

In einer globalisierten und immer heterogener erscheinenden Welt erhöhen sich auch die gesellschaftlichen Anforderungen für Unternehmen. Im Zuge des Diversity-Trends, so monieren Kritiker, schmücken sich mehr und mehr staatliche und nicht staatliche Betriebe, Konzerne und auch Universitäten mit dem Aushängeschild gelebter Diversität. Immer öfter arbeitet man bei Imagekampagnen mit der Diversity-Masche.

Das Ideal wären Betriebsstrukturen, die für alle in der Gesellschaft vorhandenen Identitäten offenstehen: „Das Ziel ist es, niemanden auszuschließen, damit alle gleich ausgebeutet werden können“, sagt Hakan Gürses, wissenschaftlicher Leiter der Gesellschaft für politische Bildung in Wien. Außerdem steigere ein multikulturelles Image die Nachfrage bei der Kundschaft.

„Das große Problem von Diversity ist weniger, dass man Menschen zu Vertretern und Vertreterinnen einer Identität macht, sondern, dass man ihre Verschiedenheit auf einen einzigen Unterschied reduziert.“ Soziale Benachteiligungen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder körperlicher Beeinträchtigung sind eine unbestreitbare Tatsache. Solange sich aber die rechtlichen Bedingungen und der alltagspolitische Diskurs nicht ändern, bedeute Diversity nicht viel mehr als eine Verlagerung dieser Probleme auf eine kulturelle Ebene. Auf diese Weise verschwinden gesellschaftspolitische Konflikte hinter einer Fassade der Offenheit und Toleranz.

Bekämpfung von Symptomen

„Hätten die gesellschaftlichen Strukturen (zu denen auch die Gesetze zählen) nicht oft erst selbst Diskriminierungen hervorgebracht oder verfestigt“, so Gürses, „brauchte man solche Konzepte am Arbeitsplatz gar nicht.“ Schlussendlich bleibt Diversity Management größtenteils auf Firmen beschränkt, doch die Bekämpfung von Symptomen, so Gürses, habe noch nie eine Krankheitsursache beseitigt.

(ARAM GHADIMI und ELISA LUDWIG, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 03.03.2010)


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