Schwarze JüdInnen: Mit oder ohne Anerkennung durch Israel

QUELLEN:

29.07.2016 | 7:40 | Konstantin Auer

Es ist schwer zu sagen wie viele JüdInnen es auf der Welt gibt und wo sie leben. Da sie aufgrund ihrer Geschichte, bestehend aus zahlreichen Verfolgungen, immer wieder wandern mussten und auf der ganzen Welt verteilt leben. Vor allem auf dem afrikanischen Kontinent scheint es einige jüdische Gemeinden zu geben, die aber nur teilweise von Rabbi-Autoritäten unter dem jüdischen Gesetz (Halacha) anerkannt werden. Anfang Juli stattete Netanyahu, Israels Ministerpräsident, Uganda, Äthiopien, Kenia und Ruanda Besuche ab. Dabei ging es aber eher um Wirtschaftliches und Terrorbekämpfung.

Am afrikanischen Kontinent findet man sie, laut dem Filmemacher Laurence Gavron, vor allem in Marokko, Mali, Äthiopien, Ghana, Kenia, Nigeria, Uganda, Sambia, Simbabwe und die meisten in Südafrika, aber auch in anderen Staaten. Die JüdInnen in Afrika haben verschiedenste Geschichten: Eine größere Gruppe, die Beta Israel, gibt es in Äthiopien, diese wurden aber mit mehreren Luftbrücken-Operationen fast gänzlich nach Israel gebracht. In Uganda leben die Abayudayas, welche selbst zum Judentum konvertierten und im südlichen Afrika die Lembas, welche von Israeliten abstammen. Obwohl es enorm schwer ist, einzuschätzen wie viele JüdInnen es in Afrika gibt, hat Be’Chol Lashon, eine Organisation, die JüdInnen weltweit vernetzen will, Daten aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Wenn man den Mittelwert nimmt, dann dürfte es in Afrika ca. 96.344 JüdInnen geben. Diese Schätzung scheint aber sehr gering zu sein. Der ganze Kontinent wird von über 1,1 Milliarden Menschen bewohnt, es gibt zahlreiche Religionen. Die größten davon sind seit Kolonialismus, Sklaverei und Missionierungen das Christentum und der Islam.

Von Äthiopien nach Israel 

Die Ursprünge der Beta Israel (Haus Israel), auch Falashas genannt, sind, laut den International Business Times, umstritten. Manche behaupten die äthiopischen Juden seien Nachkommen von JüdInnen, welche das eroberte Königreich Judah nach der Zerstörung des ersten Tempels 586 vor unserer Zeit verließen, um in das damalige Ägypten zu ziehen. Andere sagen, dass sie von König Menelik I abstammen, dem Sohn von König Solomon und Königin Sheba. Bis zum 15. Jahrhundert entstand so nach und nach eine jüdische Community in Äthiopien, bis 1616 bestand dort ein jüdisches Königreich. Welches sich aber bald Diskriminierungen und Eroberungen ausgesetzt sah. Sie mussten ihre Religion großteils im Geheimen ausleben. Nach dem Sturz Haile Selassies 1974 unter der Militärdiktatur wurde die Situation noch prekärer. Viele verloren ihr Leben, wurden enteignet, mussten fliehen. 1974 wurden vom Hunger in den Sudan Geflüchtete im Rahmen der „Operation Moses“ nach Israel geholt. In der „Operation Salomon“ wurden 1991 weitere aus dem beschossenen Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, gerettet. Schließlich wurden 2011 mit „Operation Taubenflügel“ Beta Israels aus einem Flüchtlingslager geholt.

Israel und Äthiopien. Foto: M-MEDIA

Heute leben, laut der Washington Post, 9.000-20.000 JüdInnen in Äthiopien, sie haben viele alte Bräuche beibehalten. Sie halten den Sabbat ein, praktizieren Tieropferungen und leben nach den Reinheitsgeboten. In Israel lebten 2013, laut der Jerusalem Post, ca. 135.000 äthiopische JüdInnen, sie machten ca. zwei Prozent der Bevölkerung aus. Seit 1977 haben sie Zugang zu Wohnungen, Gesundheitsversorgung und Bildung. Dennoch gibt es immer wieder Meldungen über Diskriminierung, Polizeibrutalität und schlechte Vorurteile gegenüber den schwarzen JüdInnen in Israel.

JüdInnen im Süden des Kontinents

In Südafrika, Simbabwe, Mozambique und Malawi kann man auf das Volk der Lemba treffen, welche Bräuche pflegen, die den jüdischen sehr ähnlich sind. Sie essen kein Schweinefleisch, begehen rituelle Tieropferungen, die Männer tragen Kippa und manche geben Davidsterne auf die Grabsteine. Nach eigenen Angaben sind sie vor 2.500 Jahren aus dem Heiligen Land geflohen, als die Assyrer es eroberten. Im Jemen hätten ihre Vorfahren dann die Stadt Senna gegründet, auf der Suche nach Handelspartnern sind sie nach Äthiopien weitergezogen, wo ein Teil Richtung Kenia und Tansania zog und von dort weiter nach Malawi. Die semitischen Vorfahren der Gruppierungen konnten, laut einem BBC-Bericht, von englischen Wissenschaftlern mittels DNA-Tests bewiesen werden. Was aber nicht beweist, dass sie einer der zehn verlorenen Stämme Israels sind. Dennoch würde ihnen vielleicht ein Anspruch auf das israelische „Rückkehr-Gesetz„, welches eine Staatsbürgerschaft für jeden Juden garantiert, zustehen. In israelischen Gerichten wird darüber sehr kontrovers debattiert. Außerdem sind heute einige Lembas auch Christen oder Muslime geworden.

Südliches Afrika: Südafrika, Malawi, Simbabwe, Mozambique

Abayudayas und Kasaku Jews

Auf eine noch nicht so alte Geschichte können etwa 2.000 JüdInnen in Uganda zurückblicken. Um 1900 wurde diese Gemeinde in einem ländlichen Gebiet im Osten Ugandas gegründet, als ein Community-Anführer begann die Tora zu lesen und die Religion einführte. Allerdings wurde, folgt man einem Bericht der Times of Israel, die Gemeinde in den frühen 2000er Jahren geteilt. Denn viele schlossen sich konservativen Rabbis aus Amerika an, welche die Gemeinde in den 1990er Jahren aufsuchten. Nur wenige wurden orthodox, diese hoffen, so von Israel anerkannt zu werden. Der Rabbi der konservativen Seite, Gershom Sizomu, meinte dennoch gegenüber den Times of Israel: „In uns drinnen glauben wir immer noch, dass wir vereinigte afrikanische Juden sind. Wir wollen unsere Verbindung zu einer der jüdischen Bewegungen nicht verstärken. Wir fühlen uns schlecht, weil diese Bewegungen den Effekt haben, dass sie jüdische Menschen trennen. Wir müssen nicht mit anderen konkurrieren“.  Die Abayudayas leben heute großteils als landwirtschaftliche SelbstversorgerInnen. Die einst vereinte Community, ist in zwei Teile geteilt. Sie sprechen kaum noch miteinander.

Nabugoye in Uganda und Naharuru in Kenia. Foto: M-MEDIA

Doch der konservative Teil der Abayaudayas, vor allem der Rabbi Sizomu, nahm vor etwa zehn Jahren Kontakt zu einer jüdischen Gemeinde in Kenia auf. Diese wussten, einem Times of Israel-Bericht nach, bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es in Uganda Juden gibt. Sie leben sehr abgeschieden in den kenianischen Hochländern, ca. 2438 Meter über dem Meeresspiegel in der Nähe der Stadt Naharuru von landwirtschaftlicher Selbstversorgung. Sie bezeichnen sich selbst als Kasaku Jews und haben keinerlei Kontakt zur israelischen Botschaft oder zur Hebräischen Gemeinde in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Nur einmal hätten sie, wie sie gegenüber der Times of Israel sagten, Besuch von letzterer gehabt, diese hätten aber nur beschlossen, dass sie keine akkuraten Juden seien. Aus dieser Isolation wollten die Abayudayas sie befreien. Mittlerweile habe sich die Kasaku Jews den Ugandern angeschlossen.

„House of Israel“ und zahlreiche jüdische Gemeinden in Westafrika

„House of Israel“ ist eine jüdische Gemeinde aus Sefwi Wiawso im Südwesten Ghanas, welche eher wie eine Sekte organisiert ist. Etwa 200 Menschen leben in der Gemeinde. Sie wurde 1976 von Aaron Ahomtre Toakyirafa, einem Community-Anfüher gegründet, der, nach eigenen Angaben, eine Art „Vision“ gehabt haben soll. Weitere kleinere jüdische Gemeinden gibt es mit den „Igbo Jews“ auch in Nigeria, den „Danites“ in der Elfenbeinküste, den „Beth Yeshourun“ in Kamerun und den JüdInnen in Timbuktu (Mali).

Jüdisches Leben auf den Inseln

Im Mai 2016 wurde offiziell auch auf Madagaskar, im Indischen Ozean, eine jüdische Gemeinde geboren. 121 Männer, Frauen und Kinder sind in einer zehn-tägigen Zeremonie zum Judentum konvertiert. Wie die Times of Israel berichteten, glauben viele von ihnen, Nachfahren von jüdischen Seefahrern zu sein.

Auch auf Sao Tome & Principe, vor der Westküste Afrikas, gibt es JüdInnen. Diese sind wahrscheinlich Nachfahren der 1493 aus Spanien geflohenen 2000 jüdischen Kinder. Nach der Eroberung („Reconquista“) des arabischen Emirates Granada durch die Spanier flohen diese nach Portugal, von wo sie auf die Insel verschifft wurden. Ebenso gibt es auf den Kapverdischen Inseln zahlreiche Nachkommen von JüdInnen, welche im Laufe der Geschichte aus Europa oder Afrika eingewandert sind. Zahlreiche Ortsnamen, Familiennamen, Friedhöfe und eine Stadt namens Synagoga bezeugen dies auch heute noch.

Madagaskar, Sao Tome & Pricipe, Kap Verden


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